Dokument-ID: 1012636

WEKA (api) | News | 14.11.2018

Nachträgliche WE-Begründung im Mischhaus trotz baulicher Veränderungen?

Die Umwandlung von Misch- in volle Wohnungseigentumshäuser kann durch eine Realteilung erfolgen, wobei die im schlichten Miteigentum stehenden Teile des Hauses an die Miteigentümer entsprechend ihres Anteils Wohnungseigentum einzuräumen ist.

Geschäftszahl

OGH 03. Oktober 2018, 5 Ob 110/18i

Norm

§ 3 WEG 2002

Leitsatz

Quintessenz:

Die sukzessive Umwandlung von Misch- in volle Wohnungseigentumshäuser kann durch eine Realteilung erfolgen, wobei die im schlichten Miteigentum stehenden Teile des Hauses an die Miteigentümer entsprechend ihres Anteils Wohnungseigentum einzuräumen ist. Wurden an diesen Teilen schon bauliche Veränderungen vorgenommen, die die Nutzwerte veränderten, steht dies einer Realteilung jedoch nicht im Wege, wenn eine andere Alternative unverhältnismäßig hohe Umbau- oder Teilungskosten verursachen würde.

OGH: Die Parteien des Verfahrens waren Miteigentümer einer Liegenschaft mitsamt Wohnhaus, wobei es sich dabei um ein Mischhaus handelte. Das bedeutet, dass es teilweise im Wohnungseigentum und teilweise im schlichten Miteigentum stand. Für jene Wohnungen, die nicht im Wohnungseigentum standen, wurden Miteigentümern oder Wohnungseigentümern durch Benutzungsregelungen ausschließliche Benützungsrechte eingeräumt. Die Kläger begehrten die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft und die Begründung von Wohnungseigentum nach dem Teilungsvorschlag. Die beklagten Parteien wendeten ein, dass dieser Vorschlag aufgrund späterer Umbauten überholt sei und dass dieser auch allgemeine Teile des Hauses betreffe, für die die Zustimmung aller benötigt würde.

Die Begründung von Wohnungseigentum ist eine Form der Realteilung, die Vorrang gegenüber einer Zivilteilung genießt. Ein Ziel des WEG 2002 war es, bestehende Mischhäuser sukzessive in „volle“ Wohnungseigentumshäuser zu verwandeln und die Entstehung neuer Mischhäuser zu verhindern. Bei einer Realteilung von Mischhäusern werden die im schlichten Miteigentum stehenden Anteile in Wohnungseigentum umgewandelt, wobei jedem Miteigentümer entsprechend seinem Anteil Wohnungseigentum einzuräumen ist. Wichtig ist dabei, dass ausreichend wohnungseigentumsfähige Objekte vorhanden sind oder ohne unverhältnismäßig großen Aufwand geschaffen werden könnten. Ist dies nicht der Fall, wäre eine Realteilung nur möglich, wenn Miteigentümer auf Wohnungseigentum verzichten oder zwei Miteigentümer eine Wohnungseigentumspartnerschaft gründen.

Besteht ein Teilungsvorschlag, der die Festsetzung eines Einzel- und Gesamtnutzwert vorsieht, hat das Gericht darüber zu verhandeln, wobei es nicht an den Vorschlag gebunden ist. Weicht es davon ab, ist die Klage nicht abzuweisen, sondern eine angemessene Teilung zu verfügen. Macht ein unverhältnismäßig hoher Wertausgleich eine Realteilung untunlich, ist eine solche nur bei Verzicht eines betroffenen Miteigentümers auf seine Ausgleichszahlung möglich.

Das Berufungsgericht lehnte die Realteilung ab, da der Ausspruch der Wohnungseigentumsbegründung auch in im Wohnungseigentum stehende Anteile eingegriffen hätte, was eine Neufestsetzung der Nutzwerte am Haus bedeutet hätte und es dafür eigene Verfahren geben würde. Der OGH führte dazu aus, dass die Beschränkung der Wohnungseigentumsbegründung auf die schlichten Miteigentumsanteile im Kontext des § 35 Abs 2 WEG 2002, dem gesetzlichen Teilungsverbot, zu sehen sei, was die Unzulässigkeit der Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft bei bestehendem Wohnungseigentum bedeutete. Diese Beschränkung gilt jedoch nur für die Zivilteilung, also die komplette Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft.

Bei der Begründung von neuem Wohnungseigentum müssen die damals festgelegten Nutzwerte nicht zwingend unverändert bleiben. Wichtig ist nur, dass die bisherigen Wohnungseigentümer ihr Miteigentumsrecht verbunden mit Wohnungseigentum nicht verlieren. Der Mindestanteil ist jener Miteigentumsanteil, der zum Erwerb von Wohnungseigentum an einem Wohnungseigentumsobjekt erforderlich ist. Es handelt sich dabei jedoch nur um eine Zahl, die das Verhältnis der Objekte zueinander wiedergibt. Kommt es zu einer Nutzwertneufestsetzung, also zu einer Änderung dieser Zahl, greift dies nicht in ein eingeräumtes dingliches Recht ein, über ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu verfügen. Es bedeutet somit keine Eigentumsveränderung und auch keine Änderung von Anteilsverhältnissen.

Der Nutzwert kann nachträglich geändert werden und zwar nicht nur in den gesetzlich geregelten Fällen des § 9 Abs 2 WEG 2002, sondern auch zB bei Widmungsänderungen oder bei Neuschaffung von Wohnungseigentumsobjekten. Die Begründung von Wohnungseigentum an Wohnungseigentumsobjekten in einem Mischhaus ist mit der Umwidmung allgemeiner Teile des Hauses auf Zubehör oder der Neuschaffung von Wohnungseigentumsobjekten als Grund für die Neufestsetzung der Nutzwerte vergleichbar.

Grundsätzlich ist die Nutzwertneufestsetzung dem wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren vorbehalten. Jedoch kann es auch zu einem streitigen Teilungsprozess in Form eines Rechtsgestaltungsurteils kommen, wenn Wohnungseigentum durch ein Teilungsurteil erstmalig begründet wird.

In casu gab es auch eine ausreichende Anzahl an Wohnungseigentumsobjekten, die alle auch wohnungseigentumstauglich waren. Das einzige was es zu klären gab, war der Umstand, ob bei der Beurteilung der Ist-Zustand mitsamt allen baulichen Veränderungen der einzelnen Wohnungen zu berücksichtigen war. An der Liegenschaft wurde 1998 teilweise Wohnungseigentum begründet und zu einem späteren Zeitpunkt bauliche Veränderungen, Einbau von Bad und WC oder Veränderung der Raumeinteilung, an im bloßen Miteigentum stehenden Objekten durchgeführt. An manchen Objekten kam es jedoch zur Integration von allgemeinen Flächen des Hauses. Für eine solche Beanspruchung allgemeiner Teile wäre die Zustimmung aller Mit- und Wohnungseigentümer von Nöten gewesen. Ob dies der Fall war, konnte nicht abschließend geklärt werden. Eine Eigenmächtigkeit würde jedoch die Realteilung nicht ausschließen, da die Einigkeit über die Art und Weise der Gestaltung einzelner Objekte keine Voraussetzung für die Realisierbarkeit einer Realteilung darstellt. Ist daher die Begründung von Wohnungseigentum nach dem Ist-Zustand eine vernünftige Lösung, da alles andere eine Realteilung mit unverhältnismäßig hohen Teilungs- und Umbaukosten nach sich ziehen würde, dann entspricht das dem Willen des Gesetzgebers nach der Beseitigung von Mischhäusern.

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