Dokument-ID: 832483

Judikatur | Entscheidung

7 Ob 35/16x; OGH; 26. März 2016

GZ: 7 Ob 35/16x | Gericht: OGH vom 26.03.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Hans Wagner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 9. Dezember 2015, GZ 39 R 367/15g-26, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Beklagte wurde rechtskräftig der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt, der Sachbeschädigung, der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) am Geschäftsführer der Klägerin und der versuchten Körperverletzung (§ 83 Abs 1 iVm § 15 StGB) an der Geschäftsführerin und am Rechtsvertreter der Klägerin schuldig erkannt. Davon ausgehend erachteten die Vorinstanzen die Aufkündigung des von der Klägerin mit dem Beklagten geschlossenen Mietvertrags über eine Wohnung im Haus der Klägerin für rechtswirksam, weil der Beklagte den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall (strafbare Handlung gegen den Vermieter oder Mitbewohner) MRG verwirklicht habe.

1. Eine strafbare Handlung ist, auch wenn sie kein Verbrechen darstellt, grundsätzlich ein Kündigungsgrund (RIS-Justiz RS0067676, RS0067682 [T1, T4]). Der Kündigungsgrund der strafbaren Handlung wird bereits durch die strafbare Handlung an sich verwirklicht (RIS-Justiz RS0070257 [T2]). Es darf sich allerdings nicht um nach den Umständen geringfügige Fälle handeln (RIS-Justiz RS0067676 [T5]).

2. Von dem im Gesetz verwendeten Begriff „Mitbewohner“ ist nicht nur der nicht im Haus wohnende Hauseigentümer erfasst, sondern auch dessen Verwalter oder Angehörige in Verwaltungsfunktionen. Dies gilt auch für die mit der Überwachung von Renovierungsarbeiten im Haus vom Hauseigentümer beauftragte Person (RIS-Justiz RS0070251). Beide Begriffe („Mitbewohner“ bzw „im Haus wohnende Person“) werden von der Rechtsprechung sehr weit ausgelegt (RIS-Justiz RS0070251 [T3]; 3 Ob 219/12w, 1 Ob 277/06a). Mit dieser Rechtsprechung steht im Einklang, dass das Berufungsgericht auch die Geschäftsführer der Vermieterin als vom geschützten Personenkreis umfasst ansieht, wenn diese Opfer der strafbaren Handlung geworden sind.

3. Ob die Voraussetzung einer Geringfügigkeit vorliegt, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, von einem geringfügigen Fehlverhalten könne keine Rede sein, wenn der Beklagte während einer mündlichen Streitverhandlung mit Sesseln auf die Geschäftsführer der Klägerin losgehe, einen der Sessel mit derartiger Wucht gegen sie schleudere, dass dieser – die Geschäftsführer verfehlend – den Zeugentisch zerschlage und aufgrund der Attacke des Beklagten der Geschäftsführer eine Prellung des Handgelenks und der Hüfte erleide, ist nicht korrekturbedürftig.

4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Leitsätze

  • „Sessel-Attacke“ auf die Geschäftsführer der Vermieterin als Kündigungsgrund?

    Die strafbare Handlung an sich verwirklicht den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 dritter Fall MRG. Eine „Sessel-Attacke“ auf die Geschäftsführer der Vermieterin während einer mündlichen Streitverhandlung, die Verletzungen eines Geschäftsführers nach sich zieht, ist den Umständen nach nicht als geringfügig einzustufen. Eine Aufkündigung des Mietvertrages auf dieser Grundlage ist rechtswirksam.
    WEKA (vpa) | Judikatur | Leitsatz | 7 Ob 35/16x | OGH vom 26.03.2016 | Dokument-ID: 832482