28.05.2025 | Wohnrecht | ID: 1199288

Verrechnung liegenschaftsfremder Aufwendungen & Maßnahmenabgrenzung im WEG

Roman Reßler

Gastautor Mag. Roman Reßler erläutert eine aktuelle OGH-Entscheidung zur Verrechnung liegenschaftsfremder Aufwendungen sowie der Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Verfügungsmaßnahmen.

Auch der Abschluss eines Bestandvertrages durch den Verwalter im WEG über einen Teil eines Nachbargrundstückes kann eine Verwaltungsmaßnahme sein. Dies liegt dann vor, wenn dieser im Gemeinschaftsinteresse erfolgt, einen ausreichenden Bezug zur Nutzung, Erhaltung oder Verbesserung der gemeinschaftlichen Liegenschaft aufweist und in die dingliche Rechtsposition einzelner Wohnungseigentümer nicht eingegriffen wird.

Sachverhalt der OGH-Entscheidung

Der Entscheidung des OGHs vom 6. März 2025, 5 Ob 219/24b lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Im gegenständlichen Fall erwarb die Antragsstellerin im März 2019 Miteigentumsanteile verbunden mit Wohnungseigentum an einer Eigentumswohnung im Bundesland Kärnten. Die betreffende Wohnungseigentumsanlage war sechs Stockwerke hoch, wies 85 Wohneinheiten auf und befand sich auf 1500 m Seehöhe in absoluter Waldlage direkt vor einem südseitigen Bergabhang mit Panoramaaussicht. Im Verhältnis zum Gebäude wies die Liegenschaft jedoch eine geringe Grundfläche auf. Da der zum Errichtungszeitpunkt der Liegenschaft in den 70er Jahren noch niedrige Baumbestand südlich des Gebäudes den Panoramaausblick beeinträchtigte, erwarb die Hausverwaltung 1988 treuhändisch von den österreichischen Bundesforsten als Grundeigentümer/in eine südlich gelegene Waldfläche im Ausmaß von etwa 4000 m². Den Treuhandvertrag mit dem Hausverwalter, unterschrieben rund 63 von 84 Wohnungseigentümer:innen, welche als Treugeber:nnen den gesamten Kaufpreis trugen.

Kauf der südlichen Liegenschaft durch Eigentümergemeinschaft

Um auch die übrigen Eigentümer:innen an den Kauf bzw an den Bewirtschaftungskosten zu beteiligen, beschloss die Eigentümergemeinschaft 1989 mehrheitlich die Anpachtung der vom Hausverwalter treuhändisch erworbenen südlichen Liegenschaft.

Dazu schloss der Hausverwalter in eigener Person einen Bestandvertrag ab, und zwar als Bestandgeber und als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft. Sämtliche Wohnungseigentümer:innen hatten über die Betriebskostenverrechnung einen wertgesicherten Pachtzins, die Grundsteuer und die Bewirtschaftungskosten zu bezahlen. Der von der Hausverwaltung eingenommene Pachtzins war vertraglich anteilig an die 63 Treugeber:innen auszuzahlen, sodass im Ergebnis lediglich die nicht am Kauf beteiligten Eigentümer:innen bzw Rechtsnachfolge:innen den Pachtzins durch höhere Betriebskosten bezahlten. Im Jahre 1995 ermächtigten die Eigentümer:innen in einer Eigentümerversammlung den Hausverwalter einen Kaufvertrag über die westlich gelegene unbebaute Liegenschaft abzuschließen. Die Mittel für den Kauf stammten mutmaßlich von einigen damaligen Eigentümer:innen sowie Überschüssen bei der Verrechnung der südlichen Liegenschaft. Der Hausverwalter ist als alleiniger Eigentümer der Liegenschaft im Grundbuch ausgewiesen. Es gibt weder einen Treuhand- noch einen Pachtvertrag, wobei die Aufwendungen für diese Liegenschaft über die Betriebskosten verrechnet wurden.

Pacht der östlichen Liegenschaft der Eigentümer:innen

Im Jahr 2014 beschlossen die Wohnungseigentümer:innen in der Eigentümerversammlung mehrheitlich einen Teil der östlich gelegenen Liegenschaft zu pachten um eine unterirdisch 1992 aufgelassene Kläranlage, die aufgrund eines Baumangels 1968 ein Stück auf Nachbargrund ragte, nicht rückbauen zu müssen. Der Pachtvertrag war auf 20 Jahre befristet, wobei die Nutzung der Wiese durch die Eigentümer explizit ausgeschlossen wurde. Der Pachtbetrag wurde mit den Betriebskosten vorgeschrieben. Die Protokolle der Eigentümerversammlung ab 1999 wiesen durchwegs nur Mehrheitsbeschlüsse auf. Der Hausverwalter rechnete die Betriebskosten aufgrund der Neuparifizierung des Hauses in Folge des Verkaufes der Hausbesorger Wohnung im Jahr 2015 bereits ab 2016 mit dem neuen Verteilungsschlüssel ab, wobei die grundbücherliche Eintragung der geänderten Nutzwerte erst im August 2021 erfolgte.

Zur rechtlichen Entscheidung durch das Erstgericht

Die Antragsstellerin beantrage die Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Vielzahl von Mehrheitsbeschlüssen der Eigentümergemeinschaft sowie die Richtigstellung der Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2020, 2021 und 2022. In der rechtlichen Beurteilung hielt das Erstgericht fest, dass der Kauf der südlichen Liegenschaft durch alle Wohnungseigentümer:innen eine Verfügungsmaßnahme wäre, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer:innen bedurft hätte. Mit dem treuhändischen Erwerb der Fläche durch eine genügende Mehrheit der Wohnungseigentümer:innen und anschließende Anpachtung dieser Fläche durch die WEG mittels Mehrheitsbeschlusses, wurde nach Ansicht des Erstgerichtes genau diese Einstimmigkeit umgangen. Es hob daher den Mehrheitsbeschluss zum Pachtvertrag über die südliche Liegenschaft auf und schied die Aufwendungen für die südliche Liegenschaft aus der Betriebskostenabrechnung mangels rechtswirksamen Vertrages und tatsächlichen Leistungsaustausches aus. Hinsichtlich der westlichen Liegenschaft hielt es fest, dass kein Pachtvertrag vorhanden war und somit die Grundsteuer aus der Betriebskostenabrechnung auszuscheiden wäre.

Hinsichtlich des beantragten Mehrheitsbeschlusses, mit dem die anwesenden Eigentümer:innen in der Eigentümerversammlung 1995 den Verwalter zum Kauf der westlichen Liegenschaft ermächtigten, vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass es sich nicht einmal um den Anschein eines Beschlusses handelte und somit im Ergebnis kein Beschluss innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft nach dem WEG handelte. Aus diesem Grund kann er nicht im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren angefochten werden.

Zur Anpachtung der östlichen Liegenschaft führte das Erstgericht aus, dass aufgrund der Judikatur der OGH zwar grundsätzlich die Einbeziehung für Aufwendungen, die andere Liegenschaften betreffen, als unzulässig erachtet hat, jedoch betreffend der im Wohnungseigentum stehenden Liegenschaft jedoch zugutekommt.

Eine Vereinbarung der Eigentümer:innen der betreffenden Liegenschaften über die Tragung der Aufwendungen liegt vor, weshalb der Grundsatz der liegenschaftsbezogenen Verrechnung der Aufwendungen durchbrochen werden kann. Diese Vereinbarung wurde durch den Pachtvertrag verwirklicht, sodass der Abschluss des Pachtvertrages über einen Teil einer Fremdliegenschaft als Verwaltungsmaßnahme anzusehen wäre, die mittels Mehrheitsbeschlusses gefasst werden kann.

Entscheidung des Rekursgerichts zu Verrechnung von liegenschaftsfremden Aufwendungen

Das Rekursgericht bestätigte im Wesentlichen den erstinstanzlichen Sachbeschluss und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs als zulässig. Hinsichtlich des Ankaufes der westlichen Liegenschaft ist nach Ansicht des OGHs im Fall des Anscheins eines Mehrheitsbeschlusses eine fristgerechte Anfechtung erforderlich, bei deren Unterbleiben jedoch dieser Mangel heilt. Besteht aber ein solcher Anschein nicht, wie etwa dann, wenn die Minderheit unter Ausschluss der Mehrheit einen Beschluss fasst, so ist von einem nichtigen Beschluss auszugehen, der zeitlich unbegrenzt anfechtbar ist. Im Zweifel soll jedoch bei der Abgrenzung zwischen einem nichtigen und anfechtbaren Beschluss zu Gunsten der befristeten Anfechtbarkeit entschieden werden.

Zum „Anschein eines Mehrheitsbeschlusses“

Ob der Anschein eines Mehrheitsbeschlusses gegeben ist, hängt aber regelmäßig von den Umständen des Einzelfalles ab.

Im vorliegenden Fall besteht kein Grund, aufgrund des Interesses der Eigentümergemeinschaft auf rasche Rechtssicherheit von einem unbefristet anfechtbaren Beschluss der Eigentümergemeinschaft auszugehen.

Hinsichtlich der Pacht eines Teils des östlichen Grundstückes hielt das Höchstgericht fest, dass Mehrheitsbeschlüsse nur Maßnahmen der Verwaltung zum Gegenstand haben können und dürfen. Allfällige ihre Kompetenz überschreitende Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft können unbefristet bekämpft und beseitigt werden. Maßgeblich ist daher die Beantwortung der Frage, ob es sich beim Beschlussgegenstand um eine Verwaltungs- oder Verfügungsmaßnahme handelt.

Verwaltungs- oder Verfügungshandlung?

Bei der Beurteilung der Frage, ob der Abschluss eines Pachtvertrages über einen Teil des Nachbargrundstückes als Angelegenheit der Verwaltung anzusehen ist, ist auf die allgemeine Definition von Verwaltung und Verfügung und die von der Judikatur entwickelten Abgrenzungskriterien abzustellen. Voraussetzung einer Verwaltungshandlung ist daher zunächst, dass damit Gemeinschaftsinteressen verfolgt werden. Überdies hat die vorzunehmende Maßnahme einen Bezug auf Nutzung, Erhaltung oder Verbesserung der gemeinsamen Liegenschaft aufweisen und darf nicht in die dringliche Rechtsposition einzelner Wohnungseigentümer:innen eingreifen. Während im Bereich der Verwaltung einer Liegenschaft im WEG im Rechtsverkehr eine unbeschränkte Vertretungsmacht des Verwalters besteht und somit der einzelne Wohnungseigentümer:innen auf die durch das WEG eingeräumten Minderheitsrechte beschränkt ist, wird für Verfügungen, bei denen das individuelle Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers überwiegt, Einstimmigkeit verlangt.

Wahrung der Gemeinschaftsinteressen und Pachtvertrag als Kennzeichen einer Verwaltungsmaßnahme

Der Grund für den Pachtvertragsabschluss war den Waldbewuchs zwecks besserer Aussicht niedrig zu halten, Waldabstandflächen zu schaffen, um damit die Waldbrandgefahr zu minimieren und einen Teil der alten Kläranlage auf dem Fremdgrundstück zu belassen. Wenn auch die Kläranlage seit dem Anschluss der Wohnungseigentumsanlage an den öffentlichen Kanal nicht mehr in Betrieb ist, sind nach Ansicht des OGHs, die Rohrleitungen nach wie vor vorhanden, wobei eine Entfernung dieser Kläranlage Kosten von ca EUR 20.000,– verursacht und die weitere Nutzung der Parkplätze auf dem Nachbargrund unterbunden hätte.

Damit war Gegenstand dieses Beschlusses, die Wahrung von Gemeinschaftsinteressen aller Mit- und Wohnungseigentümer:innen.

Dass dafür ein jährlicher wertgesicherter Pachtzins von EUR 600,– im Gemeinschaftsinteresse ist, liegt ebenso auf der Hand, weshalb diese Maßnahme der Nutzung und Verbesserung der gesamten Liegenschaft dient. Somit war von einer Verwaltungsmaßnahme auszugehen, die einer Beschlussfassung durch die Eigentümergemeinschaft unterliegen konnte.

Somit gilt zusammenfassend, dass auch der Abschluss eines Bestandvertrages über einen Teil eines Nachbargrundstückes eine Verwaltungsmaßnahme sein kann, wenn ein Gemeinschaftsinteresse vorliegt, einen ausreichenden Bezug zu einer Nutzung, Erhaltung oder Verbesserung der gemeinschaftlichen Liegenschaft aufweist und in die dingliche Rechtsposition einzelner Wohnungseigentümer:innen dadurch nicht eingegriffen wird

Fazit

Im Einzelfall kann die Abgrenzung zwischen Verwaltung und Verfügungshandlung durchaus große Schwierigkeiten bereiten. Daraus folgt, dass sich die Regelungen des WEG nicht immer auf eine bestimmte einzige Liegenschaft beziehen müssen. Auch der Grundsatz, wonach Beschlüsse in Angelegenheiten der Verwaltung einzig und allein die eigene Liegenschaft betreffen können, kann in bestimmten Fällen dadurch unterbrochen werden.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.

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