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Rechtskräftiger Auftrag zur Durchführung notwendiger Erhaltungsarbeiten
Gastautorin Frau Mag. Perchtold von der Mietervereinigung Österreichs erläutert in ihrem Beitrag die Besonderheiten des Zwangsverwalterverfahrens nach § 6 Abs 2 MRG und nimmt dabei Bezug auf eine neue richtungsweisende Entscheidung des OGH.
Gesetzliche Grundlagen:
Kommt der Vermieter dem Auftrag auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten gem § 3 MRG, unabhängig davon, ob dieser nach § 6 Abs 1 MRG über Antrag eines Mieters ergangen ist oder Teil einer Entscheidung über die endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse nach §§ 18, 19 MRG ist, nicht fristgerecht nach, so ist jeder Mieter des Hauses oder die Gemeinde zur Antragstellung nach § 6 Abs 2 MRG (Einleitung der Zwangsverwaltung) berechtigt. Hierbei handelt es sich um eine spezielle, mietrechtlich normierte Form eines Exekutionsverfahrens, welches sich wesentlich von jenem nach den Bestimmungen gemäß §§ 97 ff EO unterscheidet.
Besonderheiten der Zwangsverwaltung als mietrechtliches Exekutionsverfahren:
Während eine nach §§ 97 ff EO eingeleitete und bewilligte Zwangsverwaltung ein einseitiges Verfahren darstellt, folgt die besondere mietrechtliche Variante dem Zweiseitigkeitsprinzip. Nach höchstrichterlicher Judikatur bilden das Verfahren zur Erteilung eines Auftrages auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten und jenes zur Auftragsdurchsetzung eine Einheit. Die Entscheidung über die Zwangsverwaltung hat somit in einem fortgesetzten Titelverfahren durch Sachentscheidung zu ergehen, wobei der in einem kontradiktorischen Erkenntnisverfahren ermittelte Sachverhalt dieser Entscheidung zugrunde gelegt wird (vgl. 5 Ob 2241/96m, 5 Ob 11/09t). Im Gegensatz zu einem Verfahren nach der Exekutionsordnung ist in diesem Verfahren auch noch zu prüfen, ob die Arbeiten zwischenzeitig schon vorgenommen worden sind.
Primäres Ziel des Verfahrens zur Bestellung eines Zwangsverwalters gem § 6 Abs 2 MRG ist die Durchführung der aufgetragenen notwendigen Erhaltungsarbeiten. Dies lässt sich auch in den taxativ aufgezählten Einstellungsgründen gemäß § 6 Abs 3 MRG entnehmen.
Zuständigkeit – Rechtsprechung:
Eine einheitliche Rechtslinie hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit der Schlichtungsstellen oder Bezirksgerichte war jahrelang nicht vorhanden. Die eindeutige Zuständigkeit des Bezirksgerichtes, dem Gedanken eines fortgesetzten Titelverfahrens Rechnung tragend, lag lediglich dann vor, wenn die Titelentscheidung zur Durchführung der Erhaltungsarbeiten bereits vom Bezirksgericht stammte. Während ein Teil der Lehre und die ältere Judikatur eine Zuständigkeit der Schlichtungsstelle dann als gegeben erachtete, wenn der Auftrag selbst von der Schlichtungsstelle stammte, wird seit dem Judikat des Landesgerichtes für ZRS vom 15.06.1993 zur GZ 41 R 295, 296/93 die Auffassung vertreten, dass für das Verfahren gemäß § 6 Abs 2 MRG eine ausschließliche Gerichtszuständigkeit gegeben ist. Damit sollte eine umfassende Entscheidungskompetenz des Außerstreitrichters für sämtliche im Zusammenhang mit der Zwangsverwaltung auftretenden Fragen bewirkt werden.
Im Beschluss des LGZ Wien zur GZ 39 R 21/08i wurde sogar ausgesprochen, dass eine von der Schlichtungsstelle stammende Entscheidung gemäß § 6 Abs 2 MRG einen absolut nichtigen Rechtsakt darstellen würde.
Die Rechtsauffassung, dass es sich bei einer rechtskräftig erfolgten Zwangsverwalterbestellung durch die Schlichtungsstelle um einen absolut nichtigen Rechtsakt handelt, wurde vom Obersten Gerichtshof mit der Entscheidung vom 10.02.2009 zur GZ 5 Ob 220/08a zwar richtigerweise abgelehnt, jedoch unterließ er es, eine ausdrückliche Zuständigkeit der Schlichtungsstelle zu bejahen.
In Wien haben in der letzten Zeit sowohl die Schlichtungsstelle als auch teilweise die Erstgerichte die Zuständigkeit abgelehnt und wurden etliche Vollstreckungsanträge zurückgewiesen. Dies führte zu einer großen Rechtsunsicherheit und extremen Verfahrensverzögerungen, obwohl die Vornahme der festgestellten Erhaltungsarbeiten immer dringlich erforderlich war. Weiters kam es aufgrund der Unterlassung der notwendigen Maßnahmen in vielen Fällen sukzessive auch zu einer Verschlechterung der Bausubstanz und zu wesentlichen Beeinträchtigungen der Mietrechte.
Der OGH hat nunmehr diese Rechtsunsicherheit beendet und mit der richtungsweisenden Entscheidung 5 Ob 48/11m eindeutig klar gestellt, dass über den Exekutionsantrag gemäß § 6 Abs 2 MRG ausschließlich und immer das Bezirksgericht zu entscheiden hat.
Rechtlich begründet wurde dies dahingehend, dass der Gesetzgeber in § 6 Abs 1 MRG und § 6 Abs 2 MRG die Zuständigkeiten insofern regelt, als für das Titelverfahren das Gericht oder die Gemeinde, für das Exekutionsverfahren hingegen ausdrücklich nur das Gericht als zuständig normiert wurde. Zum Antrag auf Vollstreckung eines in Rechtskraft erwachsenen Auftrages ist nicht nur jeder Mieter, sondern auch die Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich als betreibende Partei berechtigt. Darüber hinaus kann die Gemeinde auch zum Verwalter bestellt werden, soferne sie sich dazu bereit erklärt. Diese der Gemeinde vom Gesetzgeber zuerkannten besonderen Verfahrensposition macht es nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen unmöglich, ihr gleichzeitig auch die Zuständigkeit für die Führung des kontradiktorischen Vollstreckungsverfahrens und gleichzeitig die Entscheidungsbefugnis hierüber zuzuerkennen, was der Gesetzgeber ohnedies nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung des § 6 Abs 2 MRG nicht getan hat.
Es ist daher die Frage der Zuständigkeit dahingehend zu beantworten, dass die Vollstreckung der nach § 6 Abs 1 MRG rechtskräftig aufgetragenen Arbeiten ausschließlich den nach § 37 Abs 1 MRG zuständigen Gerichten obliegt.
Es ist zu hoffen, dass diese Klarstellung zur Beschleunigung des Zwangsverwaltungsverfahrens nach § 6 Abs 2 MRG führt.
Autorin:
Mag. Alexandra Perchtold ist Juristin der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.