Dokument-ID: 904656

Judikatur | Entscheidung

7 Ob 219/16f; OGH; 25. Jänner 2017

GZ: 7 Ob 219/16f | Gericht: OGH vom 25.01.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** A*****, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei S***** & Co KG, *****, vertreten durch Dr. Ralph Vetter und Dr. Andreas Fritsch, Rechtsanwälte in Lustenau, und die Nebenintervenientin A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Übergabe, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 6. Oktober 2016, GZ 2 R 261/16x-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Für die Wirksamkeit der Befristung ist auf die im Zeitpunkt der Befristungsvereinbarung geltende Rechtslage abzustellen (2 Ob 196/11d; vgl RIS-Justiz RS0106017; RS0111549), hier sohin (zu Recht unstrittig) auf die Bestimmungen des Mietengesetzes (MG).

1.1 Nach § 1 Abs 1 MG waren dessen Bestimmungen unter anderem auf die Miete von Geschäftsräumlichkeiten aller Art anzuwenden. Wurde einem Mieter eine Grundfläche zur Benützung für geschäftliche Zwecke in Bestand gegeben, so handelte es sich um Geschäftsräume iSd § 1 Abs 1 MG, wobei es gleich war, ob der Mieter das Grundstück unmittelbar im Rahmen seines Betriebs etwa als Lagerplatz benützt oder ob er darauf – wie hier – eine Baulichkeit errichtet, um sich in dieser geschäftlich zu betätigen (RIS-Justiz RS0066855).

1.2 Nach § 1 Abs 2 Z 1 MG waren vom Anwendungsbereich Räume ausgenommen, die nach der Wirksamkeit dieses Gesetzes (das ist der 23.12.1922) durch Umbauten, Auf-, Ein- oder Zubauten neu geschaffen wurden. Nach dem durch das MRÄG BGBl 1967/281 eingeführten § 1 Abs 3 Z 1 MG galten unbeschadet der Vorschrift des Abs 2 die Kündigungsbeschränkungen (§§ 19–23 MG) auch für Räume der in Abs 2 Z 1 bezeichneten Art, es sei denn, dass diese Räume erst nach dem 31.12.1967 durch Neu-, Um-, Auf-, Ein- oder Zubau ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel neu geschaffen wurden. Nach § 23 Abs 2 MG waren Befristungsvereinbarungen in Verträgen über Wohn- und Geschäftsräume auf bestimmte, ein halbes Jahr nicht übersteigende Dauer wirksam (5 Ob 184/10k).

2. Nach ständiger Rechtsprechung besteht für zivilgerichtliche Erkenntnisse kein Rückwirkungsverbot. Änderungen der Judikatur erfassen auch davor verwirklichte Sachverhalte (RIS-Justiz RS0109026). Das Vorgehen des Berufungsgerichts, seiner Entscheidung die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zugrunde zu legen, ist daher nicht zu beanstanden.

In seiner Entscheidung 3 Ob 560/94, der ein vergleichbarer Sachverhalt (Anmietung einer Grundfläche zur Errichtung eines Gebäudes durch den Mieter) zugrunde lag, nahm der Oberste Gerichtshof zu § 1 Abs 2 Z 1 MG und dem dieser Bestimmung nachgebildeten § 1 Abs 3 Z 1 MG dahin Stellung, dass diesen angeführten Bestimmungen gemeinsam sei, dass darin nur davon die Rede sei, der Mietgegenstand müsse neu geschaffen worden sein, ohne dass daraus hervorgehe, dass dies vom Vermieter oder zumindest mit dessen Mitteln geschehen müsse. § 1 Abs 3 Z 1 MG enthalte als einzige Einschränkung nur, dass nicht öffentliche Mittel für die Errichtung des Mietgegenstands zur Hilfe genommen worden sein dürfen. Eine weitere Beschränkung bezüglich der verwendeten Mittel sei dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Ferner sei anerkannt und durch die Gesetzesmaterialien auch belegt, dass all diese Bestimmungen den Zweck verfolgen, im Interesse der Linderung der Raumnot die Bautätigkeit zur Schaffung neuer Wohn- und Geschäftsräume durch Befreiung dieser Räume von der Beschränkung des Mietengesetzes und nunmehr des Mietrechtsgesetzes anzuregen. Unter diesem Gesichtspunkt sei es gleichgültig, ob die für die Errichtung des Mietgegenstands verwendeten Mittel vom Vermieter oder Mieter stammen würden, weil der angeführte Zweck auch dann erreicht sei, wenn der Mieter die Mittel zur Verfügung stelle. Diese Rechtsprechung wurde in der Entscheidung 10 Ob 52/14s im Wesentlichen fortgeschrieben.

3. Vor diesem Hintergrund findet nicht nur die Rechtsansicht der Vorinstanzen, der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MG greife auch dann ein, wenn ein Mieter einer Grundstücksfläche darauf ein Superädifikat zu geschäftlichen Zwecken auf eigene Kosten errichte, Deckung in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, sondern auch die Schlussfolgerung, dass das mit 01.03.1981 begründete Mietverhältnis gemäß § 1 Abs 2 Z 1 MG iVm § 1 Abs 3 Z 1 MG zur Gänze vom Anwendungsbereich des Mietengesetzes und somit auch von der Befristungsbeschränkung des § 23 Abs 2 MG ausgenommen sei.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Leitsätze

  • Zum Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 2 Z 1 MG bei Neuschaffung durch den Mieter

    Das Mietengesetz 1922 kommt immer noch auf solche Sachverhalte zur Anwendung, bei denen zur Beurteilung der Rechtslage jene Bestimmungen maßgeblich sind, die zum Zeitpunkt einer Vereinbarung gültig waren. Für die Ausnahmetatbestände des § 1 Abs 2 Z 1 MG, ebenso wie die Kündigungsbeschränkungen in § 1 Abs 3 MG spielt es keine Rolle, ob die Mittel für die Errichtung des Mietgegenstandes vom Vermieter oder Mieter stammen, solange es sich nicht um öffentliche Mittel handelt.
    WEKA (api) | Judikatur | Leitsatz | 7 Ob 219/16f | OGH vom 25.01.2017 | Dokument-ID: 904655