Dokument-ID: 009411

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 21/10i; OGH; 22. Juni 2010

GZ: 5 Ob 21/10i | Gericht: OGH vom 22.06.2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerin Dr. Hildegard M*****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin Brigitte B*****, vertreten durch Mag. Michael Rudnigger Rechtsanwalt-GmbH in Wien, wegen § 20 Abs 5 iVm § 30 Abs 1 Z 5 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. September 2009, GZ 39 R 205/09z–22, mit dem über Rekurs der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 27. April 2009, GZ 22 Msch 10/08p–15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Die Vorinstanzen haben zwar einen Verstoß der Antragsgegnerin gegen ihre Pflicht nach § 20 Abs 5 WEG (fristgerechte Klagserhebung nach § 27 Abs 2 WEG innerhalb von 6 Monaten) verneint, jedoch eine geringfügige Nichtbeachtung einer Weisung aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses („Die Hausverwaltung wird angewiesen, Zahlungsrückstände nach zwei Wochen zu mahnen […]. Nach drei Monaten ist Klage nach § 27 WEG einzubringen, inklusive Mahnspesen.“) wegen Versäumung der Dreimonatsfrist angenommen.

Der Antrag, der Antragsgegnerin aufzutragen, binnen 14 Tagen nachweislich gegen eine namentlich genannte säumige Miteigentümerin Klage nach § 27 Abs 2 WEG zu erheben, die Anmerkung der Klage zu beantragen und der Antragstellerin darüber zu berichten, wurde vom Erstgericht – bestätigt vom Rekursgericht – abgewiesen. Beide Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, im von der Antragstellerin nach § 30 Abs 1 Z 5 WEG eingeleiteten Verfahren könne nur über Verstöße des Verwalters gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG entschieden werden, nicht jedoch über die in § 20 Abs 1 WEG verankerte Pflicht zur Weisungsbefolgung. Das Rekursgericht erachtete den Revisionsrekurs für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, ob im Verfahren nach § 30 Abs 1 Z 5 WEG Aufträge an den Verwalter auch bei Verstößen zulässig seien, die über die Verpflichtungen nach § 20 Abs 2 bis 7 WEG hinausgingen.

In ihrem Revisionsrekurs argumentiert die Antragstellerin, ein im Überschreiten der Sechsmonatsfrist bestehender Pflichtverstoß gegen § 27 Abs 2 WEG könne wegen der Unmöglichkeit der Anmerkung des Vorzugspfandrechts nicht mehr zur Gänze durch einen gerichtlichen Auftrag wiedergutgemacht werden. Im vorliegenden Fall könnte zwar ein vor Ablauf der Sechsmonatsfrist gestellter Antrag nach § 30 Abs 1 Z 5 WEG kaum mehr rechtzeitig entschieden werden; für den Verwalter bestünde aber die Möglichkeit, noch rechtzeitig auf den Antrag zu reagieren. Der Verweis des § 30 Abs 1 Z 5 WEG auf § 20 Abs 2 bis 7 WEG sei so zu verstehen, dass das Gericht „zu all den dort genannten Themenbereichen“ Pflichtverstöße feststellen und gerichtliche Aufträge erteilen könne. Bei einer Weisung zu einer der in § 20 Abs 2 bis 5 WEG näher präzisierten Verwalterpflichten sei nicht danach zu differenzieren, ob der Verwalter eine Pflicht aus der Weisung oder eine in § 20 Abs 2 bis 5 WEG generell fixierte Pflicht verletzt habe.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts hängt die hier zu treffende Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ab, weshalb sich der Revisionsrekurs als nicht zulässig erweist und eine Beschränkung auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe möglich ist (§ 71 Abs 1 und 3 letzter Satz iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 52 Abs 2 WEG).

1. Es entspricht der herrschenden Lehre, dass es sich bei dem in § 30 Abs 1 WEG zu findenden Katalog um eine taxative Aufzählung handelt (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 30 WEG Rz 9; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 30 WEG Rz 3; Würth in Rummel³ § 30 WEG Rz 2; Palten, Wohnungseigentumsrecht³ Rz 167; Prader, WEG 2.14 § 30 [Anm 2]). Dem entsprechend hat der Oberste Gerichtshof bereits klargestellt, dass durch den klaren Wortlaut des § 30 Abs 1 Z 5 WEG das Individualrecht jedes Wohnungseigentümers, dem Verwalter die Einhaltung seiner Pflichten aufzutragen, auf Verstöße gegen § 20 Abs 2 bis 7 WEG 2002 beschränkt wird; die Durchsetzung von Verwalterpflichten, die sich aus § 20 Abs 1 WEG ergeben, steht deshalb nicht jedem einzelnen Wohnungseigentümer zu (5 Ob 270/07b; 5 Ob 246/08z; RIS–Justiz RS 0123164; RS 0083438 [T1]).

2. Davon abzugehen bieten die Argumente des Revisionsrekurses keinen Anlass.

Zum einen sollen durch den Katalog des § 30 Abs 1 WEG nur ganz bestimmte, dem Einzelnen unzumutbare Ergebnisse der Verwaltungsführung vermieden werden, diesem jedoch nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, in weitergehendem Umfang die Führung der ordentlichen Verwaltung statt durch die Mehrheit bzw den Verwalter auf die Gerichte verlagern zu können; zum anderen räumt die Antragstellerin zutreffend ein, ein Recht des Einzelnen, den Verwalter gleichsam prophylaktisch im Voraus mit gerichtlichen Aufträgen zur gesetzmäßigen Verwaltungsführung zu versorgen, bestehe nicht (vgl Vonkilch aaO,§ 30 WEG Rz 9 und 26).

Schließlich muss die Antragsgegnerin auch eingestehen, dass gerade im vorliegenden Fall eine Antragstellung nach § 30 Abs 1 Z 5 WEG noch vor Ablauf der Sechsmonatsfrist (im bestenfalls zur Verfügung stehenden Zeitraum von knapp 3 Monaten) kaum mehr rechtzeitig entschieden werden könnte; die Rechtfertigung eines Antrags erblickt sie dennoch darin, dass für den Verwalter die Möglichkeit bestünde, noch rechtzeitig auf den Antrag zu reagieren. Dafür bedarf es aber keiner Befassung der Gerichte, weil die „Erinnerung“ des Verwalters durch einen einzelnen Wohnungseigentümer auch durch einen einfachen (schriftlichen oder mündlichen) Hinweis kostensparend erfolgen könnte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht hingewiesen (5 Ob 75/09d; RIS–Justiz RS 0122294).

Leitsätze