08.11.2020 | Wirtschaftsrecht | ID: 1075335

Was bringt die Digitale-Inhalte-Richtlinie Neues?

Albert Scherzer

Gastautor Dr. Albert Scherzer informiert über alle Neuerungen: Für welche Verträge gilt die neue Richtlinie und was gilt es bezüglich personenbezogener Daten zu beachten?

Am 11.06.2019 trat die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen in Kraft. Erklärtes Ziel ist es, das Gewährleistungsrecht hinsichtlich digitaler Produkte zu modernisieren und an deren spezifische Anforderungen anzupassen. Österreich hat nun bis zum 1. Juli 2021 Zeit, eine Transformation in nationales Recht vorzunehmen, wobei die tatsächliche Anwendbarkeit mit 01.01.2022 datiert wurde.

Die Richtlinie beruht auf dem Grundsatz der Vollharmonisierung, das heißt, dass die Mitgliedstaaten nicht von den Vorgaben abweichen können. Bei einigen Aspekten haben die EU-Mitgliedstaaten jedoch einen gewissen Spielraum, sodass sie über die Anforderungen hinausgehen und insbesondere das auf nationaler Ebene bereits geltende Verbraucherschutzniveau beibehalten können.

Wann gelangen die Vorschriften zur Anwendung?

Die Digitale-Inhalte-Richtlinie gilt für sämtliche Verträge

  • auf deren Grundlage ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt und
  • der Verbraucher einen Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt oder
  • der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt.

Die Digitale-Inhalte-Richtlinie gilt außerdem in bestimmtem Umfang für digitale Inhalte, die auf körperlichen Datenträgern wie Blue-Ray-Discs, DVDs, CDs, USB-Sticks und Speicherkarten bereitgestellt werden, sowie für körperliche Datenträger selbst, sofern diese ausschließlich als Träger der digitalen Inhalte dienen.

Was sind digitale Inhalte und Dienstleistungen?

Unter digitalen Inhalten sind Daten zu verstehen, die in digitaler Form erzeugt und bereitgestellt werden (wie zB Apps, Videospiele, E-Books etc).

„Digitale Dienstleistungen“ sind vereinfacht gesagt jene Leistungen,

  • die die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung von Daten in digitaler Form ermöglichen (zB Cloud-Dienste)
  • Dienstleistungen, die den Austausch von Daten ermöglichen (zB Social Media Accounts)

Personenbezogene Daten als Entgelt

Die Richtlinie betrifft primär Verträge, bei denen die Gegenleistung in Geld besteht. Eine gravierende Neuerung ist jedoch das Mitumfassen von Verträgen, die als Gegenleistung die Bereitstellung von Daten vorsehen.

Digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen werden in der Praxis häufig auch dann bereitgestellt, wenn der Verbraucher keinen Preis zahlt, sondern dem Unternehmer personenbezogene Daten zur Verfügung stellt. Solche Geschäftsmodelle treten in verschiedenen Formen in einem erheblichen Teil des Marktes auf. Obwohl in vollem Umfang anerkannt wird, dass der Schutz personenbezogener Daten ein Grundrecht ist und daher personenbezogene Daten nicht als Ware betrachtet werden können, wird mit dieser Richtlinie sichergestellt, dass die Verbraucher im Zusammenhang mit solchen Geschäftsmodellen Anspruch auf vertragliche Rechtsbehelfe haben. Deshalb gilt die Richtlinie auch für Verträge, auf deren Grundlage ein Unternehmer einem Verbraucher digitale Inhalte oder eine digitale Dienstleistung bereitstellt oder sich hierzu verpflichtet und ein Verbraucher personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt.

Neuland „objektiver Fehlerbegriff“

Die Digitale-Inhalte-Richtlinie unterscheidet zwischen subjektiven und objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit. Die subjektiven Anforderungen betreffen die entsprechenden vertraglich vereinbarten Haupt- und Nebenleistungspflichten (zB Aktualisierungen, Zubehör und Anleitungen). Soweit ist dies noch status quo. Zusätzlich sind jedoch auch jedenfalls objektive Kriterien einzuhalten, von denen nur mittels ausdrücklicher und separater Erklärung abgewichen werden kann.

Die objektiven Anforderungen sind zweigeteilt. Digitale Inhalte müssen künftig, zusätzlich zum Vereinbarten

  • sich für die Zwecke eignen, für die digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen derselben Art in der Regel genutzt werden
  • zahlreichen Leistungsmerkmalen entsprechen, die bei digitalen Inhalten oder digitalen Dienstleistungen derselben Art üblich sind (zB Quantität, Kompatibilität, Sicherheit)

Kriterien für die Mangelfreiheit werden somit künftig das Vorliegen der Zweckeignung und das Bestehen der objektiven Leistungsmerkmale sein. Ein aktuelles Programm, welches unter dem aktuellen Windows 10 nicht funktioniert, sondern nur unter Windows 7 wird daher mit einer Vertragswidrigkeit behaftet sein, auch wenn ein dbzgl Kompatibilitätshinweis im Kleingedruckten zu finden sein sollte.

Abgrenzung zur Warenkauf-Richtlinie

Die Warenkauf-Richtlinie ersetzt die frühere Verbrauchsgüter-RL und gilt für Kaufverträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen über bewegliche körperliche Gegenstände. Umfasst werden auch Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen zur Bereitstellung von noch herzustellenden Waren.

Sie gilt außerdem für digitale Inhalte oder Dienstleistungen, die in Waren enthalten oder mit ihnen verbunden sind und mit diesen bereitgestellt werden (zB für Smartphones, auch wenn zahlreiche digitale Inhalte integriert sind). Im Zweifel gilt die Vermutung, dass die digitalen Inhalte oder Dienstleistungen vom Kaufvertrag umfasst sind.

Verpflichtende Updates

Weiters schafft die Digitale-Inhalte-Richtlinie zum ersten Mal im europäischen Vertragsrecht eine Verpflichtung zur Bereitstellung von Updates. Der Unternehmer wird verpflichtet, den Verbraucher über Updates, die zum Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlich sind, zu informieren und solche bereitzustellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Ware auch ihre vertragsgemäße Funktion erfüllen kann, wenn sich das digitale Umfeld ändert. Es besteht allerdings keine Verpflichtung des Unternehmers, verbesserte oder digitale Inhalte bereit zu stellen. Dennoch ist die Verpflichtung weitreichend, da der Unternehmer die Informations- und Bereitstellungspflicht häufig nicht allein erfüllen kann, sondern vielmehr über eine entsprechende Vereinbarung mit einer dritten Partei, die den digitalen Inhalt liefert, sicherstellen muss (zB Plattformen).

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