Dokument-ID: 900037

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.4.2.1e. Einbringung von Kapitalanteilen – Sonderregime Anteilstausch für Körperschaften mit Nichtentstehung der Steuerschuld

860h
Abweichend vom Ratenzahlungskonzept bzw. Nichtfestsetzungskonzept sieht § 16 Abs. 1a erster und zweiter Teilstrich UmgrStG bei der grenzüberschreitenden Einbringung von Kapitalanteilen aus einem inländischen Betriebsvermögen durch Körperschaften in eine EU/EWR-Gesellschaft auf Grund der Fusionsrichtlinie ein Sonderregime vor, wenn dem Einbringenden eine Gegenleistung gewährt wird (Anteilstausch für Körperschaften). Seit dem StRefG 2020 sind von § 16 Abs. 1a UmgrStG grundsätzlich sämtliche Einbringungen von Kapitalanteilen in EU/EWR-Gesellschaften – und folglich auch Einbringungen durch natürliche Personen und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften – erfasst. Innerhalb des Anteilstausches ist jedoch weiterhin hinsichtlich der Rechtsfolgen zu differenzieren:

  • Bei Exporteinbringungen durch natürliche Personen (sowohl bei Kapitalanteilen des Betriebs- als auch des Privatvermögens) und durch beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, wenn der Kapitalanteil nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehört, kann die entstehende Steuerschuld auf Antrag nicht festgesetzt werden (Anteilstausch mit Nichtfestsetzung, Rz 860b).
  • Exporteinbringungen von Kapitalanteilen des Betriebsvermögens durch unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften sowie Einbringungen von Kapitalanteilen durch beschränkt Steuerpflichtige, die einem inländischen Betriebsvermögen zugehören, erfolgen hingegen steuerneutral unter Ansatz der Buchwerte.

Entsteht einbringungsbedingt bei der übertragenden Körperschaft allerdings eine internationale Schachtelbeteiligung oder wird das Ausmaß einer bestehenden internationalen Schachtelbeteiligung verändert, entsteht die Steuerschuld hinsichtlich der im Kapitalanteil zum Einbringungsstichtag bestehenden stillen Reserve, wenn die übernehmende EU/EWR-Gesellschaft in weiterer Folge den eingebrachten Kapitalanteil veräußert oder dieser sonst aus dem Betriebsvermögen ausscheidet (§ 16 Abs. 1a zweiter Teilstrich erster Satz UmgrStG).

Beispiel:

Die inländische M-AG hält seit Jahren einen 70 %-Anteil an der inländischen T-GmbH; über die Jahre ist eine hohe stille Reserve entstanden (Anschaffungskosten = 100, Verkehrswert = 1.000). M bringt ihren Anteil an der T in die deutsche Dt-AG ein und erhält als Gegenleistung einen Anteil iHv 50 % an der Dt-AG. Der erhaltene 50 %-Anteil an der Dt-AG stellt eine internationale Schachtelbeteiligung nach § 10 Abs. 2 KStG 1988 dar. Die Einbringung als solche erfolgt steuerneutral. Veräußert allerdings die übernehmende Dt-AG in weiterer Folge den eingebrachten Kapitalanteil, entsteht bei der M-AG die Steuerschuld hinsichtlich der stillen Reserve iHv 900, und zwar im Jahr der Veräußerung (§ 16 Abs. 1a zweiter Teilstrich UmgrStG). Sollten zwischen der Einbringung und der Veräußerung Wertminderungen eintreten und der eingebrachte Kapitalanteil um 700 veräußert werden, vermindert sich die Bemessungsgrundlage auf 600, soweit diese Wertminderung nicht schon im anderen Staat berücksichtigt wurde (§ 16 Abs. 1a dritter Teilstrich UmgrStG; eine Steuergutschrift kann durch zwischenzeitliche Wertminderungen allerdings nicht entstehen).

Das gesetzliche Tatbestandsmerkmal der Veräußerung „in weiterer Folge“ ist sowohl zeitlich als auch vor dem Sinn und Zweck der Bestimmung zu sehen. Rein zeitlich betrachtet kann eine Veräußerung der eingebrachten Beteiligung zehn oder mehr Jahre nach der Einbringung nicht mehr zu einer Besteuerung führen. Ob bei einer Veräußerung innerhalb von zehn Jahren ab der Einbringung eine Steuerschuld entsteht, hängt vom konkreten Einzelfall ab, wobei bei der Beurteilung folgende Umstände mitzuberücksichtigen sind:

  • Vorliegen vernünftiger wirtschaftlicher Gründe für die Einbringung;
  • Höhe des Beteiligungsausmaßes der einbringenden Körperschaft an der übernehmenden Körperschaft;
  • Einflussmöglichkeit der einbringenden Körperschaft auf die Ausschüttung des Veräußerungsgewinns (Beteiligungshöhe, vereinbarte alineare Ausschüttung);
  • Zeitliche/r Nähe/Zusammenhang zwischen Einbringung und Veräußerung.

Sollte die einbringende Gesellschaft die Anteile an der übernehmenden Körperschaft (steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung) bereits zuvor veräußert haben, entsteht keine Steuerschuld, wenn die übernehmende Körperschaft sodann den eingebrachten Kapitalanteil veräußert. Hinsichtlich der im eingebrachten Vermögen zum Einbringungsstichtag enthaltenen stillen Reserven kommt die Steuerneutralität des § 10 Abs. 3 KStG 1988 bei Veräußerung der Gegenleistung nicht zur Anwendung (§ 16 Abs. 1a Teilstrich 2 letzter Satz iVm § 20 Abs. 7 Z 1 letzter Satz UmgrStG).

Variante Beispiel:

Veräußert die einbringende M-AG den Anteil an der Dt-AG, ist der aufgrund von § 20 Abs. 7 Z 1 UmgrStG in Evidenz genommene Betrag (900) von der Steuerneutralität des § 10 Abs. 3 erster Satz KStG 1988 auszunehmen. § 20 Abs. 7 Z 1 letzter Satz UmgrStG kommt diesfalls nicht zur Anwendung, weil die Steuerschuld nach § 16 Abs. 1a UmgrStG mangels Veräußerung durch die übernehmende Körperschaft nicht entstanden ist. Bei späterer Veräußerung des eingebrachten Vermögens (Anteil an der T-GmbH) durch die übernehmende Dt-AG entsteht keine Steuerschuld mehr nach § 16 Abs. 1a UmgrStG, weil die Anteile an der übernehmenden Körperschaft durch die einbringende Körperschaft bereits vor dem Entstehen der Abgabenschuld veräußert wurden.

Auch eine einem „Anteilstausch“ folgende Umgründung führt nicht zum Entstehen der Steuerschuld, wenn auch die übernehmende Gesellschaft die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1a UmgrStG erfüllt (dh. es handelt sich um eine EU/EWR-Gesellschaft) und die stillen Reserven in den Kapitalanteilen steuerlich erfassbar bleiben. Einer solchen Folgeumgründung nachfolgende Veräußerungsvorgänge lassen die Steuerschuld aber entstehen.

Beispiel:

Die inländische Mutter-AG bringt ihre 100 %-Beteiligung an der inländischen T1-AG in die deutsche T2-AG ein und erhält als Gegenleistung dafür Anteile iHv 50 % an T2 (im Falle einer späteren Veräußerung der eingebrachten T1-Beteiligung durch T2 käme es zur Besteuerung). T2 ihrerseits bringt nun ihre übernommene T1-Beteiligung in die deutsche T3-AG ein und erhält als Gegenleistung Anteile iHv 40 % an T3. Die (Folge-)Einbringung der Kapitalanteile in T3 löst für sich noch keine Besteuerung aus, sofern die stillen Reserven in den eingebrachten Kapitalanteilen weiterhin erfasst werden können.

In weiterer Folge veräußert

a) T2 ihre Beteiligung an T3,

b) T3 ihre Beteiligung an T1.

In beiden Veräußerungsfällen (a und b) kommt es zur Besteuerung, weil sonst die (in Österreich entstandenen) stillen Reserven in T1 im Ergebnis unversteuert bleiben würden. Sollte im Beispiel T2 (a) oder T3 (b) die Beteiligung nicht zur Gänze, sondern nur teilweise (zB zur Hälfte) veräußern, kommt es nur zur anteiligen Erfassung der stillen Reserven.

Bei down-stream-Einbringungen von im Inland steuerhängigen Kapitalanteilen in die 100-prozentige EU/EWR-Tochtergesellschaft ist als Gegenleistung im Sinne von § 16 Abs. 1a erster Satz UmgrStG gemäß § 20 Abs. 1 zweiter Satz UmgrStG auch eine bloße Werterhöhung (ohne Kapitalerhöhung) einer bereits 100-prozentigen Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft anzusehen.

Beispiel 1:

Die inländische M-GmbH ist zu 100 % sowohl an der inländischen T1-GmbH als auch an der deutschen T2-GmbH beteiligt. Die M-GmbH bringt ihre Anteile an der T1-GmbH in die T2-GmbH nach Art. III UmgrStG ein; auf eine Gewährung von Anteilen wird gemäß § 19 Abs. 2 Z 5 UmgrStG verzichtet. Trotz Verzichts auf eine Anteilsgewährung liegt eine Gegenleistung im Sinne des § 16 Abs. 1a erster Satz UmgrStG vor, die in der Wertsteigerung der bereits bisher bestehenden Anteile der M-GmbH an der T2-GmbH besteht; folglich kann die Einbringung gemäß § 16 Abs. 1a erster Teilstrich UmgrStG zu Buchwerten erfolgen.

Wird hingegen im Zuge von up-stream- oder side-stream-Einbringungen von im Inland steuerhängigen Kapitalanteilen durch Kapitalgesellschaften in EU/EWR-Körperschaften auf die Gewährung einer Gegenleistung verzichtet (zur Zulässigkeit aus unionsrechtlichen Gründen siehe Rz 1087), ist die Anwendungsvoraussetzung des Anteilstausches gemäß § 16 Abs. 1a UmgrStG nicht erfüllt, wonach dem Einbringenden eine Gegenleistung gewährt werden muss. Diesfalls liegt auch keine bloße Werterhöhung einer bereits bestehenden 100-prozentigen Beteiligung an der übernehmenden Körperschaft vor (diese wäre im Inland auch nicht steuerhängig, siehe Rz 854b).

Beispiel 2 (siehe auch Rz 860a):

Die deutsche A-GmbH ist zu 100 % an der inländischen B-GmbH beteiligt. Die B-GmbH ihrerseits ist wiederum zu 100 % an der inländischen C-GmbH beteiligt. Die B-GmbH bringt den Anteil an der C-GmbH in die deutsche A-GmbH nach Art. III UmgrStG ein (up-stream); die Einbringung führt zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts am Anteil an der C-GmbH. Mangels Gewährung einer Gegenleistung (siehe Rz 1087) kommt das Sonderregime Anteilstausch gemäß § 16 Abs. 1a UmgrStG nicht zur Anwendung, weshalb anlässlich der Einbringung die Steuerschuld entsteht. Da die Einschränkung des Besteuerungsrechtes jedoch gegenüber einem EU-Staat (Deutschland) erfolgt, kann die B-GmbH für die entstehende Steuerschuld einen Antrag auf Ratenzahlung stellen (siehe Rz 860a).

860i
Im Falle der Exporteinbringung einer internationalen Schachtelbeteiligung hängen die steuerlichen Konsequenzen im Falle der späteren Veräußerung des eingebrachten Kapitalanteils durch die übernehmende Körperschaft davon ab, ob die eingebrachte internationale Schachtelbeteiligung steuerneutral ist oder ob zu Steuerwirksamkeit optiert wurde.

Bringt zB eine österreichische Mutter-AG ihre Beteiligung an der deutschen T1-AG (internationale Schachtelbeteiligung) in die deutsche F-AG ein und erhält dafür Anteile in Höhe von 40 % an der F-AG (internationale Schachtelbeteiligung), liegt zwar zunächst eine Einschränkung des Besteuerungsrechtes im eingebrachten Vermögen vor (siehe Rz 72). Aufgrund des Sonderregimes für den Anteilstausch hat jedoch die Einbringung zu Buchwerten (an Stelle des Fremdvergleichswertes) zu erfolgen (§ 16 Abs. 1a erster Teilstrich iVm § 16 Abs. 1 UmgrStG). Im Falle der späteren Veräußerung des eingebrachten Kapitalanteils durch die übernehmende Körperschaft F-AG ist zu unterscheiden:

  • Handelte es sich bei der eingebrachten T1-Beteiligung um eine steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung, ergeben sich bei der M-AG – wie im Falle einer Veräußerung einer steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung – der Höhe nach keine steuerlichen Folgen.

Sollte die Gegenleistung an der F-AG unter 10 % betragen und folglich keine internationale Schachtelbeteiligung entstehen, erfolgt die Einbringung aufgrund von § 16 Abs. 1a erster Teilstrich UmgrStG dennoch zu Buchwerten. Anlässlich der späteren Veräußerung des Anteils an der T1-AG entsteht folglich keine Steuerschuld. Angesichts des Untergangs einer steuerneutralen internationalen Schachtelbeteiligung bei der einbringenden Körperschaft kommt es hinsichtlich der bisher nicht begünstigten Gegenleistungsanteile zur steuerneutralen Aufwertung nach Maßgabe des § 20 Abs. 7 Z 2 UmgrStG (analoge Anwendung). Dies gilt auch, wenn die übernehmende Gesellschaft eine inländische ist und die Gegenleistung daher in nationalen Anteilen besteht (siehe Rz 1166).

  • Handelt es sich bei der eingebrachten Beteiligung an der T1-AG um eine optierte internationale Schachtelbeteiligung, führt die spätere Veräußerung durch die übernehmende F-AG in weiterer Folge nicht zu einer Festsetzung der Steuerschuld (keine Anwendung von § 16 Abs. 1a zweiter Teilstrich UmgrStG, weil auf Ebene der Gegenleistung keine steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligung entsteht oder erweitert wird). Veräußert jedoch die inländische M-AG die Beteiligung an der übernehmenden F-AG, führt dies zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn, weil sich die Option auch auf die Gegenleistungsanteile erstreckt (siehe KStR 2013 Rz 1217).

Sollte die Gegenleistung an der F-AG unter 10 % betragen, erfolgt die Einbringung ebenso zu Buchwerten (§ 16 Abs. 1a erster Teilstrich UmgrStG), jedoch entsteht keine internationale Schachtelbeteiligung und im Falle der Veräußerung durch die übernehmende Körperschaft entsteht die Steuerschuld bei der M-AG nicht. In den Gegenleistungsanteilen der M-AG (Ansatz zu Buchwerten) sind jedoch die stillen Reserven steuerhängig.