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Dokument-ID: 424873

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 28/12x; OGH; 20. März 2012

GZ: 5 Ob 28/12x | Gericht: OGH vom 20.03.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft EZ *****, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) M***** K***** und 2.) K***** Privatstiftung, beide *****, beide vertreten durch Dr. Martin Salcher und Mag. Richard Salzburger, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen zu 1.) 1.089,51 EUR sA und zu 2.) 993,03 EUR sA, über den (richtig:) Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. November 2011, GZ 2 R 275/11x-19, mit dem aus Anlass der Berufung der beklagten Parteien (teilweise) das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 31. Mai 2011, GZ 4 C 1008/10x-15 (GZ 4 C 1009/10v), sowie das diesem vorausgegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die Entscheidung über das Begehren im Verfahren außer Streitsachen aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts wird aufgehoben und diesem die Sachentscheidung über die Berufung aufgetragen.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Begründung

Die Erstbeklagte ist Miteigentümerin von 45/2870 und 50/2870-Anteilen an der Liegenschaft EZ ***** GB *****, mit denen Wohnungseigentum an Top 14 und Top 15 verbunden ist. Die Zweitbeklagte ist ebenfalls Wohn- und Miteigentümerin dieser Liegenschaft. Mit ihren 95/2870-Anteilen ist Wohnungseigentum an Top 16 verbunden. Die Klägerin ist die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft und begehrt von der Erstbeklagten rückständige Betriebs- und Heizungskosten sowie eine Sonderzuführung in die Rücklage wegen notwendiger Erhaltungsarbeiten auf der Liegenschaft. Von der Zweitbeklagten begehrt die Klägerin ebenfalls eine ausstehende Sonderzuführung zur Rücklage.

Die Beklagten wendeten ein, dass eine ordnungsgemäße Vorschreibung der begehrten Betriebs- und Heizungskosten gegenüber der Erstbeklagten nicht erfolgt sei. Die Forderungen von Sonderzuführungen in die Rücklage seien unberechtigt, weil die Beklagten zur Eigentümerversammlung vom 17. 3. 2010 nicht geladen worden seien, weswegen die dabei ergangene Beschlussfassung über die Rücklagenerhöhung unwirksam sei.

Das Erstgericht bewilligte die Anmerkung der Klagen im Grundbuch, wies ein Zinsenmehrbegehren gegenüber beiden Beklagten rechtskräftig ab und gab den Klagebegehren im Übrigen statt. Der Verwalter vertrete die Eigentümergemeinschaft in allen ordentlichen Verwaltungsagenden und könne daher auch ohne Mehrheitsbeschluss rechtswirksam handeln und die monatlichen Vorschreibungen für Betriebskosten sowie die Rücklage auch während des Jahres erhöhen. Die gegenüber den Beklagten erfolgten Vorschreibungen seien daher zulässig und wirksam gewesen. Wegen des Verzugs seien diese auch verpflichtet, die angefallenen Mahnspesen zu ersetzen.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung der Beklagten das Urteil des Erstgerichts im nicht rechtskräftigen Umfang (neben den bereits erwähnten Zinsenmehrbegehren blieb auch ein Teilzuspruch von EUR 254,16 sA gegenüber der Erstbeklagten unbekämpft) sowie das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Klagszustellung als nichtig auf und sprach aus, dass über die verbleibenden Begehren der Klägerin im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden sei. Es liege eine Streitigkeit aus einer zivilrechtlichen Miteigentümergemeinschaft vor, sodass neben den Bestimmungen des WEG auch die Vorschriften der §§ 833 ff ABGB zu beachten seien. Forderungen nach rückständigen Betriebskosten gehörten den Verwaltungsmaßnahmen an. Nach § 838a ABGB seien Streitigkeiten zwischen den Teilhabern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.

Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich das als „Revisionsrekurs“ (richtig: Rekurs - § 519 Abs 1 Z 1 ZPO) bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme des Nichtigkeitsgrundes der Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs aufzutragen.

Die Beklagten erstatteten keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Hat sich das Erstgericht - wie hier - mit der Frage der Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt, ist der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Ersturteil als nichtig aufgehoben und die Rechtssache zur Entscheidung in das außerstreitige Verfahren überwiesen wurde, auch ohne Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof anfechtbar (8 Ob 111/11y; 6 Ob 123/10k = ecolex 2011, 39; RIS-Justiz RS0043890; RS0116348; Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 81; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 519 Rz 10). Die unrichtige Benennung des Rechtsmittels durch die Klägerin hindert nicht dessen Behandlung als Rekurs (RIS-Justiz RS0036258).

2. Der am 01.05.2005 in Kraft getretene § 838a ABGB (idF FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) sieht vor, dass über alle „Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 471 BlgNR XXII. GP 33) führen dazu aus:

„Mit § 838a ABGB werden ... Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. ...

In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwandes unter ihnen (§ 839 ABGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zu Grunde liegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen. …

Die auf die besonderen Verhältnisse des Wohnungseigentums zugeschnittenen Sonderregeln des § 52 Abs 1 WEG 2002 bleiben unberührt.“

3. Nach § 2 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 WEG umschriebenen Umfang, also in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, in denen sie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden kann. Örtlich zuständig für solche Klagen ist das Gericht, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist. Bei diesem Gericht kann auch ein Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft geklagt werden.

4.1 Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern - sofern kein abweichender Aufteilungsschlüssel vereinbart ist - nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen (§ 32 Abs 1 1. Satz WEG). Der Beitragspflicht der Wohnungseigentümer steht eine entsprechende Forderung der Eigentümergemeinschaft gegenüber. Nach § 27 Abs 1 Z 1 WEG kommt der Eigentümergemeinschaft an jedem Mindestanteil ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zu Gunsten ihrer Forderungen gegen den Eigentümer des Anteils zu. Dieses Pfandrecht besteht für sämtliche Forderungen der Gemeinschaft, die aus der Verwaltung der Liegenschaft resultieren. Dazu gehören jedenfalls die rückständigen Beiträge zu den Betriebskosten und Rücklagen sowie Nachforderungen gegenüber den Wohnungseigentümern nach erfolgter Abrechnung (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22, § 27 WEG Rz 4; H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 27 WEG Rz 9). Das Vorzugspfandrecht kommt der Eigentümergemeinschaft als Forderungsberechtigte nur zu, wenn sie die Forderung samt dem Pfandrecht innerhalb von sechs Monaten mit Klage geltend macht und die Anmerkung der Klage im Grundbuch beim Miteigentumsanteil des beklagten Wohnungseigentümers beantragt (§ 27 Abs 2 WEG).

4.2 Die klagende Eigentümergemeinschaft macht gegenüber der erstbeklagten Mit- und Wohnungseigentümerin Ansprüche aus rückständigen Betriebs- und Heizkostenvorschreibungen sowie gegenüber beiden Beklagten Sonderzahlungen in die Rücklage geltend. Über Antrag der Klägerin wurden die Klagen im Grundbuch bei den Miteigentumsanteilen der Beklagten nach § 27 Abs 2 WEG angemerkt. Bereits dadurch ist klargestellt, dass gerade keine „Streitigkeit zwischen den Teilhabern“ vorliegt, wie sie von § 838a ABGB angesprochen wird.

4.3 Die Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren findet nur statt, wenn eine Sache durch das Gesetz ausdrücklich oder zumindest schlüssig in diese Verfahrensart verwiesen ist (RIS-Justiz RS0012214; RS0005948; RS0109644). Dieser Grundsatz wird durch § 52 Abs 1 WEG, der die in das Verfahren außer Streit verwiesenen wohnungseigentumsrechtlichen Angelegenheiten taxativ aufzählt, wie schon durch die Vorgängerbestimmung des § 26 WEG 1975, nicht berührt (M. Mohr in Hausmann/Vonkilch aaO,§ 52 WEG Rz 4). Eine Erweiterung der in § 52 Abs 1 WEG aufgezählten Angelegenheiten durch Analogie kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die in § 27 Abs 2 WEG geforderten Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Vorzugspfandrechts keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Forderungen der Eigentümergemeinschaft nach § 32 Abs 1 WEG nur im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden können. Die vorliegende Auseinandersetzung zwischen der Eigentümergemeinschaft und den beklagten Mit- und Wohnungseigentümern hat daher im Streitverfahren zu erfolgen.

4.4 Diese Ansicht entspricht auch der bislang nicht in Zweifel gezogenen Praxis gerade bei der Geltendmachung von Wohnbeiträgen (Bewirtschaftungskosten) durch die Eigentümergemeinschaft gegenüber einem Mit- und Wohnungseigentümer (vgl jüngst 5 Ob 248/11y).

5. Wie die Rekurswerberin völlig zutreffend aufzeigt, lag der vom Berufungsgericht als Belegstelle für die von ihm vertretene Ansicht herangezogenen Entscheidung 5 Ob 40/11k (5 Ob 51/11b) nach erfolgter Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei(en) gerade ein Streit zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern und nicht (mehr) zwischen Mit- und Wohnungseigentümern einerseits und der Eigentümergemeinschaft andererseits zugrunde. Auch die in RIS-Justiz RS0124971 und RS0122986 noch genannten Entscheidungen 7 Ob 204/07m (wobl 2008/52 [Call] und 4 Ob 56/09b (EvBl 2009/158, 1066 = NZ 2010/24, 82 = immolex 2010/39, 124 [Neugebauer-Herl]) betrafen Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern einer Liegenschaft.

6. Zusammengefasst folgt:

Fordert die - mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete - Eigentümergemeinschaft (§ 2 Abs 5 Satz 2 WEG 2002) von den Wohnungseigentümern die von diesen anteilig zu tragenden Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage (§ 32 Abs 1 WEG) so liegen keine „Streitigkeiten zwischen den Teilhabern“ iSd § 838a ABGB vor. Solche Forderungen der Eigentümergemeinschaft sind daher im Streitverfahren geltend zu machen (vgl auch 5 Ob 17/12d).

Dem Rekurs ist damit Folge zu geben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem die Sachentscheidung über die Berufung aufzutragen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

Leitsätze