Dokument-ID: 373191

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 157/ 11m; OGH; 29. September 2011

GZ: 1 Ob 157/11m | Gericht: OGH vom 29.09.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „W*****“ ***** GmbH, *****, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Juni 2011, GZ 40 R 87/11g-26, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 11. Oktober 2010, GZ 8 C 121/09b-22, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt nach herrschender Ansicht die fehlende regelmäßige Verwendung des aufgekündigten Objekts zu Wohnzwecken und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 30 MRG Rz 53; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²² § 30 MRG Rz 39; RIS-Justiz RS0070217). Den Nachweis für das Fehlen der regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken hat der Vermieter zu erbringen (RIS-Justiz RS0079350; RS0079253). Liegt eine regelmäßige Verwendung des Objekts zu Wohnzwecken vor, ist der dringende Wohnbedarf des Mieters oder einer eintrittsberechtigten Person nicht mehr zu prüfen (RIS-Justiz RS0070217).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung der Frage, ob von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängt und daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darstellt, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt (9 Ob 26/03v; 8 Ob 4/06f; RIS-Justiz RS0079241 [T13]; RS0068874 [T8]).

3. Die regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken im Sinne des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt zwar grundsätzlich voraus, dass die gekündigte Wohnung vom Gekündigten wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) als Mittelpunkt seiner Lebenshaltung benützt wird, doch ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass an diese Anforderungen naturgemäß bei einem Junggesellen (RIS-Justiz RS0079241) ebenso wie bei einer alleinstehenden Frau (3 Ob 565/95) kein allzu strenger Maßstab angelegt werden kann. Auch die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt noch nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RIS-Justiz RS0079252; Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 41). Dabei ist im vorliegenden Fall von Bedeutung, dass die Beklagte die Wohnung, in der sich der Großteil ihrer persönlichen Gegenstände befindet, regelmäßig aufsucht, dort auch nächtigt und darin regelmäßig Gäste empfängt, sodass von einem bloßen „gelegentlichen Absteigquartier“ (RIS-Justiz RS0103931) ebenso wenig die Rede sein kann wie davon, die Wohnung würde in keiner Hinsicht mehr einen Mittelpunkt der Interessen der Beklagten darstellen. Dass die Beklagte in der Wohnung auch ihrer Tätigkeit als Übersetzerin nachgeht, schadet in Anbetracht dieser Feststellungen nicht. Eine vom Obersten Gerichtshof iSd § 502 Abs 1 ZPO zu korrigierende Fehlbeurteilung liegt damit nicht vor. Auf die Qualifikation der Beziehung der Beklagten als „einer Lebensgemeinschaft ähnlich“ kommt es hingegen nicht an, sodass auch die von der Klägerin als rechtserheblich erachtete Frage nach den Anforderungen an den Lebensschwerpunkt in einem solchen Fall dahingestellt bleiben kann.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO), zumal der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG schon im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten wurde.

Leitsätze