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Dokument-ID: 1174136

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 202/23a; OGH; 30. Jänner 2024

GZ: 5 Ob 202/23a | Gericht: OGH vom 30.01.2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin I*, vertreten durch MMag. Vanessa Pircher, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die Antragsgegner 1. R* GmbH, *, vertreten durch Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. M*, wegen § 30 Abs 1 Z 5 iVm § 52 Abs 1 Z 8 WEG, über den Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 15. Juni 2023, GZ 5 R 85/23w 19, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 28. Februar 2023, GZ 1 MSch 14/22s 15, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Erstantragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin binnen 14 Tagen die mit EUR 502,70 (darin EUR 83,78 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

[1] Die Antragstellerin und die Zweitantragsgegnerin sind Miteigentümerinnen einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an mehreren Objekten. Die Mehrheit der Anteile hat die Zweitantragsgegnerin. Die Erstantragsgegnerin ist die mit Vergleich vom 17.04.2013 bestellte Hausverwalterin.

 [2] Die Antragstellerin begehrt die Auflösung des Verwaltungsvertrags wegen gröblicher Vernachlässigung der Verwalterpflichten.

 [3] Das Erstgericht wies den Antrag ab.

 [4] Das Rekursgericht gab ihm statt. Die Antragsgegnerin habe ein gravierendes Anliegen der Antragstellerin betreffend Wassereintritte und Wasserschäden in einer ihrer Wohnungen beharrlich negiert. Die gebotene Zukunftsprognose falle negativ aus.

 [5] Den Revisionsrekurs ließ es nachträglich mit der Begründung zu, der Erstantragsgegnerin sei zuzugestehen, dass der von ihm herangezogenen Entscheidung 5 Ob 293/07k gegenüber dem hier zu beurteilenden Verhalten des Verwalters eine schwerer wiegende Pflichtverletzung zugrunde gelegen sei, sodass es nicht ausschließen könne, einer vom Obersten Gerichtshof auch im Einzelfall aufzugreifenden Fehlbeurteilung unterlegen zu sein.

 [6] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses.

 [7] Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

 [8] Der Revisionsrekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig, er kann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 [9] 1. Gemäß § 21 Abs 3 WEG kann der Verwaltungsvertrag jederzeit aus wichtigem Grund von der Eigentümergemeinschaft gekündigt oder bei grober Verletzung der Pflichten des Verwalters auf Antrag eines Wohnungseigentümers vom Gericht aufgelöst werden. Zu den Voraussetzungen dieses Individualrechts eines Mit und Wohnungseigentümers (§ 30 Abs 1 Z 5 WEG) existiert umfangreiche Judikatur (RIS Justiz RS0083249; RS0101593; RS0111894). Ob ausgehend von diesen Grundsätzen ausreichende Gründe vorliegen, den Verwaltungsvertrag auf Antrag eines Mit und Wohnungseigentümers aufzulösen, lässt sich immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (RS0111893). Die Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten des Verwalters als grobe Vernachlässigung seiner Pflicht zu werten ist, eröffnet einen gewissen Beurteilungsspielraum. Solange die Vorinstanz ihre Entscheidung innerhalb dieses Beurteilungsspielraums trifft, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0042763; 5 Ob 177/18t).

 [10] 2. Das Rekursgericht begründete seinen Zulassungsausspruch damit, in dem von ihm herangezogenen zu 5 Ob 293/07k beurteilten Fall sei das Fehlverhalten der Verwalterin weitaus schwerwiegender gewesen. Der Verwalterin war eine beharrliche Vernachlässigung von Instandhaltungspflichten vorzuwerfen, die dazu führte, dass ein Wasserrohrbruch im Hof der Liegenschaft mehr als ein Jahr lang unbehoben blieb, obwohl aufgrund der Wasserabrechnung der große Wasserverlust hätte auffallen müssen. Besonders schwerwiegend beurteilte der Fachsenat das nachfolgende Verhalten der Verwalterin, die versuchte, einem einzelnen Wohnungseigentümer ein Verschulden anzulasten, obwohl gerade dieser eine fundierte Ursachenforschung wegen einer seit Jahren bestehenden Feuchtigkeitsproblematik gefordert hatte. Dies führte zu einer negativen Zukunftsprognose. Der Umstand allein, dass das der Verwalterin hier vorgeworfene Fehlverhalten nicht so schwerwiegend gewesen sein mag, reicht aber noch nicht aus, um von einer im Einzelfall korrekturbedürftigen Überschreitung des dem Rekursgericht eingeräumten Ermessensspielraums auszugehen. Eine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung zeigt auch der Revisionsrekurs nicht auf.

 [11] 3. Das Rekursgericht warf der Erstantragsgegnerin vor, seit Jänner 2019 Wassereintritte unverändert auf eine Undichtheit bei den Hochzügen zurückgeführt, zwei Jahre lang laufende Hinweise der Antragstellerin nicht mehr weiterverfolgt und sich nicht um eine sachverständige Ursachenforschung und/oder Behebung gekümmert zu haben. Das Erstgericht stellte fest, dass die Kommunikation zwischen der Antragstellerin und der Erstantragsgegnerin seit längerer Zeit schwierig war, die Antragstellerin den Geschäftsführer der Erstantragsgegnerin zuweilen nicht mehr erreichte oder er Telefonate mit ihr abbrach. Die Erstantragsgegnerin beantwortete E Mails des Rechtsfreunds der Antragstellerin teils nicht mehr. Der Kern des Vorwurfs liegt daher – im Gegensatz zu dem zu 5 Ob 293/07k entschiedenen Fall – nicht nur in der Vernachlässigung von Instandhaltungspflichten durch die Verwalterin an sich, sondern auch in der unzureichenden oder sogar ganz verweigerten Kommunikation.

 [12] 4. Ob es – wie die Antragstellerin moniert – tatsächlich zu Wassereintritten in ihr Objekt von allgemeinen Teilen her kommt, konnte das Erstgericht zwar nicht feststellen, ein Beweisverfahren dazu wurde nicht geführt. Davon auszugehen, es sei zentrale Verpflichtung eines Hausverwalters, Meldungen über Wassereintritte in eine Wohnung zumindest einer Überprüfung zu unterziehen, bedarf keiner weiteren Diskussion. Selbst wenn Wasserschäden nicht von allgemeinen Teilen der Liegenschaft ausgehen sollten, wäre die Behebung ernster Schäden des Hauses in einem Wohnungseigentumsobjekt eine vom Verwalter iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu erledigende ordentliche Verwaltungsmaßnahme. Dass der Wassereintritt allenfalls (auch) durch eigenmächtige Umbauarbeiten der Antragstellerin in ihrem Objekt verursacht wurde, entbindet die Verwalterin daher nicht davon, mehrfachen Hinweisen auf Wasserschäden der Antragstellerin nachzugehen und deren Ursachen zu klären.

 [13] 5. Dass dies gerade in Zusammenhang mit dem für jeden Wohnungseigentümer besonders sensiblen Thema des Wassereintritts in ein Objekt unterlassen wurde, konnte – unter Berücksichtigung der festgestellten Gesprächsabbrüche und/oder mangelnden Erreichbarkeit – nach der den Beurteilungsspielraum nicht in korrekturbedürftiger Weise verlassenden Beurteilung des Rekursgerichts aber als derart grobe Pflichtverletzung angesehen werden, dass von einer Zerstörung der Vertrauensbasis (RS0083249 [T4]; Schatzl/Spruzina in GeKo Wohnrecht II § 21 WEG Rz 19 mwN) ausgegangen werden kann.

 [14] 6. Die negative Zukunftsprognose beruht nicht auf einer Widersprüchlichkeit im Sinn einer Aktenwidrigkeit. Das Erstgericht gab die Rechtsauffassung des Geschäftsführers der Erstantragsgegnerin wieder, dass – sollte es zu einem Wassereintritt von allgemeinen Teilen der Liegenschaft aus in Einheiten der Antragstellerin kommen – entsprechende Maßnahmen zu setzen seien. Diese Feststellung widerspricht der Beurteilung nicht, aufgrund der festgestellten Schwierigkeiten in der Kommunikation, der Gesprächsabbrüche und/oder mangelnden Erreichbarkeit sei nicht davon auszugehen, die Verwalterin werde sich künftig mit Hinweisen der Antragstellerin auf Wassereintritte in ihr Objekt ausreichend auseinandersetzen.

 [15] 7. Eine „abstrakte Untersuchungspflicht“ trifft die Erstantragsgegnerin nach den Ausführungen des Rekursgerichts nicht; sie hat nur Hinweisen auf Wassereintritte in Objekte der Antragstellerin nachzugehen. Da es weder auf ein Verschulden des Verwalters noch darauf ankommt, dass der Eigentümergemeinschaft oder einzelnen Miteigentümern aus der Pflichtverletzung tatsächlich ein Schaden erwächst (Schatzl/Spruzina aaO, Rz 17 mwN), ist die Frage, ob die beharrliche Negierung der Hinweise der Antragstellerin bereits zu Schäden am Objekt geführt hat, irrelevant.

 [16] 8. Damit war der Revisionrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Kündigung des Verwalters wegen grober Pflichtverletzung bei gemeldeten Wassereintritten

    Unterlässt es der Verwalter, Meldungen eines Mit- und Wohnungseigentümers über Wassereintritte in das Wohnungseigentumsobjekt nachzugehen und entzieht er sich zusätzlich der Kommunikation mit dem betroffenen Mit- und Wohnungseigentümer, ist der Wohnungseigentümer berechtigt, die Auflösung des Verwaltungsvertrags wegen grober Pflichtverletzung zu begehren.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 202/23a | OGH vom 30.01.2024 | Dokument-ID: 1174127