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Judikatur | Entscheidung

5 Ob 210/10h; OGH; 25. August 2011

GZ: 5 Ob 210/10h | Gericht: OGH vom 25.08.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M & H ***** GmbH & Co, *****, vertreten durch Winkler-Heinzle, Nagel, Rechtsanwaltspartnerschaft in Bregenz, gegen die Antragsgegner 1. Elisabeth N*****, 2. Kerstin F*****, 3. Waltraud K*****, 4. Anton N***** (nunmehr Hannes N*****, ebendort), 5. Roland H*****, 6. Wilfried Ö*****, 7. Helmut S*****, 8. Thomas M*****, *****, 9. Karl S*****, 10. Gerhard W*****, 11. Günther B*****, 12. Ruth L***** (nunmehr Franc und Rozalija L*****), 13. Margarethe W***** (nunmehr Christoph P*****), 14. Helmut S*****, 15. Günter S*****, 16. Stefan S*****, 17. Hermine S*****, 18. Heidi P***** (nunmehr Heidi G*****, ebendort), und 19. Edith K*****, wegen § 52 Abs 1 Z 5 WEG iVm § 29 WEG, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den (richtig:) Sachbeschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 25. Mai 2010, GZ 1 R 53/10t-18, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 23. November 2009, GZ 3 Msch 2/09p-11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Der im Umlaufweg im Februar 2009 gefasste Mehrheitsbeschluss der Antragsgegner, das Objekt EZ 10788 GB ***** um einen Gesamtaufwand von ca EUR 500.000,– netto zu sanieren, wird aufgehoben.“

Die Antragsgegner sind schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 5.531,90 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin EUR 587,98 USt und EUR 2.004,– Barauslagen), die mit EUR 1.068,22 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin EUR 154,70 USt und EUR 140,– Barauslagen) sowie die mit EUR 581,82 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin EUR 61,92 USt und EUR 210,– Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Sämtliche Verfahrensparteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 10788 GB ***** mit dem darauf errichteten Haus *****. Die Wohnungseigentumseinheiten der Antragstellerin sind Geschäftsräume (samt Geschäftskeller und Lagerraum), jene der Antragsgegner – deren Namen im Kopf dem aktuellen Grundbuchstand entsprechend zu aktualisieren waren (vgl 5 Ob 85/11b) – Wohnungen.

Das im Jahr 1967 erbaute Haus hat hinsichtlich der Wohnungen der Antragsgegner derzeit einen Heizwärmebedarf der Kategorie D, die ebenerdig gelegenen Geschäftsräumlichkeiten der Antragstellerin einen solchen der Kategorie E auf einer Heizwärmebedarfsskala von A++ bis G.

Im Wege eines Umlaufbeschlusses sprachen sich im Februar 2009 59,85 % der Miteigentümer, somit die Mehrheit, für Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten mit einem Kostenrahmen von netto ca EUR 500.000,– aus.

Darin enthalten sind folgende Arbeiten:

Erneuerung der Balkontür-Fensterkombination samt Raffstore, Schaufensterverglasung, Eingangsportale, Kellereingangstüren, eine thermische Sanierung der Fassaden, Ausbessern und Streichen der Fassaden, Sanierung des nordseitigen Flachdachs über dem Eingang, Erneuern der Balkongeländer und Überdachung der obersten Balkone, Dämmen der Kellerdecke, Erneuerung der allgemeinen Elektroinstallation mit Zuputz- und Malerarbeiten sowie Erneuerung der Briefkasten- und Schließanlage.

Auf das Aufbringen der Wärmedämmfassade entfällt dabei ein Kostenaufwand von netto EUR 176.000,–.

Eine Rücklage besteht derzeit mit lediglich EUR 100.800,–.

Die Antragstellerin, die nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile (§ 32 Abs 1 WEG) die geplanten Sanierungskosten mit einem Anteil von 18,23 % zu tragen hätte, sprach sich gegen die von der Mehrheit beschlossene Verwaltungsmaßnahme aus.

Unter Abzug des auf sie entfallenden Anteils der Rücklage hätte die Antragstellerin EUR 72.910,– netto zu finanzieren, wobei 80 % bei Auftragserteilung und der Restbetrag nach Fertigstellung des Gewerks zu tragen wäre.

Jährlich wird ein Rücklagenbetrag für die Liegenschaft von ca EUR 17.000,– eingehoben. Mit diesem Betrag könnten die laufenden absehbaren Reparaturen bezahlt werden.

Die Antragstellerin hat derzeit Bankverbindlichkeiten, die das Finanzierungserfordernis der gegenständlichen Sanierung übersteigen. Sie müsste daher die gesamten auf sie entfallenden Sanierungskosten darüber hinaus durch Kredite finanzieren.

Die Eigentümer der Wohnungen (die Antragsgegner) haben den Finanzierungsvorteil, dass ihnen die Wohnbauförderungsstelle des Landes Vorarlberg auf 20 Jahre zinsfreie Kredite oder Einmalzuschüsse für thermische Sanierungen gewährt. Diesen Vorteil gibt es für die Antragstellerin als Eigentümerin eines Geschäftslokals nicht.

Durch die thermische Sanierung würde sich eine Energieeinsparung für sämtliche Antragsgegner von rund 82.500 kwh ergeben, was bei den aktuellen Energiepreisen eine Einsparung von EUR 4.260,– pro Jahr ausmacht.

Für die Antragstellerin ergäbe sich geschätzt eine Energiekosteneinsparung von EUR 46.000,– in 30 Jahren, somit EUR 1.533,– jährlich.

Unter Berücksichtigung der aufzubringenden Investitionskosten und ausgehend von derzeitigen Energiepreisen ergäbe sich im Lauf von 30 Jahren für die Antragstellerin ein Einsparpotential von EUR 46.610,–, für den Wohnungsanteil für sämtliche Wohnungen in 30 Jahren ein Einsparpotential an Energiekosten von EUR 207.083,56.

Unter Berücksichtigung der Unsicherheit zukünftiger Rahmenbedingungen wie insbesondere des Ausmaßes der Energiepreissteigerungen, aber auch der von der Antragstellerin zu tragenden Finanzierungskosten lässt sich seriös eine positive Wirtschaftlichkeitsberechnung der Investition für die Antragstellerin nicht vornehmen.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrte die Antragstellerin unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen gemäß § 29 Abs 2 WEG den Mehrheitsbeschluss aufzuheben. Hilfsweise begehrt sie, sie von den auf sie entfallenden Sanierungskosten um 2/3 (zu Lasten der Antragsgegner) der Kosten der thermischen Sanierung zu entlasten. Die Sanierungsarbeiten könnten nicht aus der Rücklage gedeckt werden, vor allem auch dann nicht, wenn die in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten noch berücksichtigt würden. Auch gerate ihr die beabsichtigte Verbesserung nicht zum eindeutigen Vorteil. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten in ihrem Wohnungseigentumsobjekt, das über große Glasflächen und wenig wärmegedämmte Außenflächen verfüge, könnten sich die Wärmedämmmaßnahmen bei ihr kaum vorteilhaft auswirken.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses und den Eventualantrag ab.

Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen qualifizierte es infolge der außergewöhnlich hohen Kosten und der Finanzierungsproblematik die von der Mehrheit beschlossenen Maßnahmen als solche der außerordentlichen Verwaltung.

Zunächst liege der in § 29 Abs 2 Z 1 WEG normierte Aufhebungstatbestand nicht vor, weil sich die Antragstellerin nicht auf eine übermäßige Beeinträchtigung berufen habe.

Weil die im Mehrheitsbeschluss enthaltenen Sanierungskosten nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten, die beschließende Mehrheit auch nicht den nicht gedeckten Kostenanteil trage, sei nach § 29 Abs 3 WEG entscheidend, ob die beschlossenen Sanierungsarbeiten allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereichten.

Dafür sei stets ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend sei die bessere Benützbarkeit des Wohnobjekts oder eine Wertsteigerung der Wohnungseigentumsobjekte durch die beschlossenen Maßnahmen. Ein nicht vorhandenes subjektives Interesse des die Änderung ablehnenden Wohnungseigentümers sei hingegen nicht zu berücksichtigen.

Gegenüber § 14 Abs 3 WEG 1975 idF des 3. WÄG sei durch das WEG 2002 eine Verschärfung insofern erfolgt, als nur mehr ein eindeutiger Vorteil aller Wohnungseigentümer die Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses hindere.

Aus den maßgeblichen Feststellungen lasse sich bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein eindeutiger Vorteil auch der Antragstellerin nicht bejahen, seien doch dafür auch völlig unwägbare Faktoren wie zukünftige Finanzierungskosten und zukünftige Energiekostenpreisentwicklungen maßgeblich. Es lasse sich aber auch nicht feststellen, dass die Maßnahme eindeutig zum Nachteil der Antragstellerin sei.

Allerdings seien nicht nur wirtschaftliche, sondern auch andere Faktoren, wie der ökologische Vorteil der Energie-(kosten-)ersparnis und damit einer niedrigeren Umweltbelastung zu berücksichtigen. Für die Antragstellerin sei es im Wirtschaftsleben von Interesse, sich bei ihrem Werbeauftritt als „Ökologieverbesserer“ darstellen zu können. Damit ziehe die Antragstellerin auch eindeutig einen Vorteil aus der geplanten Verbesserung.

Dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es hielt zunächst dem Einwand der Antragstellerin, sie sei bereits aufgrund des Ausmaßes ihrer Miteigentumsanteile von beinahe 20 % übermäßig beeinträchtigt, entgegen, dass das entsprechende Vorbringen nicht ausreiche, eine unzumutbare finanzielle Bedrängnis der Antragstellerin darzutun. Dass sie die Aufwendungen im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen habe, rechtfertige selbst in Anbetracht des Ausmaßes ihrer Miteigentumsanteile die Annahme einer übermäßigen Beeinträchtigung nicht.

§ 29 Abs 3 WEG schließe eine Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses unter anderem dann aus, wenn es sich um eine Verbesserung handle, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereiche. Dies sei nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Dabei sei nicht ausschließlich auf den gegenwärtigen, konkreten Nutzen abzustellen, sondern seien auch zukünftige Notwendigkeiten zu bedenken. Wenn auch ein wirtschaftlicher Vorteil für die Antragstellerin derzeit noch nicht abgeschätzt werden könne, führten jedenfalls die geplanten Sanierungsmaßnahmen zu einer Wertsteigerung des Objekts und zu einer Verbesserung der Behaglichkeit in den konditionierten Räumen. Das falle eindeutig als wirtschaftlicher Vorteil auch der Antragstellerin ins Gewicht.

Die Frage, ob in solchen Überlegungen auch ökologische Gesichtspunkte einzubeziehen seien, könne daher auf sich beruhen.

Letztlich könne auch dahingestellt bleiben, ob es sich, weil die Maßnahme zur Senkung des Energieverbrauchs führe, um Erhaltungsmaßnahmen (RIS-Justiz RS0114108) oder um Verbesserungsarbeiten handle.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000,– übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen iSd § 62 Abs 1 AußStrG vorlägen.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinn einer Stattgebung ihres Antrags auf Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses; in eventu möge festgestellt werden, dass die Antragstellerin von den zu erwartenden Kosten der thermischen Sanierung abweichend von § 32 Abs 1 WEG nur ein Drittel des auf sie entfallenden Betrags zu tragen habe.

Die Antragsgegner haben von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten, keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil den Vorinstanzen bei Auslegung des Begriffs „eindeutiger Vorteil“ iSd § 29 Abs 3 WEG eine korrekturbedürftige rechtliche Fehlbeurteilung unterlaufen ist.

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist auch im Sinn des Begehrens auf Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die von den Vorinstanzen in ihren Entscheidungen jeweils im Kopf als „mitbeteiligte“ bzw „verfahrensbeteiligte Partei“ bezeichnete Verwalterin nicht Verfahrenspartei ist.

1.) Zur Definition außerordentlicher Verwaltungsmaßnahmen, also solcher, die über die in § 28 WEG genannten Angelegenheiten hinausgehen, wie etwa nützliche Verbesserungen, ist zunächst – soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich – § 3 Abs 2 Z 5 MRG heranzuziehen. Zu den Erhaltungsarbeiten gehört demnach die Installation von technisch geeigneten Gemeinschaftseinrichtungen zur Senkung des Energieverbrauchs oder die der Senkung des Energieverbrauchs sonst dienenden Ausgestaltungen des Hauses, von einzelnen Teilen des Hauses oder von einzelnen Mietgegenständen, wenn und insoweit die hiefür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand des Hauses und den zu erwartenden Einsparungen stehen. Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs sind also nicht jedenfalls, sondern nur bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wofür auch der Erhaltungszustand des Hauses, also das Erfordernis anderer anstehender Erhaltungsarbeiten zu prüfen ist, Erhaltungsarbeiten iSd § 3 MRG. Auch dürfen sich keine besonderen Finanzierungsprobleme stellen (vgl RIS-Justiz RS0114108 [T1]).

2.) Selbst der ordentlichen Verwaltung zuzurechnende Erhaltungsarbeiten sind aber, wenn sie mit außergewöhnlichen Bedingungen oder Maßnahmen verbunden sind, der außerordentlichen Verwaltung zuzurechnen (5 Ob 255/03s = MietSlg 56/9 [Fassadensanierung]; 5 Ob 41/05y = wobl 2006/10 [Call; Hauskanal]; 5 Ob 26/07w = SZ 2007/41 = wobl 2007/115 [Call: Baugebrechen im Hoftrakt]; 5 Ob 301/01b = bbl 2002/96 [Fassadendämmung]).

In Anbetracht der sonstigen durchzuführenden Arbeiten, die im Beschluss beinhaltet sind, und der Tatsache, dass neben laufenden Erhaltungsarbeiten die Reparaturreserve nicht nur aufgebraucht wird, sondern darüber hinaus erhebliche Beträge (EUR 400.000,–) aufzubringen sind, ist die hier infrage stehende Änderung an allgemeinen Teilen der Liegenschaft vom Erstgericht zutreffenderweise als außerordentliche Verwaltungsmaßnahme qualifiziert worden. Der Antragstellerin kommt daher das Recht zu, nach § 29 Abs 1 WEG die Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses zu beantragen.

3.) Das Gericht hat einen Mehrheitsbeschluss über Antrag jedes Überstimmten aufzuheben, wenn die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde oder die Kosten der Veränderung – unter Berücksichtigung auch der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten – nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten.

Dem Rekursgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass eine übermäßige Beeinträchtigung der Antragstellerin nicht schon durch Anwendung des Kostenverteilungsschlüssels des § 32 Abs 1 WEG bewirkt wird, handelt es sich dabei doch um eine verhältnismäßige und schon daher nicht übermäßige Beeinträchtigung.

Die von der Antragstellerin ins Treffen geführte Kostenbelastung, die bei ihr zum Unterschied von den Antragsgegnern durch öffentliche Förderungsmaßnahmen nicht abgefedert wird, ist aber entgegen der Ansicht der Vorinstanzen unter dem Aspekt des in § 29 Abs 3 geforderten „eindeutigen Vorteils“ beachtlich. § 29 Abs 3 WEG lautet: Eine Aufhebung des Mehrheitsbeschlusses aus dem Grund des Abs 2 Z 2 [mangelnde Deckung in der Rücklage] hat nicht stattzufinden, wenn der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder wenn es sich um eine Verbesserung handelt, die auch unter Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung in der Rücklage allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht.

Damit ist zunächst klargestellt, dass es sich um eine ausschließlich für Verbesserungsarbeiten – und nicht für sonstige, in § 29 Abs 1 WEG genannte Änderungen oder Maßnahmen – angeordnete Rechtsfolge handelt.

Fehlende Kostendeckung in der Rücklage bedeutet, dass die Wohnungseigentümer unmittelbar – also ohne Möglichkeit der Ansparung wie bei der Rücklage – Geldbeträge zur Verfügung zu stellen haben. Die „Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung“ zielt also gerade darauf ab, ob trotz der Finanzierungsfragen (noch) ein Vorteil aller bejaht werden kann. Der Einwand der Antragstellerin, ihrer wirtschaftlichen Belastung durch die notwendige Kreditfinanzierung bei bestehenden hohen Verbindlichkeiten stehe kein entsprechender finanzieller Vorteil gegenüber, ist daher unter diesem Aspekt zu berücksichtigen. Die beschließende Mehrheit hat keine Bereitschaft erklärt, den nicht gedeckten Kostenanteil zu tragen.

§ 14 Abs 3 WEG 1975 idF des 3. WÄG BGBl 1993/800 ließ es noch ausreichen, dass „es sich überhaupt um eine Verbesserung handelt, die allen Miteigentümern zum Vorteil gereicht“, allerdings unter der weiteren Voraussetzung, dass die Veränderung den Antragsteller nicht übermäßig beeinträchtigte. Nach dazu ergangener Rechtsprechung waren auch finanzielle Belastungen des Antragstellers, die über die Schmälerung der Rücklage hinausgingen, bei Prüfung dieser übermäßigen Beeinträchtigung maßgeblich (vgl wobl 1999, 350/159 [Call]; wobl 1996, 214/74 [Call]; vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch § 29 WEG Rz 34 mwN).

Der Gesetzgeber des WEG 2002 hat demgegenüber die Berücksichtigung der fehlenden Kostendeckung und damit die der besonderen wirtschaftlichen Belastung mit der Vorteilsprüfung verknüpft. Es ist daher die zu § 14 WEG 1975 ergangene Rechtsprechung, die finanzielle Schwierigkeiten in den Hintergrund treten ließ, wenn eine Verbesserung allen Miteigentümern zum Vorteil gereichte (vgl RIS-Justiz RS0112139 ua) und sogar den Nachweis der „wirtschaftlichen Bedrängnis“ des Widersprechenden verlangte, nicht fortzuschreiben.

Nach den maßgeblichen Feststellungen ist der von den Antragsgegnern als Eigentümern von Wohnungen zu leistende Kostenaufwand durch öffentliche Förderungen abgefedert, während dagegen die Antragstellerin bei bereits bestehender hoher Kreditbelastung die aufzuwendenden Beträge auf dem freien Kapitalmarkt aufnehmen muss, was naturgemäß zu einer hohen Zinsenbelastung führt. Schon die Vorinstanzen haben erkannt, dass eine wirtschaftliche Betrachtungsweise jedenfalls keinen eindeutigen Vorteil der Antragstellerin aus der beabsichtigten thermischen Sanierung bejahen lässt.

Der Vollständigkeit halber ist noch anzumerken, dass ökologische Gesichtspunkte, mögen sie auch zum Vorteil der Allgemeinheit sein, beim hier zu untersuchenden eindeutigen Vorteil aller Wohnungseigentümer nicht zu veranschlagen sind.

Zutreffend verweist der Revisionsrekurs darauf, dass die vom Rekursgericht ohne entsprechende Feststellungsgrundlagen bejahten Vorteile der Antragstellerin keinesfalls offenkundig sind. Insbesondere steht keineswegs fest, dass das von der Antragstellerin aufzuwendende Kapital für die Wärmedämmung des Hauses den Verkehrswert des Geschäftslokals im selben Ausmaß steigern kann.

Die Kostenentscheidung zugunsten der voll durchgedrungenen Antragstellerin gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Zu kürzen waren die im Rekurs verzeichneten EUR 315,– an Barauslagen, weil diesfalls nur die doppelten Pauschalgebühren erster Instanz, also EUR 140,– zustehen (GGG TP 12a lit a).

Leitsätze