Dokument-ID: 306166

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 92/11g; OGH; 26. Mai 2011

GZ: 5 Ob 92/11g | Gericht: OGH vom 26.05.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragstellerinnen 1. Gabriela S*****, 2. Mag. Helene P*****, beide vertreten durch Mag. Dr. Walter Mühlbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Helmut W*****, vertreten durch Mag. Rudolf Siegel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 11 MRG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Jänner 2011, GZ 39 R 353/10s-17, womit infolge der Rekurse sämtlicher Parteien der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 23. Juli 2010, GZ 30 Msch 4/10t-8, abgeändert wurde,

1. den Beschluss und

2. den Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

  1. Dem Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wird teilweise Folge gegeben, der angefochtene Sachbeschluss in seinem Punkt 3 (Abweisung des Auftrags zur Ausfolgung von Kopien der Betriebskostenabrechnung 2008 samt Belegen gegen Kostenersatz an die Antragstellerinnen) aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
  2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Begründung

Die Erstantragstellerin war seit 12. 9. 2005 Hauptmieterin im Haus *****, die Zweitantragstellerin seit 16. 3. 2007. Der Antragsgegner ist Eigentümer dieser Liegenschaft.

Im Dezember 2008 sandte die Hausverwaltung Norbert H***** an alle Mieter ein Weihnachtsrundschreiben, in welchem der Zugang einer detaillierten Abrechnung der Betriebskosten für das Jahr 2008 durch Hausanschlag bis spätestens Ende Mai 2009 angekündigt wurde.

Am Abend des 30. 4. 2009 befestigte Manuela W*****, eine Angestellte der Hausverwaltung, ein Rundschreiben samt Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 an der schwarzen Anschlagtafel des Hauses oberhalb der Brieffachanlage. Es steht nicht fest, wie lange die Abrechnung dort verblieb. Die Abrechnung wurde von der Hausverwaltung nicht abgenommen, der Verbleib der Abrechnung von ihr nicht kontrolliert.

Die Erstantragstellerin hat den Aushang am schwarzen Brett nicht gesehen, allerdings hielt sich ihr Interesse an der Betriebskostenabrechnung auch „in Grenzen“. Sie hat nichts unternommen, um sich um die Betriebskostenabrechnung zu bemühen. Ob die Zweitantragstellerin die Abrechnung gesehen hat, steht nicht fest.

Am Vormittag des 9. 7. 2009 erschien Frau Dr. Z*****, eine Angestellte des Antragstellervertreters, in der Hausverwaltungskanzlei und verlangte Einsichtnahme in die Betriebskostenabrechnung 2008. Weil sie sich weder auswies noch eine Vertretungsvollmacht vorlegte, sondern sich nur auf das Vollmachtsverhältnis im gerichtlichen Verfahren berief, wurde ihr diese Einsicht verweigert. Einem darauffolgenden Schreiben des Antragstellervertreters antwortete die Hausverwaltung H***** dahin, dass die Forderung nach Vorlage von Vollmachten wiederholt wurde, eine urlaubsbedingte Abwesenheit von vier Wochen angekündigt und ein Termin zur Einsichtnahme Ende August vorgeschlagen wurde. Zu einer Terminvereinbarung kam es in der Folge nicht.

Am 27. 8. 2009 brachten die Antragstellerinnen den Antrag nach § 37 Abs 1 Z 11 MRG bei der zuständigen Schlichtungsstelle ein. Die Schlichtungsstelle versäumte es, dem Antragsgegner den Antrag zuzustellen, teilte ihm allerdings durch Schreiben vom 10. 9. 2009 mit, dass ein Antrag gemäß § 37 Abs 1 Z 11 MRG von den Antragstellerinnen am selben Tag eingebracht worden war. Am 10. 2. 2010 zogen die Antragstellerinnen die Sache von der Schlichtungsstelle ab und machten sie infolge Nichtentscheidung der Schlichtungsstelle bei Gericht anhängig.

Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrten die Antragstellerinnen, den Antragsgegner zur Legung einer Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 zu verpflichten, ebenso dazu, ihnen Einsicht in die Betriebskostenabrechnung und die zu Grunde liegenden Belege zu gewähren und Kopien dieser Abrechnung und der ihr zu Grunde liegenden Belege gegen Kostenersatz auszufolgen. Der Antragsgegner habe es bis zum 30. 6. 2009 unterlassen, eine Betriebskostenabrechnung für das Kalenderjahr 2008 zu legen, insbesondere im Haus an geeigneter Stelle aufzulegen, ihnen Einsicht zu gewähren und obwohl sie zum Kostenersatz bereit waren, Kopien der Abrechnungen und der Belege auszufolgen. Sie seien vom Ort und der Zeit der Auflage der Betriebskosten nicht verständigt worden. Die Einsicht in die Abrechnung habe der Antragsgegner ebenso verweigert wie die Ausfolgung von Kopien der Abrechnungen und Belege.

Der Antragsgegner bestritt das Begehren und brachte vor, die Betriebskostenabrechnung 2008 sei ordnungsgemäß und gesetzeskonform durch Hausanschlag am 30. 4. 2009 gelegt worden. Ort und Zeitraum der Auflage seien durch ein Rundschreiben an alle Mieter im Dezember 2008 rechtzeitig bekannt gemacht worden. Der Anschlag der Abrechnung sei am schwarzen Brett des Hauses, sohin einer üblichen Stelle, erfolgt. Die Mieter seien auch darauf hingewiesen worden, dass die Möglichkeit der Einsichtnahme und Überprüfung der Originalbelege in der Kanzlei des Hausverwalters bestehe. Die Einsichtnahme in die Betriebskostenabrechnung 2008 sei aus Gründen, die bei den Antragstellerinnen gelegen seien, gescheitert. Danach habe der Hausverwalter entsprechende Vollmachten gefordert und einen neuen Termin zur Einsichtnahme angeboten. Die Antragstellerinnen hätten dieses Angebot jedoch nicht angenommen, sondern stattdessen die Schlichtungsstelle angerufen.

Das Erstgericht trug dem Antragsgegner unter Androhung einer Ordnungsstrafe auf, den Antragstellerinnen Einsicht in die Betriebskostenabrechnung 2008 und die der Abrechnung zu Grunde liegenden Belege zu gewähren sowie ihnen Kopien dieser Abrechnung und der entsprechenden Belege Zug um Zug gegen Kostenersatz auszufolgen. Das Mehrbegehren, dem Antragsgegner die Legung der Betriebskostenabrechnung 2008 an geeigneter Stelle des Hauses aufzutragen, wies das Erstgericht ab.

Ausgehend von den oben wiedergegebenen Feststellungen erachtete das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, dass der Antragsgegner seiner Verpflichtung zur Legung der Betriebskostenabrechnung durch Hausanschlag der Abrechnung am schwarzen Brett des Hauses entsprochen habe. Eine Mindestdauer für das Verbleiben der Abrechnung an diesem Ort nenne das Gesetz nicht.

Seiner Verpflichtung, Einsicht in die Abrechnung und die Belege zu gewähren und auf Kosten des Mieters Kopien der Abrechnungen und Belege herstellen zu lassen, sei der Antragsgegner aber nicht nachgekommen. Dies sei ein essenzieller Teil der Abrechnungsverpflichtung nach § 21 Abs 5 MRG, bei dessen Unterlassung § 20 Abs 4 MRG zur Anwendung komme.

Dem dagegen von den Antragstellerinnen erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Dem Rekurs des Antragsgegners gab es hingegen Folge, und änderte den angefochtenen Sachbeschluss des Erstgerichts dahin ab, dass das gesamte Antragsbegehren abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Antragsgegner seiner Verpflichtung zur Legung der Abrechnung durch Hausanschlag am 30. 4. 2009 nachgekommen sei. Im Gegensatz zu § 4 Abs 3 MG enthalte § 20 Abs 3 MRG keine Bestimmung darüber, wie lange die Betriebskostenabrechnung im Haus aufzulegen sei oder dass die Mieter von der Auflage rechtzeitig zu verständigen wären. Wenn in zweitinstanzlicher Rechtsprechung von einer solchen Verständigungspflicht ausgegangen wurde, habe sich dies zunächst auf § 4 Abs 3 MG bezogen (MietSlg 31.500). Nach Inkrafttreten des MRG sei diese Ansicht trotz geänderter gesetzlicher Grundlage unreflektiert übernommen worden (MietSlg 37.360; 38.381; 38.389; 40.382 ua). Dem schließe sich das Rekursgericht in Anbetracht der geänderten Gesetzeslage nicht an. Möge eine Verständigung erforderlich sein, wenn Mietern der Ort der Auflage der Betriebskostenabrechnung nicht erkennbar sei, so sei sie jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Betriebskostenabrechnung für jedermann ersichtlich am schwarzen Brett des Hauses angeschlagen werde. Es wäre ein sinnloser Formalismus, eine Verständigung, die auch im Wege des Anschlags am schwarzen Brett erfolgen könne, darüber zu fordern, dass ebenfalls am schwarzen Brett die Betriebskostenabrechnung angeschlagen werde. Es komme daher auf den Inhalt des Rundschreibens über die Ankündigung der Betriebskostenabrechnung ebensowenig an, wie darauf, ob die Antragstellerinnen dieses Schreiben erhalten hätten, weil es einer derartigen Vorankündigung gar nicht bedurfte.

Das Gesetz normiere auch keine Mindestzeit, in der die Abrechnung am schwarzen Brett verbleiben müsse. Belasse daher der Vermieter die Betriebskostenabrechnung im Haus ohne zeitliche Begrenzung, könne ihm eine allfällige Entfernung der Abrechnung durch einen Dritten nicht zugerechnet werden, würde dies doch auf eine aus dem Gesetz nicht abzuleitende Kontrollpflicht des Vermieters hinauslaufen. Ob die nach den Feststellungen ordnungsgemäß ausgehängte Betriebskostenabrechnung von den Mietern auch wahrgenommen wurde, sei nicht maßgeblich.

Das Rekursgericht teilte allerdings die Rechtsansicht des Erstgerichts nicht, dass das Scheitern des Versuchs einer das Vertretungsverhältnis nicht nachweisenden Person am 9. 7. 2009 Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu erlangen, zu Lasten des Antragsgegners gehe. Die maßgeblichen Feststellungen, insbesondere, dass der Hausverwalter einen neuen Termin vorgeschlagen, die Antragstellerinnen ihn aber nicht wahrgenommen hätten, ließen auf keine Pflichtverletzung des Hausverwalters schließen.

Im Weiteren vertrat das Rekursgericht die Ansicht, dass im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht worden sei, die Antragstellerinnen hätten die Herstellung von Kopien der Abrechnung und der Belege verlangt, diese sei ihnen jedoch verweigert worden.

Es sei daher das gesamte Begehren der Antragstellerinnen abzuweisen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und der Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob die Anbringung einer Betriebskostenabrechnung am schwarzen Brett eines Hauses ohne vorangehende Ankündigung den gesetzlichen Anforderungen entspreche und dies auch dann der Fall sei, wenn die Betriebskostenabrechnung von einem Dritten vor dem Ablauf von drei Tagen entfernt werde.

Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung ihres Antrags.

Der Antragsgegner beantragte den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist aus den vom Rekursgericht bezeichneten Gründen zulässig. Er ist auch teilweise berechtigt.

Nicht berechtigt ist der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen allerdings im Umfang des Begehrens auf Legung der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2008 und auf Einsichtgewährung in die Abrechnung samt den ihr zu Grunde liegenden Belegen. Zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) hat das Rekursgericht seine Entscheidung auf die Bestimmung des § 21 Abs 3 MRG gestützt, wonach - zum Unterschied von § 4 Abs 3 MG - weder eine vorherige Information der Mieter von der bevorstehenden Legung der Abrechnung noch eine Mindestfrist für den Verbleib einer Betriebskostenabrechnung Voraussetzung für die Bewirkung einer Abrechnung ist. Soweit der Revisionsrekurs mit einer gesetzlichen Anforderung an eine hinreichende Konkretisierung des Orts, des Zeitpunkts und der Dauer der Abrechnung argumentiert, ist dem der Wortlaut des § 21 Abs 3 MRG entgegenzuhalten, dem solche Voraussetzungen für die Ordnungsgemäßheit einer Betriebskostenabrechnung gerade nicht zu entnehmen sind.

Ob eine Information der Mieter über Ort und Zeit der Auflage dann geboten ist, wenn sie nicht an einem für alle zugänglichen, deutlich sichtbaren Ort erfolgt, muss hier ebensowenig geklärt werden wie die Frage, was bei Information des Vermieters (bzw des Verwalters) über die Entfernung des Hausanschlags durch Dritte zu geschehen hat.

Mögen auch die im Revisionsrekurs angestellten Erwägungen zur Sicherung der Kenntnisnahme der Mieter und zur Sicherung des Verbleibs des Hausanschlags einem nachvollziehbaren Interesse dienen und möglichen, hier aber nicht nachgewiesenen Missbräuchen abhelfen, sind sie doch durch gesetzliche Anordnungen nicht gedeckt. Weder ist die Übersendung der Abrechnung an jeden einzelnen Mieter vorgesehen, noch eine Kontrollpflicht des Vermieters über Dauer des Aushangs noch die Anbringung eines Glaskastens statt eines schwarzen Bretts.

Zu Recht hat daher das Rekursgericht bei der gegebenen Sachlage den Antrag auf Legung der Betriebskostenabrechnung abgewiesen.

Was die angeblich unbegründete Verweigerung des Verwalters betrifft, der Vertreterin der Antragstellerinnen Einsicht in die Abrechnung und Belege zu gewähren, geht die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, stehen doch vergebliche Bemühungen der Antragstellerinnen nach dem 9. 7. 2009 um eine neuerliche Terminvereinbarung nicht fest. Auch in diesem Umfang war daher die Entscheidung des Rekursgerichts zu bestätigen.

Zu Recht rügt der Revisionsrekurs allerdings eine dem Rekursgericht unterlaufene unrichtige Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerinnen im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht hätten, ihnen sei die Herstellung von Kopien der Abrechnung und der Belege trotz Bereitschaft zum Kostenersatz verweigert worden. Tatsächlich wurde, worauf der Revisionsrekurs hinweist, ein solches Vorbringen schon im verfahrenseinleitenden Schriftsatz erstattet.

Dem erstinstanzlichen Sachbeschluss fehlen Feststellungen über diesen behaupteten Sachverhalt, sodass eine Klärung der Frage, ob dem Verwalter diesbezüglich noch ein Auftrag zu erteilen ist, derzeit nicht möglich ist. Nach § 21 Abs 3 MRG sind über Verlangen eines Hauptmieters von der Abrechnung und (oder) den Belegen auf seine Kosten Abschriften (Ablichtungen, weitere Ausdrucke) anfertigen zu lassen. Diese zur Abrechnungsverpflichtung hinzutretende Verpflichtung des Vermieters ist ebenfalls durch § 21 Abs 3 MRG gedeckt und im Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 11 MRG durchzusetzen (vgl RIS-Justiz RS0062227).

Eine Aufhebung in diesem Umfang erweist sich damit als unumgänglich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG.

Leitsätze

  • Recht auf Einsicht in die Betriebskostenabrechnung

    Nach § 21 Abs 3 MRG sind über Verlangen eines Hauptmieters von der Abrechnung und den Belegen auf seine Kosten Abschriften anfertigen zu lassen.
    Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 92/11g | OGH vom 26.05.2011 | Dokument-ID: 301619