Dokument-ID: 359222

Vorschrift

Umgründungssteuerrichtlinien 2002

Inhaltsverzeichnis

3.7.4.2.2. Erworbene Anteile

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Für Anteilsgewährungen aufgrund von Einbringungen mit einem Stichtag bis 30.12.2010:

§ 20 Abs 6 UmgrStG bezieht sich als Regelfall nur auf anlässlich der Einbringung erworbene Anteile. Dazu gehören

  • neue (einbringungsgeborene) Anteile im Sinne des § 19 Abs 1 UmgrStG (siehe Rz 1030 ff)
  • zur Abfindung verwendete eigene Anteile der übernehmenden Körperschaft im Sinne des § 19 Abs 2 Z 1 UmgrStG (siehe Rz 1042 f)
  • bestehende Anteile an der übernehmenden Körperschaft, die der Einbringende im Zuge einer Abfindung durch die Altgesellschafter im Sinne des § 19 Abs 2 Z 2 UmgrStG erwirbt (siehe Rz 1044 ff).

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Für Anteilsgewährungen aufgrund von Einbringungen mit einem Stichtag bis 30.12.2010:

§ 20 Abs 6 Z 1 Satz 1 UmgrStG trägt dem Prinzip der Verdoppelung der stillen Reserven Rechnung (siehe Rz 1097) und stellt sicher, dass die auf die übernehmende Körperschaft übertragenen stillen Reserven des Einbringungsvermögens auch bei einer Veräußerung der als Gegenleistung für die Einbringung erworbenen Anteile, die sich im Privatvermögen des Einbringenden befinden, zu einer Veräußerungsüberschussbesteuerung führen.

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Für Anteilsgewährungen aufgrund von Einbringungen mit einem Stichtag bis 30.12.2010:

Zur Anwendung des § 20 Abs 6 Z 1 Satz 1 UmgrStG kommt es nur, wenn sich die Möglichkeit der Besteuerung der stillen Reserven nicht bereits aus den Bestimmungen des EStG 1988 ergibt. Bei einer Veräußerung der für die Einbringung erworbenen Anteile ergibt sich nachstehende Reihenfolge bzw Subsidiarität der zu prüfenden Tatbestände:

  • Werden die erworbenen Anteile im Betriebsvermögen gehalten, ist die Veräußerung ein laufender Geschäftsfall und der Veräußerungsgewinn zählt zur jeweiligen betrieblichen Einkunftsart.
  • Werden die erworbenen Anteile im Privatvermögen gehalten und innerhalb eines Jahres nach dem auf den Einbringungsstichtag folgenden Tag veräußert, liegt ein Spekulationsgeschäft im Sinne des § 30 EStG 1988 idF vor 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, vor (siehe EStR 2000 Rz 6620 ff idF vor dem Wartungserlass 2013). Zur Fristenberechnung siehe Rz 1092.
  • Werden die erworbenen Anteile im Privatvermögen gehalten und beträgt das Beteiligungsausmaß mindestens 1 %, kommt bei abgelaufener Spekulationsfrist § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, zur Anwendung (siehe Rz 1143 und EStR 2000 Rz 6666 ff idF vor dem Wartungserlass 2013). Zu den Konsequenzen einer Veräußerung nach dem 31.3.2012 siehe Rz 1146.
  • Werden die erworbenen Anteile im Privatvermögen gehalten und beträgt das Beteiligungsausmaß weniger als 1 %, ist im Falle der Einbringung von Betrieben, Teilbetrieben, Mitunternehmeranteilen oder unter § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, fallenden Kapitalanteilen § 20 Abs. 6 Z 1 UmgrStG anzuwenden. Zu den Konsequenzen einer Veräußerung nach dem 31.3.2012 siehe Rz 1146.
  • Werden die erworbenen Anteile im Privatvermögen gehalten und beträgt das Beteiligungsausmaß weniger als 1 %, kommt im Falle der Einbringung von nicht unter § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, fallenden Kapitalanteilen der Sondertatbestand des § 20 Abs. 6 Z 2 UmgrStG zur Anwendung (siehe Rz 1149 ff).

Für Anteilsgewährungen aufgrund von Einbringungen mit einem Stichtag ab 31.12.2010:

  • Werden die erworbenen Anteile im Privatvermögen gehalten und beträgt das Beteiligungsausmaß weniger als 1 %, kommt im Falle der Einbringung von nicht unter § 31 EStG 1988 idF vor dem BudBG 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, fallenden Kapitalanteilen, wenn diese bis zum 31.12.2010 erworben wurden, der Sondertatbestand des § 20 Abs. 6 UmgrStG zur Anwendung (siehe Rz 1149 ff).

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Für Anteilsgewährungen aufgrund von Einbringungen mit einem Stichtag bis 30.12.2010:

§ 20 Abs. 6 Z 1 Satz 1 UmgrStG idF vor AbgÄG 2012 übernimmt durch den Verweis auf § 20 Abs. 5 UmgrStG idF vor AbgÄG 2012 die zehnjährige Steuerverstrickung für die in das Privatvermögen anlässlich der Einbringung gewährten Gegenleistungsanteile des Einbringenden, sofern sich die Möglichkeit der Besteuerung der stillen Reserven nicht bereits nach den Bestimmungen des EStG 1988 ergibt. Eine Besteuerungsmöglichkeit nach den Bestimmungen des EStG 1988 ist nach den Verhältnissen im Veräußerungszeitpunkt zu beurteilen. Die zehnjährige Steuerverstrickung kommt daher auch dann zur Anwendung, wenn die Beteiligungsquote innerhalb des Zehnjahreszeitraumes unter die 1 %-Grenze absinkt oder wenn die Fünfjahresfrist des § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 ausläuft oder eine zehnjährige Steuerfrist auf Grund einer vorangegangenen Umgründung erst während des Zehnjahreszeitraumes endet. Die Steuerverstrickung ist auf die Gesellschaftsanteile abgestellt, sodass die Zehnjahresfrist durch eine unentgeltliche Übertragung der Anteile nicht beeinflusst wird. Im Ergebnis sind daher sämtliche ins Privatvermögen des Einbringenden gewährten Gegenleistungsanteile bis zum Ende des zehnten Jahres nach Ablauf des Einbringungsstichtages als Beteiligung im Sinne des § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 steuerhängig.

Beispiel 1:

A ist Alleingesellschafter der A-GmbH. Das Stammkapital der A-GmbH beträgt 1.000.000. B bringt sein Einzelunternehmen mit einem Buchwert von 10.000 zum 31.12.2009 in die A-GmbH ein, wobei an Stelle der Gewährung neuer Anteile eine Anteilsabtretung gemäß § 19 Abs. 2 Z 2 UmgrStG vereinbart wird. A tritt nach Maßgabe des Umtauschverhältnisses an den B a) 5 % (Nennkapital 50.000) b) 0,5 % (Nennkapital 5.000) seiner Beteiligung ab.

B hält die mit 1.1.2010 erworbene Beteiligung im Privatvermögen. Die steuerlich maßgebenden Anschaffungskosten der erworbenen Beteiligung betragen auf Grund von § 20 Abs. 2 Satz 1 UmgrStG sowohl im Falle a) wie im Falle b) 10.000. B veräußert seinen Geschäftsanteil am 30.6.2017 um 550.000 und anfallenden Werbungskosten von 50.000, wobei die Beteiligungsverhältnisse und die steuerlich maßgebenden Anschaffungskosten seit der Einbringung unverändert geblieben sind.

Zu a) Das Beteiligungsausmaß zum 31.3.2012 beträgt 5 %, weswegen gemäß § 124b Z 185 lit. a erster TS EStG 1988 B Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 in Höhe von 540.000 als Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös (550.000) und den Anschaffungskosten (10.000) mit dem besonderen Steuersatz von 27,5 % gemäß § 27a Abs. 1 Z 2 EStG 1988 idF StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015 (bis 2015: 25 %, siehe EStR 2000 Rz 6223) zu versteuern hat. Werbungskosten können gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht abgezogen werden.

Zu b) Das Beteiligungsausmaß zum 31.3.2012 beträgt 0,5 %, § 27 Abs. 3 EStG 1988 ist daher nicht unmittelbar anwendbar. Da die Veräußerung jedoch innerhalb der Zehnjahresfrist erfolgt, gelten die Anteile des B gemäß § 20 Abs. 5 UmgrStG in Verbindung mit § 20 Abs. 6 Z 1 Satz 1 UmgrStG idF vor AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, als zum 31.3.2012 unter § 31 EStG 1988 idF vor BudBG 2011 fallende Anteile. Die einkommensteuerlichen Folgen entsprechen jenen des Falles a).

Beispiel 2:

Der Sachverhalt entspricht dem Beispiel 1, Variante a). Die Beteiligung des B im Ausmaß von 5 % sinkt mit Wirkung ab 1.1.2011 auf 0,8 % ab, da A einen Mitunternehmeranteil zum 31.12.2010 gemäß Art. III UmgrStG in die A-GmbH eingebracht hat und B seinerseits keine Einlage leistet.

Da B die Anteile an der A-GmbH gemäß § 20 Abs. 1 UmgrStG zum 1.1.2010 erworben hat, kommt zwar § 124b Z 185 lit. a zweiter TS EStG 1988 nicht zur Anwendung. Es besteht aber Steuerpflicht (Einkünfte aus Kapitalvermögen) gemäß § 124b Z 185 lit. a erster TS zweiter HS EStG 1988, weil die Beteiligung innerhalb der Zehnjahresfrist des § 20 Abs. 6 Z 1 UmgrStG idF vor AbgÄG 2012, BGBl. I Nr. 112/2012, veräußert wurde. Die einkommensteuerlichen Folgen entsprechen daher jenen des Beispiels 1.