25.08.2020 | Personalverrechnung | ID: 1024826

Falscher Kollektivvertrag und die Folgen bei GPLA-Prüfungen

Erwin Fuchs - WEKA (aga)

Die Ermittlung des richtigen Kollektivvertrages ist in der Praxis hochkomplex. Die Auswirkungen eines falschen Kollektivvertrages werden vielfach unterschätzt. Für Unternehmen kann dies teuer werden.

Folgen eines falschen Kollektivvertrages

Ein falscher Kollektivvertrag, der beispielweise ein niedrigeres Lohnniveau vorschreibt, führt rasch zu Unterentlohnungen nach dem LSD-BG. Zusätzlichen drohen Nachzahlungen im Rahmen einer GPLA in Form von Sozialversicherungsbeiträgen, die sich nach dem Anspruchslohnprinzip nach jenem Kollektivvertrag richten, der richtigerweise auf das Dienstverhältnis anzuwenden wäre.

Mehrere Gewerbeberechtigungen

Besondere Vorsicht ist bei der Wahl des richtigen Kollektivvertrages geboten, wenn ein Unternehmen über mehrere Gewerbeberechtigungen verfügt.

Was sagt das Gesetz?

Verfügt ein mehrfach kollektivvertragsangehöriger Arbeitgeber über zwei oder mehrere Betriebe, so findet auf die Arbeitnehmer der jeweilige dem Betrieb in fachlicher und örtlicher Beziehung entsprechende Kollektivvertrag Anwendung (§ 9 Abs 1 ArbVG).

Als Betrieb gilt jede Arbeitsstätte, die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (§ 34 ArbVG).

Eigenständiger Betrieb

Bereits hier passieren in der Praxis häufig Fehler, wenn Arbeitgeber jede ihrer Arbeitsstätten (sprich jede der Filialen oder jeden Betriebsteil) als einen eigenständigen Betrieb behandeln und bei mehrfacher Kollektivvertragsunterworfenheit an jeder Arbeitsstätte einen anderen Kollektivvertrag anwenden.

Dies wäre nur dann zulässig, wenn die einzelnen Arbeitsstätten tatsächlich

  • eigenständige Betriebe oder
  • Haupt- oder Nebenbetriebe oder
  • organisatorisch und fachlich abgegrenzte Betriebsabteilungen

darstellen würden.

Maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung

Oft sind jedoch die einzelnen Arbeitsstätten nicht eigenständig im obigen Sinne. In diesem Fall findet jener Kollektivvertrag Anwendung, welcher für den fachlichen Wirtschaftsbereich gilt, der für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat.

Das Gesetz sagt aber nicht, wie die maßgebende wirtschaftliche Bedeutung eines Fachbereiches im Rahmen eines Betriebes festgestellt werden soll. Nur eines kann dem Gesetz entnommen werden: Diese Maßgeblichkeit ist im Hinblick auf den Betrieb festzustellen. Mit anderen Worten heißt dies, dass diese Maßgeblichkeit in Bezug auf die Arbeitgeber-Interessen und in Bezug auf die Arbeitnehmer-Interessen erwogen werden muss. Abgestellt wird auf die wirtschaftliche Bedeutung. Materielle wie immaterielle Interessen kommen grundsätzlich als Bezugspunkte dieser Prüfung infrage. Mit maßgebend meint das Gesetz, dass es auf jenen Fachbereich ankommen soll, der dem Betrieb das Gepräge gibt, der für den Betrieb ausschlaggebend ist. Als Indikatoren kommen dabei sowohl die Zahl der im Fachbereich beschäftigten Arbeitnehmer, der erzielte Umsatz, aber auch die wirtschaftliche Funktion des Fachbereiches im Verhältnis zu dem anderen Fachbereich bzw den anderen Fachbereichen in Betracht (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 10 Rz 13 mwN).

Hinweis

Durch Betriebsvereinbarung kann festgestellt werden, welcher fachliche Wirtschaftsbereich für den Betrieb die maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Damit können Betriebsinhaber und Betriebsrat entscheiden, welcher Kollektivvertrag für den Betrieb Anwendung finden soll.

Größere Anzahl von Arbeitnehmern

Schließlich bietet der Gesetzgeber auch eine Lösung für all jene Fälle, in denen weder abgetrennte Bereiche noch eine maßgebliche wirtschaftliche Bedeutung feststellbar bzw vereinbar sind: Es findet der Kollektivvertrag jenes fachlichen Wirtschaftsbereiches Anwendung, dessen Geltungsbereich die größere Anzahl von Arbeitnehmern erfasst.

Damit ist gemeint, dass darauf abzustellen ist, wie viele Arbeitnehmer aufgrund der Geltungsbereichsbestimmungen des Kollektivvertrages in Österreich überhaupt erfasst werden. Bei der Feststellung dieser Zahl werden die im betreffenden Betrieb arbeitenden AN mitzuzählen sein (Strasser in Strasser/Jabornegg/Resch, ArbVG § 10 Rz 15 mwN).

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