Dokument-ID: 009573

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 143/09d; OGH; 1. September 2009

GZ: 5 Ob 143/09d | Gericht: OGH vom 01.09.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1. T***** GmbH, 2. Milum K*****, top 5 + 6, 3. Slavica S*****, 4. Vidosav S*****, beide top 7, 5. Selma K*****, top 8, 6. Izet M*****, top 9 + 10, 7. Atilla M*****, top 12, 8. Gerlinde M*****, top 13 + 14, 9. Renate T*****, 10. Jörg B*****, beide top 17 + 18, alle *****, W*****straße *****, Erst- bis Viertantragsteller und Sechst- bis Zehntantragsteller jeweils vertreten durch den Zeitantragsteller, Fünftantragstellerin vertreten durch Günther Schneider, Mieter-Interessens-Gemeinschaft Österreichs, 1100 Wien, Antonsplatz 22, 11. Christine G*****, *****, W*****straße *****, vertreten durch Mag. Roswitha Wallner, Mietervereinigung Österreichs, Landesorganisation Wien, 1010 Wien, Reichsratsstraße 15, gegen die Antragsgegner 1. Erika R*****, 2. Dr. Peter R*****, beide *****, B*****gasse *****, vertreten durch die Gebäudeverwaltung Frieda R*****, *****, M***** Straße *****, diese vertreten durch Dr. Werner Loos, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 21, 37 Abs 1 Z 12 MRG,

I. über die ordentlichen Revisionsrekurse der Fünft- und Elftantragstellerinnen sowie der Antragsgegner gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. August 2008, GZ 39 R199/08s–16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Dezember 2008, GZ 39 R 199/08s–22, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 3. März 2008, GZ 36 Msch 17/07v–9, teilweise abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Antragsgegner wird nicht Folge gegeben.

Den Revisionsrekursen der Fünft- und Elftantragstellerinnen wird dahin Folge gegeben, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts (einschließlich seiner Kostenentscheidung) wiederhergestellt wird.

Die Antragsgegner sind schuldig, der Fünftantragstellerin die mit EUR 180,– bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Antragsgegner sind schuldig, der Elftantragstellerin die mit EUR 183,– (darin enthalten EUR 3,– an Barauslagen) bestimmten Kosten ihrer Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Antragsgegner sind schuldig, der Fünftantragstellerin die mit EUR 360,– bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Antragsgegner sind schuldig, der Elftantragstellerin die mit EUR 366,50 (darin enthalten EUR 6,50 an Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. über die „Ergänzung zum Revisionsrekurs” der Fünftantragstellerin betreffend den Berichtigungsbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 17.12.2008, GZ 39 R 199/08s-22, den

Beschluss

gefasst:

Die „Ergänzung zum Revisionsrekurs” der Fünftantragstellerin wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Antragsteller (Mieter) begehrten die Betriebskostenüberprüfung (ua) betreffend die Positionen „Taubenschutzgitter” (EUR 1.935,–) und „Gartenarbeiten” (EUR 3.676,37).

Die Antragsgegner (Vermieter) beantragten Abweisung des Überprüfungsantrags.

Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss - soweit für das Revisionsrekursverfahren noch entscheidungswesentlich - ausgesprochen, dass die Antragsgegner gegenüber den Antragstellern durch Betriebskostenverrechnung der Positionen

a)„Taubenschutzgitter” in der Höhe von EUR 1.935,– und

b)„Gartenarbeiten” in der Höhe von EUR 3.257,10 (aus insgesamt EUR 3.676,37) das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten haben.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, dass die hier erfolgte Montage eines Taubennetzes zur Abdeckung eines ganzen Innenhofes zwar geeignet sei, Tauben abzuwehren, doch könnten nicht alle Aufwendungen für vorbeugende Schädlingsabwehr zu den Betriebskosten gerechnet werden. Die Montage des Taubennetzes begründe keine wiederkehrenden Aufwendungen, wie dies jedoch für Betriebskosten typisch sei. Betreffend die Gartenarbeiten stellten die Aufwendungen zur Entfernung eines abgestorbenen Baumes sowie die Durchführung einer Ersatzbepflanzung an dessen Stelle durch (erstmalige) Anschaffung von (vorher nicht vorhandenen) Blütenstauden und Bodendeckern keine laufenden Ausgaben dar. Die bezeichneten Positionen könnten daher nicht als Betriebskosten angesehen werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner teilweise Folge und änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es die Kosten für die Montage des Taubennetzes (EUR 1.935,–) als Betriebskosten anerkannte. Hinsichtlich der Gartenarbeiten rechnete das Rekursgericht (nur) die mit insgesamt EUR 2.106,– bezifferten Ausgaben für die erstmalige Bepflanzung von Blütensträuchern und Bodendeckern nicht zur Gartenbetreuung und folglich auch nicht zu den Betriebskosten.

Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige nicht EUR 10.000,– und der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu den Fragen, ob die Aufwendungen für vorbeugende, nicht ständig wiederkehrende Maßnahmen zur Abwehr von Schädlingen und die Kosten der erstmaligen Bepflanzung eines Gartens als Betriebskosten zu qualifizieren seien, keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die ordentlichen Revisionsrekurse der Fünft- und Elftantragstellerinnen sowie der Antragsgegner.

Die Fünft- und Elftantragstellerinnen bekämpfen die Anerkennung der Aufwendungen für das Taubennetz als Betriebskosten und die Elftantragstellerin wendet sich überdies gegen die Betriebskostenverrechnung der Aufwendungen für die Fällung des Baumes.

Die Antragsgegner streben demgegenüber die Anerkennung sämtlicher verrechneten Betriebskosten und dem entsprechend die Abweisung des Überprüfungsantrags an.

Die Rechtsmittelwerber erstatteten Revisionsrekursbeantwortungen jeweils mit dem Antrag, dem Revisionsrekurs der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, weil der erkennende Senat das vom Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis des Betriebskostenbegriffs nicht teilt. Die Revisionsrekurse der Fünft- und Elftantragstellerinnen sind auch berechtigt.

Zum Berichtigungsbeschluss des Rekursgerichts (betreffend dessen Kostenentscheidung) erstattete die Fünftantragstellerin eine „Ergänzung zum Revisionsrekurs“; diese ist unzulässig.

A. Allgemein zu den Betriebskosten:

1. § 21 MRG enthält einen Katalog jener vom Vermieter aufgewendeten Kosten, die dieser als Betriebskosten in der in § 21 Abs 3 bis 5 MRG geregelten Weise auf die Mieter eines Hauses überwälzen darf. Diese Aufzählung ist taxativ und eine extensive Gesetzesauslegung zu Lasten der Mieter ist unzulässig (vgl 5 Ob 151/92 = wobl 1993/117, 171 = MietSlg 45.310 = ImmZ 1993, 151; RIS–Justiz RS 0069690 [T1]). Dies galt auch schon für die vor In-Kraft-Treten des Mietrechtsgesetzes bestandene Regelung des § 2 Abs 2 MG (vgl 5 Ob 17/65 = MietSlg 17.249/25 = EvBl 1965/448, 660 = ImmZ 1966, 42).

2. Ganz allgemein gilt, dass nur solche Ausgaben als Betriebskosten verrechenbar sind, die in regelmäßigen Zeitabständen wiederkehren (vgl 5 Ob 1/84 [= EvBl 1984/140, 546 = ImmZ 1985, 194 = MietSlg 36.358] unter Bezug auf die EB zur RV 425 BlgNR 15. GP zu § 18), bei denen es sich also um „laufende Kosten des Betriebs“ handelt (vgl zuletzt 5 Ob 131/09i; 5 Ob 259/08m).

B. Schädlingsbekämpfung/Taubennetz:

1. Nach § 21 Abs 1 Z 2 MRG gehören ausdrücklich auch die Aufwendungen für Schädlingsbekämpfung zu den Betriebskosten. Schädlinge sind Lebewesen (tierische Organismen), von denen eine Gefahr der Beschädigung des Hauses oder eine Gesundheitsgefahr für dessen Bewohner ausgeht, worunter – jedenfalls im Stadtgebiet – auch Tauben zu zählen sind (5 Ob 131/09i).

2. Was unter „Bekämpfung“ von Schädlingen im Sinn des § 21 Abs 1 Z 2 MRG zu verstehen ist, definiert das Gesetz nicht. Es mag richtig sein, dass Aufwendungen zur künftigen Abwehr von Schädlingen, etwa eine Taubenabwehranlage besser geeignet ist, Schäden zu verhindern, als die Vernichtung bereits zugeflogener Tauben durch Giftfütterung (idS LGZ Wien MietSlg 41.294). Dies ändert aber nichts daran, dass es sich bei Aufwendungen für eine solche Anlage, nicht um „laufende Kosten des Betriebs“ eines Hauses, sondern um eine einmalige baulich-technische Ausstattung des Gebäudes handelt (vgl 5 Ob 259/08m; vgl oben A.2.).

3. Die Rechtsprechung vertrat schon bisher überwiegend die Ansicht, dass nur unmittelbar der Schädlingsvertilgung dienende Maßnahmen, nicht aber vorbeugende Maßnahmen durch Professionisten wie Baumeister–, Schlosser- und Glaserarbeiten, auch wenn sie durch Schädlingsplage notwendig geworden sind und deren künftiger Abwehr dienen, Betriebskosten im Sinn des § 21 Abs 1 Z 2 MRG darstellen (vgl 5 Ob 87/84 = MietSlg 36.363; LGZ Wien MietSlg 56.322 [Reparatur eines Taubennetzes im Innenhof]; 5 Ob 206/00f = immolex 2001/160, 294 = wobl 2002/3, 20 = MietSlg 53.258 = MietSlg 53.351; Palten, Betriebskosten im Mietrecht² Rz 68). Solche Aufwendungen, mit denen eine besondere Ausstattung von Gebäuden geschaffen wird, sind als aus dem Hauptmietzins zu deckende Instandhaltungsarbeiten zu werten (vgl 5 Ob 206/00f = immolex 2001/160, 294 = wobl 2002/3,20 = MietSlg 53.258 = MietSlg 53.351; 5 Ob 259/08m; 5 Ob 87/84 = MietSlg 36.363; vgl oben A.2.). Die in zweitinstanzlicher Judikatur (MietSlg 41.294) und einem Teil des Schrifttums (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, § 21 MRG Rz 7; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 21 MRG Rz 24) vertretene gegenteilige Ansicht teilt der erkennende Senat nicht. Die Kosten für die Anbringung des Taubennetzes sind demnach nicht als Betriebskosten anzuerkennen (jüngst 5 Ob 131/09i).

C. Gartenarbeiten:

Bereits aus der Entscheidung des erkennenden Senats 5 Ob 2091/96b (= MietSlg 48.529 = wobl 1998/219,338 [Würth]) kann abgeleitet werden, dass bei Grünanlagen der Begriff „Betrieb” als Betreuung im Sinn ihrer laufenden Pflege zu verstehen ist (vgl auch 5 Ob 65/95= MietSlg 47.289 = wobl 1997/44, 149 [Würth]). Auf diese Art ist die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Erhaltungsaufwand vorzunehmen. Es könnte daher zur laufenden Pflege einer Grünfläche allenfalls die jahreszeitlich bedingte oder sonst regelmäßig notwendige Erneuerung von (Klein-)Pflanzen gerechnet werden, die Entfernung eines abgestorbenen Baumes, eine deshalb erforderliche Ersatzbepflanzung und die erstmalige (neue) Anpflanzung bisher nicht vorhandener Gartenpflanzen sind aber schon ihrer Art nach Maßnahmen, die über die bloß regelmäßige Gartenbetreuung hinausgehen (vgl auch LGZ Wien MietSlg 48.298) und daher – unabhängig von der Höhe dieser Aufwendungen – nicht mehr zu den Betriebskosten zu rechnen.

Nachdem sich somit die Betriebskostenabgrenzung des Erstgerichts als zutreffend erweist, war dessen Sachbeschluss wiederherzustellen.

D. Die Kostenentscheidung (nach Verfahrenserfolg) beruht hinsichtlich aller Instanzen auf § 37 Abs 3 Z 17MRG.

E. Zur „Ergänzung zum Revisionsrekurs” der Fünftantragstellerin:

Dieser Schriftsatz ist, soweit ihn die Fünftantragstellerin tatsächlich als Ergänzung zu ihrem Revisionsrekurs verstanden wissen will, unzulässig, weil damit gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verstoßen wird (RIS–Justiz RS 0007007). Soweit mit der Ergänzung zum Revisionsrekurs eine Bekämpfung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung erfolgen soll, ist dies nach § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG unzulässig (RIS–Justiz RS 0008483; RS 0007695; RS 0044233; RS 0053407). Im Übrigen wird die Fünftantragstellerin auf die nunmehr neu getroffene Kostenentscheidung verwiesen.

Leitsätze

  • Gartenarbeiten als Betriebskosten iSd § 21 MRG?

    Zur laufenden Pflege ("Betrieb") von Grünanlagen sind sonstige regelmäßig notwendige Erneuerungen von (Klein)Pflanzen zu rechnen, nicht aber das Entfernen eines abgestorbenen Baumes, eine deshalb erforderliche Ersatzbepflanzung und die erstmalige Anpflanzung bisher nicht vorhandener Gartenpflanzen.
    Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 143/09d | OGH vom 01.09.2009 | Dokument-ID: 258905