Dokument-ID: 647113

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.4.2.6.4. Barentnahmen nach dem Einbringungsstichtag

900
Der Begriff der Entnahmen bezieht sich auf den Entnahmetatbestand des § 4 Abs. 1 EStG 1988. § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG hat daher für einbringende Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 begrifflich keine Bedeutung. Im Falle der gesonderten Übertragung von Mitunternehmeranteilen können Körperschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 KStG 1988 jedoch eine rückwirkende Übertragung von Guthaben des variablen Kapitalkontos in das Stammvermögen bzw. Einlagen in das variable Kapitalkonto in sinngemäßer Anwendung von § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG vornehmen (siehe dazu Rz 721).

901
Die Möglichkeit, Barentnahmen nach dem Einbringungsstichtag auf diesen rückzubeziehen, ist in § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG ausdrücklich geregelt. Steuerwirksam ist die Rückbeziehung durch den Ansatz einer Passivpost (Verbindlichkeit) in der Einbringungsbilanz in Höhe der tatsächlich getätigten Entnahmen. Der Ansatz einer „Passivpost für Entnahmen“ führt dazu, dass der Buch- und Verkehrswert des einzubringenden Betriebes bereits zum Einbringungsstichtag um die Barentnahmen vermindert wird, obwohl die Entnahmen tatsächlich erst später getätigt werden. Die rückwirkende Entnahme kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn der Buchwert des einzubringenden Betriebes schon vor der Entnahme negativ ist oder durch die Entnahme negativ wird.

Beispiel:
A bringt sein Einzelunternehmen zum Stichtag 31.12.01 in die X-GmbH ein, wobei er im Wege einer Kapitalerhöhung Anteile erhält. Der Einbringungsvertrag wird am 31.8.02 abgeschlossen. Im Zeitraum Jänner bis August 02 hat A aus seinem Einzelunternehmen Entnahmen in Gesamthöhe von 14.000 getätigt, die er rückbeziehen möchte. Sonstige rückwirkende Korrekturen erfolgen nicht. Der Verkehrswert des Einzelunternehmens (ohne Berücksichtigung der Entnahmen) beträgt 40.000.

A stellt folgende Einbringungsbilanz per 31.12.01 auf:

Aktiva

Passiva

Anlagevermögen

10.000

Einbringungskapital

–6.000

Umlaufvermögen

5.000

Entnahme gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG

14.000

 

 

Fremdkapital

7.000

 

15.000

 

15.000

Hinsichtlich eines Betrages von 6.000 unterliegen die rückbezogenen Entnahmen der Kapitalertragsteuerpflicht gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 UmgrStG (vgl. Rz 972c ff). Der positive Verkehrswert des eingebrachten Vermögens ist im gegenständlichen Fall nach wie vor gegeben.

902
Entscheidend ist, dass nach der Entnahme immer noch ein positiver Verkehrswert vorhanden ist. Es können bei Verzicht auf vorbehaltene Entnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG somit bare Entnahmen bis zur Höhe des Verkehrswertes des Einbringungsobjektes vorgenommen werden, wobei der Wert zurückbehaltener und damit ebenfalls entnommener Wirtschaftsgüter gemäß § 16 Abs. 5 Z 3 UmgrStG zu berücksichtigen ist. Der Saldo aus rückwirkenden Entnahmen gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 und 3 UmgrStG und Einlagen gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG muss für das übertragene Vermögen einen positiven Verkehrswert ergeben. Zur Sicherung dieser Voraussetzung wird innerbetrieblich eine rechtzeitige Entnahmesperre vorzusehen sein. Zur Behandlung von getätigten aber nicht rückbezogenen Entnahmen siehe Rz 873 ff.

903
Wird die gemäß § 16 Abs. 5 Z 1 UmgrStG rückbezogene Barentnahme fremdfinanziert, ändert dies nichts an der den Buch- bzw. Verkehrswert des einzubringenden Vermögens senkenden Wirkung. Es liegt weiters in der Übernahme der Kreditverbindlichkeit, die durch die rückbezogene Barentnahme entstanden ist, durch die übernehmende Körperschaft keine dem § 19 Abs. 1 UmgrStG widersprechende Gegenleistung vor. Analog zur Verzinsungsmöglichkeit einer durch die vorbehaltene Entnahme im Sinne des § 16 Abs. 5 Z 2 UmgrStG entstehenden Verrechnungsverbindlichkeit stellen die mit der Kreditaufnahme verbundenen Aufwandszinsen Betriebsausgaben der übernehmenden Körperschaft dar.

904
Auf vor dem Einbringungsstichtag getätigte kreditfinanzierte Entnahmen ist das allgemeine Einkommensteuerrecht anzuwenden (siehe EStR 2000 Rz 1421 ff).

Fehlt den in den Büchern erfassten Verbindlichkeiten auf Grund der fehlenden betrieblichen Veranlassung die Eigenschaft von negativem Betriebsvermögen und wird sie dennoch mit dem begünstigten Vermögen in die übernehmende Körperschaft eingebracht, kann sich in der Folge keine Änderung in der steuerlichen Beurteilung ergeben. Wird daher eine tatsächlich zum Privatvermögen gehörende Schuld, die in der Bilanz des eingebrachten Betriebes, Teilbetriebes bzw. Mitunternehmeranteils als Passivum ausgewiesen ist, im Zuge der Einbringung (mit)übertragen, liegt dieser Vorgang außerhalb des Art. III UmgrStG und ist daher die Anwendung des Art. III UmgrStG nicht gefährdet (keine schädliche Gegenleistung; vgl. Rz 1005). Die Übernahme der privaten Schuld (befreiende Schuldübernahme) selbst stellt grundsätzlich eine verdeckte Ausschüttung in Höhe der kapitalisierten Verbindlichkeit dar. Im Falle des bloßen Schuldbeitritts führen die laufende Zinsenbelastung sowie die Tilgung durch die übernehmende Körperschaft zu verdeckten Ausschüttungen.