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Dokument-ID: 1001283

Roman Reßler | News | 12.07.2018

Emissionen durch Bäume und Pflanzen

Gastautor Mag. Roman Reßler präsentiert eine aktuelle OGH-Entscheidung zur Frage, ob eine ungewöhnlich hohe Fichtenhecke des Nachbarn eine unzumutbare Beeinträchtigung darstellt oder vom zugezogenen Nachbarn als gegeben hingenommen werden muss.

Ein Grundstückseigentümer kann einem Nachbarn, die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht oder Luft insoweit untersagen, als diese das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstückes führen. Bundes- und landesgesetzliche Regelungen über den Schutz von oder vor Bäumen und anderen Pflanzen bleiben im Wesentlichen unberührt (§ 364 Abs 3 ABGB). Auch wenn man beim Erwerb eines Grundstückes sehen konnte, dass daneben hohe Bäume wachsen, muss man massiven Schattenwurf nicht akzeptieren.

Durch das Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 (BGBl I, 91/2003) wurden die im ABGB geregelten Emissionsbestimmungen insoweit erweitert, dass auch Nachbarn ein Recht auf Licht eingeräumt bekommen haben und dieses Recht auch klagsweise durchzusetzen berechtigt sind. Mittlerweile ist eine Reihe höchstgerichtlicher Entscheidungen in Bezug auf negative Emissionen durch Bäume und Pflanzen ergangen. Neu hingegen ist der Umstand, dass sich die beeinträchtigte Partei nicht uneingeschränkt mit jenen örtlichen Verhältnissen abzufinden hat, die sie beim Erwerb des Grundstückes vorgefunden hat.

Aktuelle Entscheidung des OGH

Der Entscheidung des OGH vom 27.02.2018, 9 Ob 84/17v lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Im gegenständlichen Verfahren steht am Grundstück der beklagten Partei auf einer Länge von 37 Metern eine Fichtenhecke, welche sich unmittelbar an der Grenze zur klägerischen Partei (des Nachbarn) befindet. Unmittelbar neben der Hecke befindet sich auf der Seite des Nachbarn (klägerische Partei) zunächst eine ca 5 Meter breite Rasenfläche, an die das in Nord-Südrichtung gebaute Reihenhaus der klägerischen Partei anschließt. Die Wohnungen im Reihenhaus sind zur Vermietung bestimmt. Die Fichtenhecke hat eine Höhe von ca 12 bis 15 Meter und besteht aus 70 Bäumen und ist durch Wildwuchs geprägt. Diese sind in einem Abstand von nur 50 cm gepflanzt worden. Die Grundstücke liegen in einem Wohngebiet mit zumeist Einzelhäusern, wobei diese nicht annähernd über eine Fichtenhecke dieser Größe verfügen. Die beklagte Partei pflanzte die Fichten im Jahre 1991. Der Kläger erwarb 2010 sein Grundstück und errichtete darauf sodann das Reihenhaus.

Unzumutbare Beeinträchtigung durch Entzug von Licht?

Im erstinstanzlichen Verfahren begehrte der Kläger die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die von den an der Grundstücksgrenze gepflanzten Bäumen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht zu unterlassen. Er begründete sein Klagsbegehren damit, dass die Bepflanzung ortsunüblich sei und der Schattenwurf zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung durch Entzug von Licht führe.

Der Eigentümer der Fichtenhecke (die beklagte Partei) beantragte die Abweisung der Klage.

Drohende Gefahr durch ungewöhnlich hohe Fichtenhecke?

Im weiteren Verfahren dehnte der Kläger sein Klagsbegehren dahingehend aus, dass die beklagte Partei auch schuldig erkannt werden sollte, den gefährlichen Zustand des Baumbestandes an der Grundstücksgrenze dadurch zu beseitigen, dass diese Bäume auf eine Höhe von 1 Meter zurückgeschnitten werden.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei dazu, die von den gepflanzten Bäumen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht und die von ihnen unmittelbar drohende Gefahr des Herabstürzens von Wipfel und Ästen zu unterlassen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Es ließ jedoch die ordentliche Revision an den OGH zu, da nicht auszuschließen sei, dass trotz Erkennbarkeit der Beeinträchtigung (Beschattung) der Liegenschaft durch die Fichtenhecke sich die klägerische Partei mit diesem Zustand abzufinden hätte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhob die beeinträchtigte Partei als Klägerin den ordentlichen Revisionsrekurs, in dem sie eine vollinhaltliche Klagstattgebung im Sinne der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils anstrebte.

Wie hat der OGH entschieden?

In seiner rechtlichen Begründung führte das Höchstgericht aus, dass gemäß § 364 Abs 3 ABGB eine wesentliche Beeinträchtigung unzumutbar sein muss. Je näher die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger wird die Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Darüber hinaus sind das Ausmaß und die Lage der durch Lichteinfall beeinträchtigten Fläche zu berücksichtigen. Dabei ist zu hinterfragen, welche konkrete Nutzungsmöglichkeit für den Kläger eingeschränkt oder unmöglich gemacht wird. Ist nur eine verhältnismäßig geringfügige Fläche der Nachbarliegenschaft überhaupt beeinträchtigt, wird diese Beeinträchtigung im Regelfall unabhängig von ihrer Dauer nicht unzumutbar sein. Unzumutbarkeit ist im Einzelfall umso eher verwirklicht, als zeitlich und räumlich überwiegend (über 50 %) kein (Sonnen-, Tages-) Licht in Wohnräumen und/oder im Garten einfallen kann.

Der Umstand, dass ein bestimmter Zustand bereits seit längerer Zeit besteht, schließt zwar die Anwendung des § 364 Abs 3 ABGB nicht aus, er ist aber im Rahmen der nach dieser Bestimmung vorzunehmenden Interessensabwägung zu berücksichtigen. Ein zugezogener Nachbar muss sich nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich mit den beim Erwerb seines Grundstückes vorgefundenen örtlichen Verhältnissen abfinden (§ 364 Abs 2 ABGB). Dabei ist aber nicht subjektiv auf den Kenntnisstand des Käufers, sondern auf Erkennbarkeit abzustellen.

Wenn die Bäume am Nachbargrundstück im Zeitpunkt des Erwerbes zwar noch klein sind, aber erkennbar ist, dass sie in Zukunft eine erhebliche Größe erreichen können bzw mit einem zukünftigen unbegrenzten Wildwuchs der Bäume zu rechnen ist, ist dies bei der Unzumutbarkeitsprüfung zu berücksichtigen (8 Ob 59/15 g).

Ein entscheidendes Gewicht kommt dem Umstand zu, dass in einer Wohngegend völlig untypisch eine Fichtenhecke mit einer immensen Höhe von 12 bis 15 Meter steht, die das zu Wohnzwecken dienende Nachbargrundstück jedenfalls beträchtlich beschattet. Bei einer Hecke wie hier liegen nach Ansicht des OGH massive Beeinträchtigungen der Benutzbarkeit der nachbarlichen Liegenschaft durch Lichtentzug auf der Hand, weshalb der Unterlassungsklage aufgrund des unstrittigen Sachverhaltes statt zu geben war.

Fazit

Grundsätzlich hat sich ein zugezogener Nachbar mit jenen örtlichen Verhältnissen abzufinden, die er beim Erwerb des Grundstückes vorgefunden hat. Wenn jedoch Fichtenbäume eng aneinander gepflanzt wurden und weil ein derartiger Bewuchs unweigerlich zum Absterben von Bäumen führen muss, musste der Kläger keinesfalls damit rechnen, dass die beklagte Partei auch weiterhin jegliche Pflege der Fichtenhecke unterlassen werde, so dass ein Endzustand vorliege. Der OGH entschied somit, dass die Hecke gekürzt werden musste und gab der beklagten Partei 6 Monate Zeit, um die 70 Fichtenbäume zurecht zu schneiden.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.