Dokument-ID: 680205

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 16/14k; OGH; 23. April 2014

GZ: 5 Ob 16/14k | Gericht: OGH vom 23.04.2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Lovrek, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie den Hofrat Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. M***** K*****, 2. Mag. E***** J*****, beide *****, beide vertreten durch DDr. Gebhard Klötzl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Mag. Alexander Bauer, Rechtsanwalt in Baden wegen EUR 16.584,50 sA und Feststellung (Streitwert EUR 500,–), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 12. November 2013, GZ 18 R 72/13m-36, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Mödling vom 5. April 2013, GZ 3 C 1489/11d-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.153,60 (darin EUR 192,27 an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Das Erstgericht stellte mit seinem – insoweit in Rechtskraft erwachsenen – Urteil fest, dass die Beklagte gegenüber den Klägern verpflichtet ist, die Hälfte der Kosten des jährlichen Rückschnitts des an der Grundstücksgrenze auf dem Grundstück … (der Kläger) wachsenden Nussbaumes zu ersetzen. Demgegenüber wies das Erstgericht das Mehrbegehren der Kläger auf Zahlung von EUR 16.584,50 sA für das Einsetzen eines neuen Nussbaumes sowie dessen Pflege und auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für die weitere Hälfte der Kosten des jährlichen Baumrückschnitts ab.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung des Feststellungsbegehrens EUR 5.000,–, nicht aber EUR 30.000,– übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei. Zum einen fehle Rechtsprechung zur Frage, ob es sich beim Entzug von Raum um eine Immission iSd § 364 ABGB handle, zum anderen habe sich das Höchstgericht noch nicht mit der Frage befassen müssen, wie die Kosten von Beseitigungsmaßnahmen gemäß § 422 Abs 2 ABGB auf Grundnachbarn aufzuteilen seien, wenn einer der Nachbarn, wenn auch unverschuldet, die Ursache dafür geschaffen habe, dass der Überhang (des Baumes) Schaden verursachen könne. Diesen Rechtsfragen sei über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beizumessen.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig; dies ist gemäß § 510 Abs 3 ZPO – kurz – zu begründen:

Nach dem maßgeblichen Sachverhalt wird die Vitalität des Baumes auf der Liegenschaft der Kläger durch die Verringerung des Lichteinfalls und die Beschneidung seines Lebensraums, die von jener Feuermauer ausgehen, welche die Beklagte an ihrer Grundgrenze errichtet hat, auf Dauer reduziert. Der geringe Abstand der Baumkrone zur Fassade macht zur Vermeidung von Schäden an dieser eine jährliche Beschneidung des Baumes notwendig. Durch diese Schnitte besteht auch die Möglichkeit einer dauerhaften Schädigung des Baumes.

Die Kläger sind – soweit für die Behandlung der Revision wesentlich – der Ansicht, die von der Beklagten an der Grundgrenze errichtete Feuermauer stelle eine Immission iSd § 364 Abs 2 ABGB dar, weil der Immissionsbegriff nicht auf die im Gesetz aufgezählten Einwirkungen beschränkt werden dürfe, sondern darunter jede Art von störender Einwirkung zu verstehen sei, die das ortsübliche Maß überschreite. Der Entzug von Licht und Entfaltungsraum für den Baum der Kläger müsse im Zuge einer Rechtsfortentwicklung ebenso als schädigende „Einwirkung“ von einem Grundstück auf ein anderes verstanden werden, wie dies dem herkömmlichen Immissionsbegriff entspreche. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Die Feuermauer bewirkt nach den Feststellungen eine Verringerung des Lichteinfalls und die Beschneidung des Lebensraums des Baumes, gemeint offenbar in dem Sinn, dass sich dieser nicht über die Grundgrenze zur Beklagten entfalten kann. Erstgenannte Einschränkung ist eine negative Einwirkung (negative Immission), die wie das Schattenwerfen, das Entziehen der wärmenden Kraft der Sonne und ihres Lichts durch Bauwerke auf einem Nachbargrundstück nach hRsp schon begrifflich keine Immission iSd § 364 ABGB darstellt (RIS-Justiz RS0010627; RS0010576). Davon ist zufolge der Ausführungen des Gesetzgebers zu dem durch das Zivilrechts-Änderungsgesetz 2004 (ZivRÄG 2004, BGBl I 2003/91) angefügten § 364 Abs 3 ABGB auch weiterhin auszugehen, sollte doch der durch Bauwerke verursachte Entzug von Licht oder Luft von § 364 (Abs 3) ABGB (weiterhin) nicht erfasst sein und weder einen Unterlassungs-, noch einen Ausgleichsanspruch begründen (ErläutRV 173 BlgNR 22. GP 8; Kerschner, Neues Nachbarrecht: Abwehr negativer Immissionen/Selbsthilferecht, Rz 2004, 9 [11]).

Auf eine „Beschneidung des Lebensraums des Baumes“ können sich die Kläger deshalb nicht erfolgreich berufen, weil dem Liegenschaftseigentümer grundsätzlich kein Anspruch darauf zusteht, dass sich auf seiner Liegenschaft stehende Bäume über die Grundgrenze auf die Nachbarliegenschaft ausdehnen können.

Auf Fragen der Ortsüblichkeit und der Schadenshöhe muss angesichts der beschriebenen Rechtslage nicht eingegangen werden und es liegen deshalb auch die von den Klägern in diesem Zusammenhang behaupteten sekundären Feststellungsmängel nicht vor.

Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist ein jährlicher Rückschnitt des Baumes erforderlich, um Schäden an der Fassade abzuwenden. Die – von der Beklagten nicht bekämpfte – Hälfteteilung der Rückschnittkosten laut der teilweisen Stattgebung des Feststellungsbegehrens entspricht § 422 Abs 2 Satz 2 ABGB. Für die von den Klägern begehrte weitergehende Haftung der Beklagten gestützt „auf Schadenersatz- bzw Immissionsrecht“ fehlt es an einer Sachverhalts- bzw Rechtsgrundlage.

Da sich somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO stellt, ist die Revision unzulässig und zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Leitsätze