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Dokument-ID: 1046223

Judikatur | Entscheidung

7 Ob 111/19b; OGH; 28. August 2019

GZ: 7 Ob 111/19b | Gericht: OGH vom 28.08.2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Robert Hofbauer, Rechtsanwalt in Wiener Neudorf, gegen die beklagte Partei Z***** K*****, vertreten durch Mag. Peter Petz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 7. Mai 2019, GZ 19 R 22/19z-42, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beklagte vertritt den Standpunkt, dass die Klägerin die in Anspruch genommenen Kündigungsgründe infolge – angeblich grob fahrlässig oder vorsätzlich – unrichtig gewählter Zustellanschrift der Beklagten und deshalb erst monatelang später erfolgreicher Zustellung der Kündigung nicht „ohne unnötigen Aufschub“ geltend gemacht habe. Dieser – selbstständige und bislang nicht erhobene – Einwand ist eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung. Die Behauptung einer von der Klägerin schuldhaft unrichtig gewählten Zustellanschrift der Beklagten ist überdies nicht durch erstgerichtliche Feststellungen gedeckt. Schließlich muss der von der Beklagten in Anspruch genommene Grundsatz, dass Auflösungs- und Kündigungsgründe ohne unnötigen Aufschub geltend zu machen sind (RS0014427), unter dem Blickwinkel eines nachträglichen schlüssigen Verzichts auf den Auflösungs- oder Kündigungsgrund geprüft werden (jüngst 5 Ob 8/19s mwN) und für einen solchen Verzicht der Klägerin fehlen jegliche Anhaltspunkte.

2. Die Ansicht der Beklagten, dass Nachteile, die sich (nur) auf allgemeine Teile des Hauses auswirkten, den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG nicht verwirklichen könnten, geht von einem unzutreffenden Verständnis dieses Kündigungsgrundes aus. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand iSd § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG liegt nämlich vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RS0020981, RS0067832, RS0068076, RS0102020), oder wenn durch das nachteilige Verhalten des Mieters wichtige wirtschaftliche oder persönliche Interessen des Vermieters oder anderer Mieter gefährdet werden (RS0020940, RS0021031, RS0070348). Ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, deren rechtliche Würdigung vom Obersten Gerichtshof nur im Fall einer im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierenden Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses zu überprüfen ist (RS0113693 [T4]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das Entsorgen von Speiseresten im Restmüll, wodurch massive Geruchsbelästigungen auftraten, und das Fortsetzen dieses Verhaltens trotz Aufforderung durch die Vermieterin, es zu unterlassen, das Verbinden von durch einen Installateur unterbrochener Rohre und die Wiederinbetriebnahme einer Wasserentnahmestelle trotz ausdrücklichen Hinweises, diese nicht zu verwenden, wodurch weiter Wasser austrat, das Benutzen von Abstellplätzen anderer Mieter, wodurch es laufend zu Beschwerden kam, das Unterlassen der vertraglich vereinbarten Wartung der Lüftung und Therme während der gesamten Bestanddauer und die Weigerung, einen Hauptüberprüfungstermin und eine Befundung durch den Rauchfangkehrer vornehmen zu lassen, einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Mietgegenstands begründet, hält sich im Rahmen vorliegender Rechtsprechung (zur Verschmutzung und Beschädigung allgemeiner Teile vgl etwa 10 Ob 26/15v; zum sorglosen Umgang mit Wasser vgl RS0070359).

3. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass die Beklagte das – ohne nachvollziehbaren Anlass – erfolgte aggressive Auftreten ihres Ehemanns, nach dem Mitarbeiter der Klägerin nicht mehr allein das Bestandobjekt betraten, als unleidliches Verhalten iSd § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG zu vertreten hat, hält sich ebenfalls im Rahmen der dafür maßgeblichen Judikaturgrundsätze (vgl etwa die Nachweise in RS0070303). Einer näheren Erforschung des im Haus üblichen Umgangstons bedarf es dazu nicht.

4. Auch in Bezug auf die Zukunftsprognose für das Verhalten der Beklagten (und ihres Gatten) liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung vor. Verhaltensänderungen nach Einbringung der Aufkündigung haben nur dann Einfluss auf deren Schicksal, wenn der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist (RS0070340; RS0067519 [T3]; RS0067534). Ein bloß mehrere Monate unauffälliges Verhalten des Mieters zwingt allein – entgegen der Ansicht der Beklagten – noch nicht zu einer positiven Zukunftsprognose.

5. Die Beklagte macht daher insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision somit nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Leitsätze

  • Zur Mietkündigung nach erheblich nachteiligem Gebrauch von Allgemeinflächen

    Der nachteilige Gebrauch sowie unleidliches Verhalten der Mieter, wie sie in § 30 Abs 2 Z 3 Fall 1 und 2 MRG 2002 demonstrativ angeführt sind, stellen Kündigungsgründe im Sinne des MRG dar. Auch nachteilige Handlungen, die allgemeine Teile des Hauses betreffen, können tatbestandsmäßig sein.
    Daniela Kostal | Judikatur | Leitsatz | 7 Ob 111/19b | OGH vom 28.08.2019 | Dokument-ID: 1046212