29.04.2022 | Personalverrechnung | ID: 1114225

Dienstreise aus arbeits- und steuerrechtlicher Sicht

Albert Scherzer

In diesem Beitrag sind die wichtigsten Fakten zur Dienstreise übersichtlich zusammengefasst. Was muss hinsichtlich aktiver und passiver Reisezeit beachtet werden? Was versteht man unter kleiner und großer Dienstreise?

Alles eine Frage des Dienstvertrags

Hinsichtlich Dienstreisen ist es erforderlich, im Dienstvertrag festzuhalten, wie Reisezeiten abgegolten werden und welcher Spesenersatzanspruch besteht. Im Regelfall werden Spesen durch Pauschalbeträge, auch Diäten genannt, oder im tatsächlich angefallenen Ausmaß abgegolten. Welche Art von Spesen bzw in welcher Höhe diese anfallen dürfen, regelt grundsätzlich somit der Dienstvertrag.

Was sind Reisezeiten? Unterschied: Aktive und Passive Reisezeiten

Es wird zunächst zwischen einer aktiven und passiven Reisezeit unterschieden. Aktive Reisezeiten sind Zeiten, bei denen Arbeitnehmer im Auftrag der Arbeitgeber vorübergehend ihren Arbeitsort verlassen, um an anderen Orten ihre Arbeitsleistung zu erbringen, wobei sie aber auch während des Reisens eine aktive Arbeitsleistung erbringen. Aktive Reisezeit liegt somit insbesondere vor, wenn Arbeitnehmer während der Reise selbst ein Fahrzeug steuern bzw wenn Arbeitnehmer während der Reise Arbeitsleistungen – etwa zur Erledigung von E-Mails am Laptop – erbringen. Aktive Reisezeiten gelten somit nicht als Reisezeiten im Sinne des Gesetzes, sondern als „normale“ Arbeitszeit.

Im Gegensatz dazu sind passive Reisezeiten Zeiten, während dieser der Arbeitnehmer im Auftrag des Arbeitgebers vorübergehend den Dienstort (Arbeitsstätte) verlässt, um an anderen Orten zu arbeiten, wobei während der Reisebewegung selbst keine Arbeitsleistung erbracht wird (zB während der Zeit in einem Transportmittel).

Gehören Reisen zum ständigen Aufgabenkreis eines Arbeitnehmers, liegt für die damit verbundenen Reisebewegungen volle Arbeitszeit vor.

Beispiele unechter Reisezeiten sind etwa:

  • Regelmäßige Außendiensttätigkeit: 3 x/Woche in einem Bundesland (RdW 1990, 53)
  • Berufslenker, Piloten, Flugbegleiter und sonstiges Fahrpersonal
  • Reiseleiter, Kundendienstmonteure oder Kundendiensttechniker

Vorteile hinsichtlich der Arbeitszeitgrenzen 

Durch passive Reisezeiten können die Höchstgrenzen der Arbeitszeit überschritten werden. Durch Aufhebung der Höchstgrenzen können auch lange Dienstreisen ohne Unterbrechung abgeschlossen werden.

Dass die Überschreitung der Höchstgrenzen zulässig ist, sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob der Arbeitnehmer auch dazu bereit sein muss. Dies ist im Einzelfall danach zu beurteilen, wie groß die Belastung ist, und ob es dem Arbeitnehmer zumutbar ist. Dies wird von der Art der Verkehrsmittel, den Wartezeiten und sonstigen Begleitumständen abhängen. Bei echter Reisezeit wird eine lange durchgehende Dienstreise zumutbar sein, wenn die Belastungen gering sind (etwa eine Dienstreise über Nacht im Liegewagen) und eine Erholungsmöglichkeit gegeben ist (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 20b AZG Rz 15).

Erholung ade? Verkürzung der Ruhezeit

Besteht während der Reisezeit ausreichende Erholungsmöglichkeit, kann die tägliche Ruhezeit (grundsätzlich mindestens 11 Stunden, § 12 Abs 1 AZG) verkürzt werden, jedoch maximal 2 x/Kalenderwoche!

Darüber hinaus kann durch Kollektivvertrag festgelegt werden, in welchen Fällen ausreichende Erholungsmöglichkeiten bestehen. Finden sich im Kollektivvertrag hierfür keine Regelungen, was keine Seltenheit darstellt, sind Schlaf- oder Liegewagen oder Möglichkeiten eines schlafgleichen Dahindösens (zB Sitzabteil im Zug mit rückkippbarem Sitz), Flüge in der 1. Klasse, aber auch Economy-Flüge bei guten Sitzabständen oder geringer Belegung oder bei Langstreckenfügen mit Nachtruheverdunkelungen als ausreichende Erholungsmöglichkeiten zu beurteilen. Längere Dienstreisen mit mehrfachen Umstiegen und Transfererfordernissen bieten in der Regel keine ausreichenden Erholungsmöglichkeiten, da ein Ausruhen nur schwer möglich ist (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar³ § 20b AZG Rz 17).

Steuerliche Behandlung von Dienstreisen

Eine Dienstreise im Sinne der steuerlichen bzw sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen liegt vor, wenn der Dienstnehmer im Auftrag des Dienstgebers seinen Dienstort (zB Büro, Betriebsstätte) zur Durchführung dienstlicher Verrichtungen verlässt („kleine Dienstreise“) oder der vom Dienstort zu unterscheidende Beschäftigungsort so weit von seinem ständigen Wohnsitz entfernt ist, dass dem Dienstnehmer eine tägliche Heimfahrt nicht zumutbar ist („große Dienstreise“). Zahlungen, die der Dienstgeber als Ausgleich der durch eine Dienstreise entstandenen Mehraufwendungen an den Dienstnehmer leistet („Reisekostenvergütung“, zB Tages- und Nächtigungsgeld, Kilometergeld), sind grundsätzlich nicht lohnsteuer- und sozialversicherungsbeitragspflichtig.

Kleine Dienstreise

„Kleine Dienstreisen“ sind Dienstreisen im Nahebereich des Dienstortes, die der Dienstnehmer im Auftrag des Dienstgebers unternimmt. Dabei liegt der Beschäftigungsort des Dienstnehmers regelmäßig dann im Nahebereich des Dienstortes, wenn dem Dienstnehmer die tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnsitz zumutbar ist. Ob das der Fall ist, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles (zB Entfernung, Verkehrsanbindung) beurteilt werden. Als Richtwert für den Nahebereich gilt die Strecke von bis zu 120 Kilometern zwischen ständigem Wohnsitz und Beschäftigungsort (LStR 2002, Rz 704).

Der ständige Wohnsitz des Dienstnehmers ist üblicherweise dort, wo dessen Familie wohnt („Familienwohnsitz“) oder der (zB alleinstehende) Dienstnehmer die engsten persönlichen Bindungen (zB Freundeskreis) hat und über einen eigenen Hausstand verfügt.

Wird der Dienstnehmer allerdings in einem solchen zeitlichen Ausmaß am Beschäftigungsort tätig, dass dadurch ein neuer örtlicher Mittelpunkt der Tätigkeit (Dienstort) begründet wird, liegt keine („kleine“) Dienstreise vor. In diesem Fall können Reisekostenvergütungen (mangels Dienstreise) nicht lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden.

Große Dienstreise

Bei „großen Dienstreisen“ wird der Dienstnehmer im Auftrag des Dienstgebers an einem Beschäftigungsort tätig, der so weit entfernt ist, dass dem Dienstnehmer eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnsitz nicht mehr zumutbar ist. Ob das der Fall ist, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles (zB Entfernung, Verkehrsanbindung) beurteilt werden. Als Richtwert dafür, ab wann eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, gilt eine Strecke von mehr als 120 Kilometern zwischen ständigem Wohnsitz und Beschäftigungsort (LStR 2002, Rz 704).

Wird der Dienstnehmer allerdings in einem solchen zeitlichen Ausmaß am Beschäftigungsort tätig, dass dadurch ein neuer örtlicher Mittelpunkt der Tätigkeit (Dienstort) begründet wird, liegt keine („große“) Dienstreise vor. In diesem Fall können Reisekostenvergütungen (mangels Dienstreise) nicht lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden. Ein neuer Mittelpunkt der dienstlichen Tätigkeit am Beschäftigungsort wird dabei erst dann begründet, wenn der Dienstnehmer im Rahmen einer „großen“ Dienstreise für mehr als sechs Monate am Beschäftigungsort tätig wird.

Der Dienstort des Dienstnehmers ist dort, wo der Mittelpunkt der tatsächlichen dienstlichen Tätigkeit des Dienstnehmers liegt. Regelmäßig wird das eine Betriebsstätte des Dienstgebers sein, in der der Dienstnehmer einen ständigen Arbeitsplatz nutzt, um die ihm übertragenen Tätigkeiten zu verrichten („Innendienst“).

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