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23.11.2021 | Bilanz und Steuern | ID: 1104139

BFG zur Anteilsveräußerung unter Dividendenvorbehalt

Andreas Kampitsch - Michael Petritz

Die Gastautoren Mag. Andreas Kampitsch und MMag. Michael Petritz erläutern die Eckpunkte eines aktuellen Erkenntnis des BFG zur Frage der Zurechnung von Beteiligungserträgen im Rahmen von Anteilsveräußerungen.

Die Veräußerung von Beteiligungen an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch andere Kapitalgesellschaften ist stets steuerpflichtig, während daraus bezogene Gewinnausschüttungen stets steuerfrei sind (§ 10 KStG). Vor Anteilsübertragungen wird daher häufig versucht, noch aufgespeicherte (thesaurierte Bilanzgewinne) vollständig an den Veräußerer steuerfrei auszuschütten, weil eine „Ablösung“ dieser Gewinne im Rahmen des Verkaufs (durch einen höheren Verkaufserlös) zu einer Steuerbelastung in Höhe von 25 % Körperschaftsteuer beim Veräußerer führen würde. Die Gewinne des laufenden Geschäftsjahres bis zur Veräußerung können allerdings noch nicht ausgeschüttet werden (befinden sich noch nicht im Bilanzgewinn), weswegen sog „Dividendenvorbehalte“ zwischen Verkäufer und Käufer vereinbart werden. Derartige Dividendenvorbehalte sind allerdings nach Auffassung der Finanzverwaltung (KStR 2013 Rz 1168) unter Verweis auf ein VwGH-Judikat (14.12.2005, 2002/13/0053) dann kein steuerfreier Beteiligungsertrag (des Veräußerers), wenn die Beschlussfassung über die Gewinnverteilung nach Übergang des wirtschaftlichen Eigentums durch den Erwerber gefasst wird (und nicht durch den Veräußerer). Vielmehr stellen diese dann auf Ebene des Veräußerers einen steuerpflichtigen Teil des Veräußerungserlöses dar. In einem aktuellen Fall (BFG 26.08.2021, RV/4100568/2016) hatte das BFG nunmehr einen Dividendenvorbehalt zu beurteilen. Im Ergebnis gestattete das BFG die Beteiligungsertragsbefreiung zu, weil nach seiner Auffassung das wirtschaftliche Eigentum zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses noch nicht auf den Verkäufer übergegangen war.

1 Sachverhalt

Mit Kauf- und Abtretungsvertrag vom 19.03.2011 kamen die Gesellschafter der J GmbH (zu denen auch die Beschwerdeführerin, eine Kapitalgesellschaft gehörte) mit der E als Käuferin überein, dass sämtliche Anteile an der J GmbH an die E gegen einen Kaufpreis in Höhe von EUR 6.675.000 übergehen sollten.

Im Vertrag fand sich ein Passus, wonach jene Gewinne aus Geschäftsjahren, die nach dem 01.01.2011 Tagesbeginn (also ab dem Geschäftsjahr 2011) anfallen, der Erwerberin zustehen, Gewinne vorangegangener Finanzjahre in Höhe von EUR rd 1,1 Mio noch an die Veräußerer ausgeschüttet werden sollen. Die Ausschüttung sollte lt Kaufvertrag vor dem Vollzugsdatum (Completion Date) erfolgen. Der Vollzug war abhängig von der Erfüllung mehrerer Bedingungen unter anderem der fristgerechten Kündigung eines Untermietvertrags zwischen der Beschwerdeführerin und der J GmbH. Als Vollzugsdatum wurde der 01.04.2011 vereinbart. Bis zum Vollzug hätten noch die Veräußerer den Geschäftsbetrieb der zu veräußernden Gesellschaft zu führen, außerhalb des üblichen Geschäftsbetriebs liegende Handlungen bedurften allerdings der schriftlichen Zustimmung der Erwerberin. Vereinbart wurde, dass nach Erfüllungen verschiedener Verpflichtungen (unter anderem der Übergabe von Rücktrittserklärungen der bisherigen Geschäftsführer zum 01.04. 011) der Kaufpreis auf dem Treuhandkonto des Notars zu deponieren ist.

Mit Gesellschafterbeschluss vom 28.03.2011 (nach Abschluss des Kauf- und Abtretungsvertrags, aber vor dessen Vollzug) beschlossen die Gesellschafter den Bilanzgewinn für 2010 in Höhe von EUR 1.071.854,31 zur Gänze an die (veräußernden) Gesellschafter im Verhältnis ihrer Beteiligung auszuschütten. Strittig zwischen der Beschwerdeführerin und der Finanzverwaltung war im Ergebnis, ob die Beteiligungsertragsbefreiung auf die gegenständliche Gewinnausschüttung zur Anwendung gelangen könne oder die Gewinnausschüttung als Gegenleistung für die Abtretung der Gesellschaftsanteile zu werten wäre (und daher den steuerpflichtigen Veräußerungserlös erhöht).

2 Erkenntnis des BFG

Das BFG teilt in seinem Erkenntnis die Auffassung der Literatur, wonach es sich bei dem Sachverhalt zu VwGH 14.12.2005, 2002/13/0053, um einen Extremfall handeln würde, der auch mit dem gegenständlichen Sachverhalt wenige Gemeinsamkeiten aufweise. Das BFG hält allgemein (und im Wesentlichen übereinstimmend mit den Ausführungen der Finanzverwaltung) zum Dividendenvorbehalt wie folgt fest:

  • Erfolgt die Veräußerung einer Beteiligung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss der Zielkörperschaft noch nicht festgestellt und die Gewinnverteilung noch nicht beschlossen wurde, steht der (mit Feststellung und Gewinnverteilung) künftig entstehende Dividendenanspruch bereits dem Erwerber zu. Die vorbehaltene Dividende erhöht den Veräußerungserlös.
  • Erfolgt umgekehrt die Veräußerung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Jahresabschluss der Zielkörperschaft bereits festgestellt und über die Gewinnverteilung bereits beschlossen wurde, stellt der spätere Vollzug der Gewinnausschüttung (durch Erfüllung der Dividendenverbindlichkeit) keinen Kaufpreisanteil, sondern einen steuerfreien Beteiligungsertrag dar.
  • Kapitalerträge aus Anteilen an Kapitalgesellschaften sind demjenigen zuzurechnen, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverteilung das wirtschaftliche Eigentum an den Kapitalanteilen hat; dies ist in der Regel derjenige, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverteilung die Stimmrechte ausüben kann.
  • Können bei einem Dividendenvorbehalt im Rahmen einer Beteiligungsveräußerung die vereinbarten Ausschüttungen nach den allgemeinen Grundsätzen nicht dem Verkäufer zugerechnet werden (etwa weil bereits der Erwerber die Stimmrechte ausübt), sind die Dividendenzahlungen nicht als steuerfreie Beteiligungserträge zu qualifizieren und als steuerpflichtiger Kaufpreisanteil anzusehen.
  • Vor Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Erwerber sollte daher der Jahresabschluss festgestellt und die Ausschüttung vom Veräußerer beschlossen werden; die Zahlung der Dividende ist nicht maßgeblich.

Im gegenständlichen Sachverhalt sei zwar das Verpflichtungsgeschäft über die Veräußerung (der Kauf- und Abtretungsvertrag vom 19.03.2011) vor der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses 2010 und der Gewinnverteilung erfolgt, das „Closing“ (der sachenrechtliche Übergang, das Verfügungsgeschäft) wäre allerdings erst danach (am Completion Date 01.04.2011) erfolgt. Entscheidungswesentlich sei, ob das wirtschaftliche Eigentum bereits mit dem Verpflichtungsgeschäft oder erst – gemeinsam mit dem zivilrechtlichen Eigentum – mit dem Verfügungsgeschäft auf die Erwerberin übergegangen sei. Grundsätzlich sei derjenige als wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, der auch zivilrechtlicher Eigentümer sei. Ein Auseinanderfallen von zivilrechtlichem und wirtschaftlichen Eigentum sei nur im Ausnahmefall denkbar, wenn ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer die positiven und negativen Befugnisse, wie insb Gebrauch, Verbrauch bzw Ausschluss Dritter von der Einwirkung auf die Sache geltend machen kann. Dies sei im gegenständlichen Sachverhalt jedoch nicht der Fall: Es sei im Kaufvertrag ausdrücklich vereinbart, dass das wirtschaftliche Eigentum erst mit dem Completion Date übergehen solle. Nach den Vereinbarungen sollen bis dahin noch die Veräußerer den Geschäftsbetrieb führen, lediglich bei außerhalb des üblichen Geschäftsverlaufs liegenden Handlungen wäre die Zustimmung der Erwerber einzuholen. Dies sei allerdings nach Ansicht des BFG nicht hinreichend, um schon ein wirtschaftliches Eigentum der Erwerber vor dem Vollzug der Anteilsabtretung zu begründen. Das wirtschaftliche Eigentum ging gleichzeitig mit dem zivilrechtlichen Eigentum auf die Erwerberin über, die Gewinnausschüttung ist daher auf Ebene der Beschwerdeführerin als steuerfreier Beteiligungsertrag zu qualifizieren.

3 Fazit

Das – soweit ersichtlich (in der Findok ist keine Amtsrevision an den VwGH angemerkt) – rechtskräftig gewordene Erkenntnis des BFG definiert weitere Eckpunkte für die Frage der Zurechnung von Beteiligungserträgen im Rahmen von Anteilsveräußerungen. Das BFG scheint auch – zumindest implizit – die Auffassung der Finanzverwaltung in den KStR 2013 Rz 1168 zu teilen, wonach ein Gewinnverteilungsbeschluss, der nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums gefasst wird, jedenfalls nicht mehr zu steuerfreien Beteiligungserträgen führen kann. Einen generellen Schluss, dass eine Gewinnverteilung, die nach dem Signing, aber vor dem Closing einer Anteilsübertragung beschlossen wird, stets zu steuerfreien Beteiligungserträgen führt, lässt das Erkenntnis jedoch nicht zu. Es ist stets im Einzelfall und anhand der Vereinbarungen zu prüfen, zu welchem Zeitpunkt das wirtschaftliche Eigentum auf den Erwerber übergegangen ist.

Autoren

Mag. Andreas Kampitsch

Mag. Andreas Kampitsch, LL.M., Steuerberater, lehrt und forscht am Institut für Finanzmanagement an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

MMag. Michael Petritz

MMag. Michael Petritz, LL.M. ist als Steuerberater bei der KPMG Austria Gruppe in Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Unternehmenssteuerrecht, Internationales Steuerrecht, Estate Planning sowie Gebühren- und Verkehrsteuern. Weiters ist er Univ.-Lektor an der WU-Wien. Als Autor schreibt er für Gesellschaftsrecht Online sowie das Werk „Übertragung von Unternehmen“.