Dokument-ID: 759445

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 223/14a; OGH; 27. Jänner 2015

GZ: 5 Ob 223/14a | Gericht: OGH vom 27.01.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin Bettina D*****, vertreten durch Mag. Armin Zauner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G***** reg Gen.m.b.H, *****, vertreten durch Mag. Michael Rudnigger Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen §§ 14, 22 Abs 1 Z 6 WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 21. Oktober 2014, GZ 39 R 236/14s-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Die Antragstellerin mietete mit Nutzungsvertrag vom 23.01.1998 ein Siedlungshaus, das die Antragsgegnerin, eine Bauvereinigung iSd WGG, aufgrund eines bis 31.12.2012 befristeten Baurechtsvertrags als Bauberechtigte errichtet hatte. Am 20.09.2012/05.02.2013 schlossen die Antragsgegnerin und die Liegenschaftseigentümerin einen neuen Baurechtsvertrag. Als Stichtag für den Übergang der Rechte und Pflichten wurde der 01.01.2013 vereinbart. Ab diesem Termin hatte die Antragsgegnerin den Bauzins zu zahlen und schrieb den Nutzungsberechtigten einen erhöhten Bauzins vor. Der neue Vertrag hielt fest, dass sich die Bauwerke bereits im Besitz der Bauberechtigten befänden und eine förmliche Übergabe entfalle.

Die Antragstellerin zeigt in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem sie die erhöhte Vorschreibung bekämpft, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 22 Abs 4 WGG auf.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof hat in jüngerer Zeit mehrfach die Berechtigung einer Bauvereinigung bejaht, den Bauzins entsprechend einem neu geschlossenen Baurechtsvertrag gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG als Entgelt weiter zu verrechnen (5 Ob 72/14w = wobl 2014/97 [zust Vonkilch]; 5 Ob 156/14y; 5 Ob 162/14f; 5 Ob 169/14k; 5 Ob 187/14g).

2. Nach Ansicht der Antragstellerin soll dies im vorliegenden Fall zunächst deshalb nicht gelten, weil das Baurecht der Antragsgegnerin nach Ende des alten Vertrags ex lege (§ 9 BaurechtsG) durch Zeitablauf erloschen sei und die Antragsgegnerin vor Begründung des neuen Baurechts durch Eintragung im Grundbuch den Nutzungsberechtigten gar keinen Bauzins verrechnen dürfe.

2.1. Bei der Berechnung des Entgelts darf aber der jeweils zu entrichtende, gesetzlich zulässige Bauzins angerechnet werden (5 Ob 72/14w; vgl RIS-Justiz RS0052450). Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung des neuen Bauzinses bestand nach dem Vertrag, dessen unstrittiger Wortlaut der Beurteilung zugrunde gelegt werden kann, seit 01.01.2013 und nicht erst der späteren Eintragung des neuen Baurechts im Grundbuch. Die Auffassung der Antragstellerin würde die vertraglichen Stichtagsregelungen über den Beginn der Zahlungsverpflichtung der Bauberechtigten sowie deren Eintritt in die Rechtsstellung als Vermieterin nach erfolgter Übergabe der Liegenschaft (vgl RIS-Justiz RS0106071) sinn- und wirkungslos machen. Eine gesetzliche Unzulässigkeit dieser Regelungen zeigt die Antragstellerin nicht auf.

3. § 6 Abs 1 Z 5 KSchG regelt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für Preisänderungsklauseln (RIS-Justiz RS0121395) und soll den Verbraucher vor überraschenden Preiserhöhungen schützen (RIS-Justiz RS0124336). Die für eine Entgeltänderung maßgebenden Umstände müssen vertraglich vereinbart werden, sachlich gerechtfertigt sein und unabhängig vom Willen des Unternehmers eintreten (Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 6 Abs 1 Z 5 KSchG Rz 4 ff; Kathrein/Schoditsch in KBB4 § 6 KSchG Rz 11 je mwN). Zu nicht vom Willen des Unternehmers beherrschbaren Umständen werden außerbetriebliche Ereignisse, wie beispielsweise die Änderung von Einstandspreisen für nicht anders zu beschaffende Waren oder Leistungen (Eccher aaO, Rz 6) oder Rohstoffpreisen (Kathrein/Schoditsch aaO) gezählt.

3.1. Vonkilch (Fragen der Entgeltbildung bei Abschluss von Kettenbaurechtsverträgen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, wobl 2010, 198 [200]) hält § 6 Abs 1 Z 5 KSchG in Fällen der Weiterverrechnung eines neuen (höheren) Bauzinses durch die Bauvereinigung für nicht anwendbar, weil es sich um eine gesetzliche Anordnung der Entgeltsänderung handle und die zitierte konsumenentenschutzrechtliche Bestimmung nur bei vertraglichen Vereinbarungen greife. Nach Pittl/Prader (Zur Verrechnung des Bauzinses im gemeinnützigen Wohnungsbau nach Ablauf des Baurechtsvertrags, immolex 2012, 302 [303]) erfasst § 14 Abs 1 Z 4 WGG nach seinem Wortlaut jegliche und nicht nur auf Gesetz beruhende Änderungen des Bauzinses. Dieser gesetzliche Verweis auf das Sollentgelt des § 14 Abs 1 WGG erfülle die Kriterien des „kleinen“ Transparenzgebots in § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.

3.2. Eine im Schrifttum angeregte (Vonkilch wobl 2014, 256) vertiefte Auseinandersetzung zum Verhältnis zwischen § 14 Abs 1 WGG und § 6 Abs 1 Z 5 KSchG erübrigt sich nach Auffassung des erkennenden Senats:

3.3. Folgt man – wie das Rekursgericht- Vonkilchs Ansatz (wobl 2010 aaO), gibt es gar keine vertraglich vereinbarte Preisänderungsklausel, wie sie § 6 Abs 1 Z 5 KSchG voraussetzt.

3.4. Geht man hingegen davon aus, dass der Abschluss eines Nutzungsvertrags (im zeitlichen und sachlichen Anwendungsbereich des KSchG) unter Zugrundelegung der Entgeltbildungsvorschriften des WGG die Zulässigkeit der Änderung bei Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben des § 14 Abs 1 WGG vertraglich festlegt, wäre diese Vereinbarung im Sinn der in Punkt 3. dargelegten Kriterien zu § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unbedenklich. Nach Auslaufen eines befristeten Baurechtsvertrags muss die Bauberechtigte und Vermieterin von Superädifikaten einen neuen Vertrag abschließen, um eine titellose Benützung zu verhindern. In dieser Situation bleibt ihr wenig (oder gar kein) Verhandlungsspielraum bei der Festlegung eines neuen Bauzinses (vgl Pittl/Prader aaO), die deshalb als von ihr nicht beherrschbarer Umstand anzusehen ist.

3.5. In beiden Varianten steht § 6 Abs 1 Z 5 KSchG einer Weiterverrechnung des neuen Bauzinses (die nur zu 1/3 erfolgte) somit nicht entgegen.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Zur Weiterverrechnung des neuen Bauzinses nach § 14 Abs 1 Z 4 WGG

    Bauvereinigungen sind berechtigt, den Bauzins aufgrund eines neu geschlossenen Baurechtsvertrags gem § 14 Abs 1 Z 4 WGG als Entgelt weiterzuverrechnen. Diesem Vorgehen steht auch nicht die Regelung bezüglich Preisänderungsklauseln des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG entgegen.
    WEKA (mpe) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 223/14a | OGH vom 27.01.2015 | Dokument-ID: 759443