20.05.2025 | Gesellschaftsrecht | ID: 1199147

Einlagenrückgewähr: Zur Aufrechnung von Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter

Florian Linder - Lukas Schenk

MMag. Dr. Florian Linder (Foto) und Dr. Lukas Schenk erläutern die Auswirkungen auf die Praxis im Lichte des Verbots der Einlagenrückgewähr anhand einer einschlägigen Entscheidung zum Thema.

Unter das Verbot der Einlagenrückgewähr im Sinn des § 82 Abs 1 GmbHG fällt jede (unmittelbare oder mittelbare) Leistung an einen Gesellschafter außerhalb der ordnungsgemäßen Gewinnverwendung, der keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und die wirtschaftlich das Gesellschaftsvermögen verringert (RIS-Justiz RS0105532). Nach einer rezenten Entscheidung des OGH kann auch die Aufrechnung von wechselseitigen Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter diesen Tatbestand erfüllen.

Aufrechnungsverbot bei Kapitalaufbringung und -erhaltung

Die Frage der Aufrechnung mit wechselseitigen Forderungen stellte sich bisher vor allem im Zusammenhang mit der Aufbringung der Stammeinlage und dem Rückersatzanspruch aus verbotener Einlagenrückgewähr. Für die ursprüngliche Aufbringung der Stammeinlage normiert § 63 Abs 3 Satz 2 GmbHG, dass die Zahlungspflicht auf die Stammeinlage nicht durch eine Aufrechnung erfüllt werden kann (Aufrechnungsverbot). Dieses Aufrechnungsverbot gilt nach ständiger Rechtsprechung nur für den Gesellschafter. Die Aufrechnung durch die Gesellschaft – einseitig oder durch Abschluss eines Aufrechnungsvertrags – ist zulässig, wenn die Gesellschafterforderung unbestritten, fällig und vollwertig ist. Vollwertigkeit fehlt insbesondere, wenn die Gesellschaft überschuldet oder zahlungsunfähig ist (RIS-Justiz RS0059967). Diese Grundsätze gelten auch für den Rückersatzanspruch bei einer verbotenen Einlagenrückgewähr gem § 83 Abs 1 GmbHG. Auch gegen diesen Rückersatzanspruch kann der Gesellschafter mit Gegenforderungen nicht aufrechnen (OGH 6 Ob 72/16f; eine Aufrechnung ist hingegen möglich, wenn der Rückersatzanspruch nicht auf § 83 GmbHG, sondern allgemeines Bereicherungsrecht gestützt wird; OGH 6 Ob 206/17p). Der Gesellschaft steht die Aufrechnung bei unbestrittenen, fälligen und vollwertigen Gegenforderungen offen (OGH 6 Ob 128/17t).

Aufrechnung als verbotene Einlagenrückgewähr?

Außerhalb der Erfüllung der Stammeinlageverpflichtung oder des Rückersatzanspruchs gem § 83 Abs 1 GmbHG war bisher nicht geklärt, ob eine Aufrechnung von wechselseitigen (schuldrechtlichen) Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr verstoßen kann.

Sachverhalt der OGH-Entscheidung

Der OGH hatte in der Entscheidung vom 18.12.2024, 17 Ob 11/14b, folgenden Sachverhalt zu beurteilen: Der (Mehrheits-)Gesellschafter gewährte der Gesellschaft mehrere endfällige, unverzinste Darlehen mit einer Laufzeit von 5-7 Jahren. Als sich die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft verschlechtert, wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Sanierungsplan angenommen. Danach verkaufte die Gesellschaft dem Gesellschafter vier Liegenschaften. Der Kaufpreis für die Liegenschaften war (unbestritten) marktüblich. Der Kaufpreis wurde im Rahmen einer gesonderten Aufrechnungsvereinbarung im Weg der Aufrechnung mit den aushaftenden Darlehen (die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht fällig waren) beglichen. Die Kaufverträge wurden durchgeführt und das Eigentum des Gesellschafters an den Liegenschaften im Grundbuch einverleibt. In der Folge wurde (wieder) ein Insolvenzverfahren über die Gesellschaft veröffentlicht. Der Insolvenzverwalter focht die Kaufverträge und die Aufrechnungsvereinbarung an und forderte die Liegenschaften zurück.

Begründung des OGH

Der OGH hielt zunächst die allgemeinen Grundsätze des Verbots der Einlagenrückgewähr fest. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung entscheidend, ob eine Besserstellung des Gesellschafters gegenüber anderen Vertragspartnern der Gesellschaft aufgrund seiner Gesellschafterstellung erfolgt und ob diese zu Lasten der Gesellschaft geht. Maßgebend ist, ob das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter daraus einen Vorteil zöge (RS0105540). In den Fremdvergleich einzubeziehen sind nicht nur die konkreten Konditionen, sondern vor allem auch die Frage, ob mit einem gesellschaftsfremden Dritten überhaupt ein derartiges Geschäft abgeschlossen worden wäre. Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen.

Im konkreten Fall legte der OGH eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an und beurteilte den Kaufvertrag und die Aufrechnungsvereinbarung gemeinsam. Er kam zu dem Schluss, dass die Gesellschaft zu diesen Konditionen mit einem Nichtgesellschafter nicht abgeschlossen worden wäre. Die Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft war nicht mehr werthaltig, weil die Gesellschaft im Zeitpunkt der Aufrechnung überschuldet und zahlungsunfähig war. Die Gesellschaft habe werthaltige Vermögensgegenstände hingegeben, während der Gesellschaft mit nicht werthaltigen und nicht einmal fälligen Darlehensforderung aufgerechnet habe. Aus der Sicht der Gesellschaft habe auch keine betriebliche Rechtfertigung für den Verkauf der Liegenschaften gegen Aufrechnung bestanden, durch die sie gerade nicht mit der für sie notwendigen Liquidität ausgestattet worden sei. Die Aufrechnung in dieser Situation mit nicht fälligen, unverzinsten Darlehensforderungen war nach Ansicht des OGH unüblich. Marktüblich wäre eine (effektive) Zahlung des Kaufpreises gewesen.

Der Klage wurde stattgegeben, die Nichtigkeit der Kaufverträge und der Aufrechnungsvereinbarung festgestellt und die Löschung des Eigentums des Gesellschafters und die Eintragung der Gesellschaft als Eigentümerin im Grundbuch angeordnet. Dem Gesellschafter verbleibt nur die Geltendmachung seiner Darlehensforderung als (quotenmäßig zu bedienende) Insolvenzforderung.

Folgen für die Praxis

In der Praxis ist bei der Aufrechnung von wechselseitigen Forderungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter – auch außerhalb der Kapitalaufbringung und -erhaltung – Vorsicht geboten. Eine Aufrechnung ist vor dem Hintergrund des § 82 Abs 1 GmbHG wohl immer dann kritisch, wenn die Forderung des Gesellschafters gegen die Gesellschafter nicht mehr werthaltig ist. Nach Ansicht des OGH ist in dieser Situation eine Aufrechnung durch die Gesellschaft (in concreto: im Weg einer Aufrechnungsvereinbarung) unzulässig.

Ob in dieser Situation eine einseitige Aufrechnung durch den Gesellschafter zulässig wäre, hat der OGH nicht beantwortet. Unseres Erachtens sind die Entscheidungsgründe auf die einseitige Aufrechnung ohne weiteres übertragbar, wenn die Gesellschaft im Aufrechnungszeitpunkt zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Durch die Aufrechnung einer nicht werthaltigen Forderung (gegen die Gesellschaft) mit einer werthaltigen Gegenforderung ist der Gesellschafter zu Lasten der Gesellschaft bessergestellt, die dadurch nicht mit der notwendigen Liquidität ausgestattet wird.

Die Rechtsfolge wäre die Nichtigkeit der Aufrechnung, so dass beide Forderungen aufrecht bestehen. Der Gesellschafter trägt weiterhin das Risiko der Einbringlichkeit seiner nicht (vollständig) werthaltigen Forderung bzw ist im Insolvenzfall auf die Quote beschränkt. Dieses Ergebnis weicht von der in der Insolvenz allgemein bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit gem §§ 19 f IO ab. Diese Aufrechnungsmöglichkeit besteht aber nur, wenn auch die allgemeinen Aufrechnungsvoraussetzungen der §§ 1438 ff ABGB (unter Berücksichtigung der Modifikationen durch §§ 19 f IO) vorliegen. Insbesondere darf kein gesetzliches Aufrechnungsverbot bestehen. Genau ein solches liegt aber vor, wenn die Aufrechnung eine verbotene Einlagenrückgewähr iSd § 83 GmbHG darstellen würde.

Autoren

MMag. Dr. Florian Linder

MMag. Dr. Florian Linder ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zivil- und Unternehmensrecht der Wirtschaftsuniversität Wien und ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Finanzmarktrecht. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht und Liegenschafts-, Miet- und Wohnrecht.

Florian.linder@vbsn.at

Dr. Lukas Schenk

Dr. Lukas Schenk ist Partner bei Viehböck Breiter Schenk Nau & Linder Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien/Mödling. Er war als Universitätsassistent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien sowie bei der Europäischen Kommission in Brüssel tätig. Dr. Lukas Schenk ist ständiger Vortragender an der Akademie der Wirtschaftstreuhänder. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind Umstrukturierungen-Umgründungen, Gesellschaftsrecht einschließlich Gesellschafterkonflikt und Geschäftsführerberatung, Gewerberecht sowie Arbeitsrecht.

Lukas.schenk@vbsn.at

Link auf Website: https://www.vbsn.at/

Ähnliche Beiträge

  • Aufrechnung gegen Rückersatzansprüche aus verbotener Einlagenrückgewähr

    Zum Beitrag
  • Gesellschaftsrechtlicher Dauerbrenner Einlagenrückgewähr

    Zum Beitrag
  • Zur Anlaufhemmung bei Ansprüchen nach § 83 GmbHG

    Zum Beitrag

Produkt-Empfehlungen

Produkt-Empfehlungen