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04.04.2022 | Öffentliche Verwaltung | ID: 1112680

Zur Löschung dauerhaft uneinbringlicher Abgabenschulden

Robert Koch

Warum Abgabenbehörden die Voraussetzungen für die Löschung uneinbringlicher Abgabenschulden genau prüfen sollten, um keine strafrechtlichen Konsequenzen wegen Amtsmissbrauchs zu riskieren, beschreibt BAO-Experte Robert Koch.

Rechtslage: § 235 BAO

Gemäß § 235 Abs 1 BAO können „fällige Abgabenschuldigkeitenvon Amts wegen durch Abschreibung gelöscht werden, wenn alle Möglichkeiten der Einbringung erfolglos versucht worden oder Einbringungsmaßnahmen offenkundig aussichtslos sind und aufgrund der Sachlage nicht angenommen werden kann, daß sie zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Erfolg führen werden".

Voraussetzung für die Löschung durch Abschreibung

Eine Löschung iSd § 235 BAO setzt voraus, dass die Uneinbringlichkeit einer derart festgesetzten Abgabe voraussichtlich dauerhaft – also auch in Zukunft – nicht gegeben ist und sein wird; bei nur vorübergehen Fällen der Uneinbringlichkeit kann gem § 231 BAO die Einbringung einer Abgabe verfügt werden.

Löschung bei Gesamtschuldverhältnissen

Bei Gesamtschuldverhältnissen ist eine Löschung nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen für eine Löschung bei allen Gesamtschuldnern gegeben sind, denn die Löschung wirkt auch gegenüber allen Gesamtschuldnern.

Wenn die Löschungsvoraussetzungen nur bei einem oder nur bei einigen Gesamtschuldnern vorliegen, kann beim betroffenen Schuldner bzw bei den betroffenen Schuldnern auf Antrag eine gänzliche oder teilweise Entlassung aus der Gesamtschuld gem § 237 BAO mit Wirkung nur gegen den bzw die entlassenen Gesamtschuldner infrage kommen.

Verfahren

Der Abgabepflichtige hat keinen Rechtsanspruch auf eine Löschung, auch ein Löschungsantrag ist nicht vorgesehen.

Die Verfügung der Löschung hat bescheidmäßig zu erfolgen, muss die betroffenen Abgaben konkret bezeichnen und kann sich auch nur auf einen Teil des Abgabenanspruches (Abgabenrückstandes) beziehen.

Nachdem der Abgabenanspruch durch die Löschung erlischt, kann für gelöschte Abgabenansprüche auch keine Haftung mehr geltend gemacht werden.

Ein Löschungsbescheid ist mit Berufung anfechtbar.

Widerruf von Löschungsbescheiden

Ein allenfalls erfolgender Widerruf eines Löschungsbescheides wäre wiederum bescheidmäßig vorzunehmen, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, ist also jedenfalls entsprechend nachvollziehbar zu begründen.

Auswirkungen bei widerrufenen oder aufgehobenen Löschungsbescheiden

Wird eine Löschung widerrufen oder aufgehoben, lebt der Abgabenanspruch wieder auf und ist die betroffene Abgabe innerhalb einer Nachfrist von einem Monat zu entrichten, wobei während dieser Nachfrist gem § 230 Abs 2 keine Einbringungsmaßnahmen gesetzt werden dürfen (außer ein Vollstreckungsbescheid iSd § 230 Abs 7 BAO wird erlassen, weil Umstände hervorkommen, welche die Einbringung einer Abgabe gefährden oder zu erschweren drohen).

Eine durch Widerruf wiederauflebende Abgabenschuld braucht gem § 227 Abs 4 lit f BAO nicht gemahnt zu werden.

Zuständigkeiten, Rechtsmittel

Die Entscheidungskompetenz über die Maßnahme der Löschung bei im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu verwaltenden Gemeindeabgaben liegt zB im Bundesland Steiermark gem § 44 Abs 1 lit d Steiermärkische Gemeindeordnung 1967 – GemO beim Gemeindevorstand (somit in Städten beim Stadtrat).

In Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinde, wo im Bundesland Steiermark ein zweistufiger Instanzenzug besteht, ist (gem § 288 Abs 1 BAO) die Berufung an den Gemeinderat zulässig, welcher mit Berufungsentscheidung zu entscheiden hat.

In Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinde liegt die Entscheidungskompetenz – wiederum auf das Beispiel des Bundeslandes Steiermark bezogen – gem § 42 Abs 2 GemO (unabhängig von der Abgabenhöhe) beim Bürgermeister, gegen dessen Bescheid eine Beschwerde eingebracht werden kann. Der Bürgermeister hat im Falle einer Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden. Mit dem weiteren Rechtsmittel des Vorlageantrages an das Landesverwaltungsgericht kann der Beschwerdeführer die Befassung des Landesverwaltungsgerichts mit der Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters erwirken.

Abschließende Bemerkung zur Entscheidungsfindung; Gefahr des Amtsmissbrauchs auch seitens einzelner Gemeindevorstands- bzw Stadtratsmitglieder

Den zuständigen entscheidenden Behörden muss geraten werden, sich im Zuge der Beweiswürdigung eingehend mit den gesetzlichen Voraussetzungen (inklusive der alternativen Möglichkeiten) sowie mit den Umständen des Einzelfalls auseinanderzusetzen, insoweit er für die allfällige Löschung einer Abgabe relevant ist. Bloße Behauptungen des Abgabepflichtigen oder pauschale Einschätzungen befasster Personen dürfen in der Beweiswürdigung und im Bescheid auch nur als solche gesehen werden und müssen inhaltlich unberücksichtigt bleiben.

Der nach Beweiswürdigung als erwiesen angenommene Sachverhalt ist – nachdem es bei einer dauerhaften Uneinbringlichkeit um eine sehr schwerwiegende Annahme geht – sachlich-analytisch zu untersuchen, wertfrei darzustellen und anhand der in der Judikatur entwickelten Grundsätze rechtlich zu würdigen, um zu einem nachvollziehbaren Ergebnis zu gelangen, welches dann im Spruch des Bescheides abgebildet ist.

Eine Löschung kann sich schließlich auch nur auf einen Teil der aushaftenden Abgabenschuld beziehen, falls dies nach Abwägung aller Umstände als sachgerechteste Lösung erscheint.

Gerade im Bereich der Gemeindeverwaltung, der Verwaltungsebene mit der größten Bürgernähe, könnten Abgabenbehörden versucht sein, „helfen“ zu wollen: Insoweit die Voraussetzungen zur Löschung einer Abgabenschuld aber doch nicht gegeben sind und – wovon absolut abzuraten ist! – trotzdem die Löschung (oder teilweise Löschung) gewährt werden soll, begeben sich die handelnden Organe der Gefahr des Amtsmissbrauchs: Diese Gefahr besteht bei nicht einstimmig zustande gekommenen rechtswidrigen Entscheidungen eines Kollegialorgans (zB des Gemeindevorstandes) auch für einzelne dem Kollegialorgan angehörende Personen, welche inhaltlich rechtswidrig abgestimmt haben! Im Falle einer späteren Prüfung – sei es durch die Aufsichtsbehörde oder durch die Staatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige oder Sachverhaltsdarstellung – sind beispielsweise nur jene Mitglieder, die gegen die rechtswidrige Löschung gestimmt haben, von vornherein vor Strafverfolgung geschützt; die anderen Gemeindevorstands- bzw Stadtratsmitglieder (wegen eines möglichen Amtsmissbrauchs) hingegen nicht. In solchen Fällen empfiehlt es sich daher für jene Mitglieder des entscheidenden Gremiums, welche durch gefühlt rechtswidriges Abstimmungsverhalten der übrigen Mitglieder des Kollegialorgans überstimmt wurden, unbedingt vorausschauend auf einer Dokumentation des persönlichen Abstimmungsverhaltens zu bestehen!