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Dokument-ID: 514903

Roman Reßler | News | 14.01.2013

Mangelhafter Winterdienst des Hausbesorgers – Haftung der Eigentümergemeinschaft?

Gastautor Mag. Reßler erläutert in seinem Beitrag, ob eine Haftung der Eigentümergemeinschaft für Personenschäden von Patienten einer Mieterin aufgrund mangelhaften Winterdienstes eines vom Verwalter angestellten Hausbesorgerehepaares vorliegt.

Rechtsgrundlagen:

§§ 1313a, 1315, 1319 ABGB, § 18 Abs 2 Z 1 WEG, § 93 Abs 1 StVO

OGH vom 9.8.2012, 5 Ob76/12f

Sachverhalt:

Die Klägerin ist Mieterin der im Wohnungseigentum befindlichen Wohnung Top 3, in der sie eine Arztpraxis betreibt. Die beklagte Eigentümergemeinschaft bestellte eine GmbH als Verwalterin, welche die Schneeräumung und Streuung an ein angestelltes Hausbesorgerehepaar übertrug. Zu diesem Zwecke wurden Material, Pflug, Schneeschleuder sowie Streuwagen zur Verfügung gestellt.

Am 04.02.2004 um ca 8:40 Uhr ging eine Patientin der Klägerin die Zufahrtsrampe zur Wohnanlage hinunter, um die Klägerin in der Ordination aufzusuchen. Als sie die Zufahrtsrampe hinabging, fiel ihr auf, dass sich eine große Eisfläche am Fuß der Zufahrtsrampe gebildet hatte und machte diesbezüglich die ihr entgegenkommende Hausbesorgerin aufmerksam. Trotz dieses Hinweises unternahm diese jedoch keine Streu- oder Räumarbeiten, um die Gefahrenstelle zu entschärfen. Gegen 9:15 Uhr fuhr die Klägerin mit dem Auto über die Zufahrtsrampe auf den Parkplatz zu. Als die Klägerin über den vereisten Bereich ging, rutschte sie mit dem rechten Fuß auf der Eisplatte aus, stürzte auf die rechte Hüfte und konnte sich nicht mehr erheben, wobei sie Verletzungen erlitt.

Im erstinstanzlichen Verfahren begehrte die Klägerin als mietende Ärztin 91.420,04 EUR an Verdienstentgang und Schmerzensgeld sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch für künftige Schäden aus dem Vorfall vom 04.02.2004 hafte und begründete dies damit, dass sie wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten deliktisch bereits bei leichter Fahrlässigkeit für Schaden aus Handlungen oder Unterlassungen ihres Hausverwalters hafte. Das Erstgericht sprach aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach bestehe. Im konkreten Fall sei die Hausbesorgerin über die gefährliche Eisfläche informiert worden und trotzdem habe sie keine Maßnahmen getroffen. Dieses Verhalten sei der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft zuzurechnen, da die Hausbesorger Angestellten der Beklagten seien.

Die Klägerin treffe allerdings ein 50%iges Mitverschulden, da ihr bekannt gewesen ist, dass sich an der Unfallstelle Wasser sammle und es zu Vereisungen komme.

Nach Ansicht des Berufungsgerichtes haftet die Eigentümergemeinschaft für Delikte ihres Machthabers (Hausverwalters). Ohne besondere Vertragsbeziehung haftet die Eigentümergemeinschaft nur deliktisch für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Wegsicherungspflichten. Durch den Mietvertrag mit einem Wohnungseigentümer wird allerdings nicht eine vertragliche Beziehung eines Mieters mit den übrigen Wohnungseigentümern (Wohnungseigentümergemeinschaft) begründet. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes entspricht ständiger Judikatur, dass die juristische Person, also die Wohnungseigentümergemeinschaft, deliktisch nicht nur für ihre verfassungsmäßigen Organe hafte, sondern auch für alle Personen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten ausübten. Machthaber seien Personen, die eine leitende (gehobene) Stellung mit selbstständigem Entscheidungsspielraum Kontrollbefugnisse inne haben. Die Hausbesorger seien als Repräsentanten der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft anzusehen, letztere haften für deren Verschulden auch ohne die strengen Voraussetzungen des § 1315 ABGB wie für ihr eigenes Verschulden.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig wäre, weil die höchstgerichtliche Judikatur fehle, da die Eigentümergemeinschaft über die Haftung des Verwalters hinaus noch für weitere Repräsentanten hafte.

Rechtliche Beurteilung des OGH:

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 WEG wird die Eigentümergemeinschaft durch den Verwalter vertreten, der verpflichtet ist, alle Maßnahmen zur Erhaltung und Verwaltung zu erreichen. Zunächst hält der OGH fest, dass die Eigentümergemeinschaft ihren Mitgliedern und ihren Mietern nur deliktisch im Rahmen der ihr obliegenden Wegsicherungspflichten (1319a ABGB) hafte. Dies trifft im gegenständlichen Fall jedoch nicht zu, weil der Weg nicht zur allgemeinen Benutzung von jedermann benutzt werden kann. Auch eine Haftung nach § 93 Abs 1 StVO scheidet aus, weil diese Bestimmung nicht auf innerhalb einer Wohnanlage befindlichen Wege anzuwenden ist. Eine Haftung der Eigentümergemeinschaft für Handlungen und Unterlassungen des Verwalters ist nicht nur dann begründet, wenn er selbst eine Handlung oder Unterlassung, sondern auch dann, wenn die Schädigung durch Erfüllungsgehilfen oder gesetzliche Vertreter herbeigeführt wurde. In diesem Falle haftet die EG-Gemeinschaft für das Verschulden der Gehilfen wie für eigenes (§ 1313a ABGB). Damit setzte sich der OGH allerdings nicht auseinander, zumal sich die Klägerin nur auf die bloß deliktische Haftung im erstinstanzlichen Verfahren berufen hat und nur Mieterin ist. Auch eine Haftung der Eigentümergemeinschaft für ein bestimmtes Organisations- und Auswahlverschulden nach § 1315 ABGB kommt im gegenständlichen Fall nicht in Betracht, weil der Winterdienst nicht einer Fremdfirma übertragen worden ist. Außerdem hat der Winterdienst bis dato immer problemlos funktioniert. Juristische Personen haften, so das Höchstgericht, deliktisch nicht nur für ihre verfassungsmäßigen Organe, sondern auch für alle Personen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für diese ausüben. Repräsentant ist allerdings nicht, wer bloß eine untergeordnete Tätigkeit ausübt. Für dessen deliktisches Verhalten hat die juristische Person nur nach § 1315 ABGB einzustehen. Nachdem auch keine abweichend vom üblichen Inhalt eines Hausbesorgerdienstvertrages selbstständige oder eigenverantwortliche Tätigkeit vereinbart wurde, scheidet somit eine Repräsentantenhaftung aus.

Fazit:

Wenngleich vorliegende Entscheidung eine für die Klägerin unbefriedigende Lösung darstellt, so ist sie dennoch vertretbar, da sie die Grenzen der Haftungsproblematik genau aufzeigt. Eine Repräsentantenhaftung durch Hausbesorgertätigkeiten zu begründen ginge nämlich etwas zu weit.

Autor:

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.

www.zvhausbesitzer.at