19.02.2021 | Arbeitssicherheit & Brandschutz | ID: 1084821

Evaluierung psychischer Arbeitsbedingungen bei Home-Office/Mobile Working

Johann Schöffthaler

Gastautor Johann Schöffthaler, MA, informiert über die speziellen Pflichten von Arbeitergeber/innen die (neuen) psychischen Arbeitsbedingungen zu evaluieren und gibt praktische Tipps für ein gesundes Arbeiten im Home-Office.

Regelungen des ASchG bei Telearbeit (Homeoffice/Mobile Working)

Der Großteil der Regelungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) kommt auch bei Telearbeit zur Anwendung. So gelten insbesondere die Bestimmungen zu Ermittlung und Beurteilung von Gefahren sowie die Festlegung von Maßnahmen (Arbeitsplatzevaluierung gemäß §§ 4 und 5 ASchG) im Sinne des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes.

Gemäß § 2 Abs 7 ASchG sind unter Gefahren im Sinne dieses Bundesgesetzes arbeitsbedingte physische und psychische Belastungen zu verstehen, die zu Fehlbeanspruchungen führen. Gefährdungen können sowohl durch physische sowie durch psychische (psychosoziale, psychomentale oder psychoemotionale) Belastungen und durch deren Wechselwirkung entstehen. Physische Belastungen können zu psychischen Beeinträchtigungen führen und ebenso umgekehrt. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber haben sich dabei über den neuesten Stand der Technik und der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Arbeitsgestaltung entsprechend zu informieren und diese zu berücksichtigen. (vgl. § 3 ASchG). Die Wirkung der getroffenen Maßnahmen ist zu überprüfen und die Maßnahmen sind erforderlichenfalls anzupassen. Die Ergebnisse der Ermittlung und Beurteilung sowie die durchgeführten Maßnahmen sind in einer geeigneten Art und Weise nachvollziehbar zu dokumentieren (siehe § 4 Abs 4 ASchG).

(Neue) psychische Arbeitsbedingungen in Zeiten von COVID-19

Bei Telearbeit (Homeoffice, mobiles Arbeiten) leisten Arbeitnehmer/innen Bildschirmarbeit außerhalb der Arbeitsstätte und der Ort der Arbeitsverrichtung, wie zB die Privatwohnung, gilt als „auswärtige Arbeitsstelle“. Diese auswärtigen Arbeitsstellen sind der Arbeitsstätte organisatorisch zuzurechnen und im Rahmen der Evaluierung miteinzubeziehen.

Die (neuen) psychischen Arbeitsbedingungen durch Telearbeit sind zu evaluieren! Hier geht es um unter- und überschätzte Risiken, um eine Präventionsarbeit sicherzustellen, die für alle wirksam ist, zB Menschen in Telearbeit mit/ohne Betreuungspflichten, Menschen in Telearbeit mit Behinderung(en)/Beeinträchtigungen, Leiharbeitnehmerinnen bzw Leiharbeitnehmer in Telearbeit, Telearbeit für mit verschiedenen Arbeits- und Technikzugängen, Erfahrungen und Kulturen. Außerdem spielt dabei eine Rolle:

  • Entgrenzung,
  • Vereinbarkeit Privat/Beruf,
  • Videokonferenzen,
  • Sichtbarkeit von Tätigkeiten und Leistung, gesundes und erfolgreiches Führen,
  • Abschalten können,
  • Informationsweitergabe,
  • Kommunikation, soziale Beziehungen,
  • Arbeitsorganisation, Zusammenarbeit,
  • Ruhezeiten,
  • Umgang mit Krankenstand und vieles mehr.

Der Arbeitsschutz ist dabei nicht nur zwingend erforderlich, sondern bietet die Chance, Lösungsvorschläge und Erfolgsstrategien mit Betroffenen zu entwickeln und bedürfnisgerecht zu konzipieren. Physische und psychische Gesundheit der Mitarbeitenden ist Unternehmensverantwortung!

Gesundheitliche Probleme während der COVID-19-Krise

Die Zunahme gesundheitlicher Probleme (beschrieben zB von Mag.a Andrea Birbaumer, Fachabteilung A&O-Psychologie und ebenso vom Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen), insbesondere aufgrund psychischer Belastungen, ist durch das flächendeckende Homeoffice deutlich geworden. Man weiß, dass in den Wochen des Lockdown Schlafstörungen, Angstzustände und depressive Symptome zugenommen haben. Laut aktueller Umfragen geben Befragte an, zu Hause mehr zu arbeiten und seltener Pausen zu machen. Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben wird häufig thematisiert. In etwa jede/r Dritte findet es anstrengend, ausschließlich über digitale Wege zu kommunizieren. Gesundheitliche Probleme werden von etwa einem Fünftel der österreichweit Befragten befürchtet. Auch ohne krankheitswertige Störungen hinterlässt die Isolationsphase ihre Spuren: Viele Betroffene fühlen sich müde, angespannt, ausgelaugt und gereizt. Viele empfinden vielleicht nicht unbedingt Einsamkeit, aber reale Beziehungen zu anderen Menschen fehlen massiv.

Mag.a Andrea Birbaumer und der Berufsverband Österreichischer Psychologinnen und Psychologen rufen auf zur Selbsthilfe im Homeoffice: Strukturen schaffen, viel kommunizieren und für sich selbst als Betroffenem oder Betroffene einen klaren Rahmen zu schaffen ist dabei essenziell!

Tipps für ein gesundes Arbeiten im Homeoffice

Folgend ein paar Empfehlungen nach derzeitigem Stand der Wissenschaft für betroffene Arbeitnehmer/innen und Führungspersonen:

  • Räumlich: wenn möglich, einen Arbeitsplatz einrichten,
  • Zeitlich: die Arbeit klar mit Anfang und Ende definieren, keine private Nachrichten zB am Handy nebenbei,
  • Nach der Arbeit die Unterlagen wegräumen,
  • Routinen und fixe Abläufe erleichtern das häusliche Arbeitsleben und liefern der eigenen Psyche Klarheit, Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit.
  • Essens- und Kaffeepausen einplanen,
  • To-do-Listen für den nächsten Tag helfen beim Arbeiten sowie beim Entspannen!
  • Wichtig ist, mit Kolleg/innen und Führungspersonen in Kontakt zu bleiben. Virtuell muss öfter und klarer kommuniziert werden, da viele Kontaktebenen, die es im persönlichen Gespräch gibt, wegfallen. Feedback in jede Richtung ist wichtig!
  • Persönliche Kontakte mit den Kollegen und Kolleginnen pflegen, den gewohnten Bürotratsch zB im virtuellen Café pflegen.

Homeoffice braucht Führung! 

Führungskräfte stehen persönlich und organisatorisch vor großen Herausforderungen.

Es braucht:

  • Gute und transparente Organisation und klare Strukturen
  • Rituale für Meetings, Besprechungen und soziale Kontakte
  • Das Ermöglichen virtueller Räume für regelmäßigen Austausch
  • Mehr Vertrauen signalisieren als Kontrolle – das ist die Basis für Teamleistung und Zugehörigkeitsgefühl!
  • Mitarbeiter/innen auf Augenhöhe begegnen, ihre Bedürfnisse und Anliegen ernst nehmen, was auch bedeutet, sie an Prozessen zu beteiligen.
  • Aktiv kommunizieren, was die Arbeitsgestaltung betrifft. Arbeitsaufträge klar kommunizieren, Erwartungen explizit machen. Im virtuellen Team muss mehr und öfter kommuniziert werden. Die Feedbackkultur ist ein wesentliches Element gelingender Zusammenarbeit.
  • Unterstützungsangebote für technisches Know-how sind genauso wichtig wie Hilfestellungen, um Mitarbeiter/innen zu entlasten, Druck zu verringern – arbeitspsychologische Hilfe in Anspruch nehmen.
  • Emotionen wie Angst, Unsicherheit, Ärger, Hilflosigkeit, Überforderung, Alleingelassen werden etc. müssen angesprochen und bearbeitet werden können. Sich arbeitspsychologische Unterstützung holen, um die Mitarbeiter/innen gut begleiten zu können und auch selbst durch Beratung und Coaching Stärkung und Entlastung zu finden.

Diese Punkte werden seitens der Führungskräfte oft unterschätzt! Fakt ist, dass gemäß § 4 Abs 1 Z 6 und 7 ASchG § Arbeitgeber verpflichtet sind, die für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehenden Gefahren zu ermitteln und zu beurteilen. Dabei sind die Grundsätze der Gefahrenverhütung gemäß § 7 ASchG anzuwenden. Insbesondere sind dabei zu berücksichtigen die Gestaltung der Arbeitsaufgaben und die Art der Tätigkeiten, der Arbeitsumgebung, der Arbeitsabläufe sowie der Arbeitsorganisation und der Stand der Ausbildung und Unterweisung der Arbeitnehmer.

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