Dokument-ID: 631378

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 41/13k; OGH; 28. August 2013

GZ: 5 Ob 41/13k | Gericht: OGH vom 28.08.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller und gefährdeten Parteien 1. S***** S***** sen., *****, 2. Ö***** I***** F*****, vertreten durch den Obmann A***** Ö*****, beide vertreten durch Dr. Gernot Moser, Mag. Georg Grauss, Mag. Philipp Moser, Rechtsanwälte in Schwaz, gegen den Antragsgegner und Gegner der gefährdeten Parteien Mag. (FH) A***** H*****, vertreten durch Knoflach, Kroker, Tonini & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG und einstweiliger Verfügung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 21. Dezember 2012, GZ 3 R 203/12t-11, womit infolge Rekurses der Antragsteller und gefährdeten Parteien der Beschluss des Bezirksgerichts Schwaz vom 30. April 2012, GZ 4 Msch 3/12z-7 aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt.

Die Antragsteller sind schuldig, dem Antragsgegner die mit 410,83 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 68,47 EUR USt) sowie die mit 1.205,36 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 82,09 EUR USt und 712,80 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Die beiden Antragsteller sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft *****. Ihre Miteigentumsanteile stellen sowohl jeweils als auch zusammen eine Minderheit der insgesamt 6.440 Anteile der Liegenschaft dar. Der Antragsgegner ist Hausverwalter dieser Wohnungseigentumsanlage.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehren die Antragsteller gestützt auf § 52 Abs 1 Z 6 WEG, den Antragsgegner zu verpflichten, im Rahmen seiner Verwalterpflichten zu insgesamt 19 Punkten schriftliche Erklärungen abzugeben und bestimmte Urkunden vorzulegen. Der Verwalter lasse eigenmächtig Sanierungsmaßnahmen größeren Umfangs an der Liegenschaft durchführen, obwohl diesbezüglich kein Mehrheitsbeschluss zustande gekommen sei. Die Wohnungseigentümer – und zwar jeder einzelne für sich – hätten Anspruch darauf, dass der Verwalter jegliche weitere Tätigkeit unterlasse und ihnen ausreichende Informationen (Angebote, Kostenvoranschläge, beabsichtigte Maßnahmen, Finanzierungsunterlagen) vorlege. Ein Verwalter könne nach außen hin zufolge § 29 Abs 6 WEG unbeschränkt Aufträge erteilen und die Eigentümergemeinschaft Dritten gegenüber rechtsgeschäftlich verpflichten. Insgesamt stünden Sanierungskosten von 400.000 EUR und 500.000 EUR im Raum. Mit der Behauptung, es seien dringende Sofortmaßnahmen erforderlich, weil Gefahr in Verzug sei, sei über Auftrag des Antragsgegners bereits begonnen worden, Balkone abzureißen.

Gestützt auf diesen Sachverhalt und die Behauptung einer drohenden Gefahr durch erhebliche finanzielle Belastungen der Wohnungseigentümer – die Sanierungsmaßnahmen seien weder durch Rücklagen noch durch einen Mehrheitsbeschluss gedeckt – beantragen die Antragsteller die Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, dem Antragsgegner werde mit sofortiger Wirkung verboten, Sanierungsmaßnahmen an der Liegenschaft durchzuführen. Das Verbot solle solange gelten, bis der Verwalter die im Hauptverfahren geforderten schriftlichen Darlegungen abgegeben und die verlangten Urkunden vorgelegt habe.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag zurück. § 52 Abs 2 WEG normiere gerade keine Anwendbarkeit des § 37 Abs 3 Z 20 MRG über die Zulässigkeit von einstweiligen Verfügungen. Eine planwidrige Lücke oder ein Irrtum des Gesetzgebers sei zufolge der taxativen Aufzählung der anzuwendenden Bestimmungen und wegen des Umstands, dass bei Neuschaffung des WEG 2002 die Bestimmung des § 37 Abs 3 Z 22 MRG (nunmehr Z 20 MRG) längst bestanden habe, auszuschließen. Deshalb komme eine Anwendung der in § 37 Abs 3 Z 20 MRG getroffenen Regelung im Weg der Analogie nicht infrage. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 5 Ob 2102/96w ausgesprochen, dass einstweilige Verfügungen nach der Exekutionsordnung zur Sicherung eines im Verfahren nach § 26 WEG zu verfolgenden Anspruchs – anders als gemäß § 37 Abs 3 Z 22 MRG – nicht vorgesehen seien. Das entspreche auch verschiedenen Lehrmeinungen. In mehreren Entscheidungen habe der Oberste Gerichtshof zuletzt diese Frage offengelassen (5 Ob 41/04x; 5 Ob 211/05y; 5 Ob 201/07f).

Dem dagegen von den Antragstellern erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Sicherungsantrag unter Abstandnahme vom herangezogenen Zurückweisungsgrund auf.

Die Frage, ob im Außerstreitverfahren nach dem WEG 2002 einstweilige Verfügungen zulässig seien, werde von Lehre und Rechtsprechung keineswegs einheitlich beantwortet. Würth/Zingher/Kovany; (Miet- und Wohnrecht II²² § 52 WEG Rz 64) verträten die Ansicht, dass ein Anspruch, der als Hauptanspruch in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 WEG 2002 durchsetzbar sei, gemäß §§ 378 ff EO durch einstweilige Verfügung gesichert werden könne. Der gegenteiligen Ansicht sei unter Hinweis auf König (Einstweilige Verfügungen³ Rz 1/8) entgegenzuhalten, dass ein einstweiliger Rechtsschutz nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen sein müsse, weil er immer dann zur Verfügung stehe, wenn die Anspruchsvoraussetzungen und prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer einstweiligen Verfügung erfüllt seien. In zweitinstanzlicher Rechtsprechung (41 R 562/99x MietSlg 51.575/38) werde zutreffend die Ansicht vertreten, dass das Gesetz keine Stütze dafür biete, dass im Verfahren nach § 26 WEG 1975 zu verfolgende Ansprüche nicht sicherungsfähig seien.

Der Oberste Gerichtshof habe in mehreren Entscheidungen zuletzt die hier zu beurteilende Frage offen gelassen (5 Ob 41/04x; 5 Ob 211/05y; 5 Ob 201/07f).

In Ablehnung der Rechtsansicht des Erstgerichts legte das Rekursgericht der oben dargestellten Ansicht von Würth folgend zugrunde, dass die Verfolgung eines Sicherungsanspruchs auch im außerstreitigen Verfahren nach § 52 Abs 2 WEG nicht unzulässig sei. Es trug daher dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Sicherungsantrag auf.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist, weil die dargestellte Frage einer Klärung durch das Höchstgericht bedürfe. Über Auftrag des Obersten Gerichtshofs sprach es weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteigt.

Gegen den Anfechtungsbeschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsteller beantragen, den Revisionsrekurs zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Er ist auch berechtigt.

Gemäß § 378 Abs 1 EO kann das Gericht zur Sicherung des Rechts einer Partei auf Antrag einstweilige Verfügungen treffen. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich eine einstweilige Verfügung immer im Rahmen des Hauptanspruchs halten (SZ 47/109; SZ 58/81; ÖBA 1995, 311 [Konecny]; 6 Ob 59/97p; RIS-Justiz RS0004861). Die einstweilige Verfügung darf nur auf die Sicherung des im Hauptprozess angestrebten Rechtsschutzes ausgerichtet sein, weshalb der zu sichernde Anspruch im Rahmen mit dem Klagsanspruch bzw dem im Hauptverfahren angestrebten Rechtsschutz identisch sein muss (10 Ob 120/97p ÖBA 1998, 480; 1 Ob 294/98m ÖBA 1999, 832; RIS-Justiz RS0004904).

Hier richtet sich das Begehren der Antragsteller nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG auf die Durchsetzung der Informationspflicht eines Verwalters gegenüber den Wohnungseigentümern iSd § 20 WEG. Konkret soll der Verwalter durch Sachbeschluss verpflichtet werden, schriftliche Erklärungen zu einzelnen Punkten betreffend beabsichtigte Erhaltungsmaßnahmen abzugeben sowie bestimmte Unterlagen über durchzuführende Erhaltungsarbeiten und deren Finanzierung vorzulegen.

Der Inhalt der beantragten einstweiligen Verfügung richtet sich allerdings auf Unterlassung der Durchführung von Sanierungsmaßnahmen solange, bis der Verwalter die im Hauptbegehren geltend gemachten Ansprüche erfüllt hat.

Damit fehlt es an der oben dargestellten erforderlichen Identität des Rechtsschutzziels im Hauptverfahren und im Verfahren über die einstweilige Verfügung.

Die vom Rekursgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob Ansprüche, die im Verfahren nach § 52 WEG durchzusetzen sind, auch durch einstweilige Verfügung gesichert werden können, stellt sich also hier nicht, weil die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung ohnedies nicht infrage kommt.

Das hatte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses zu führen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG (§ 393 Abs 1 letzter Satz EO).

Leitsätze