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Dokument-ID: 870290

WEKA (epu) | News | 04.11.2016

Umfasst die unspezifische Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts als „Geschäft“ die Unterbringung von Flüchtlingen?

Die Bereitstellung eines WE-Objekts zur Unterbringung von Flüchtlingen bildet keine zustimmungs- bzw. genehmigungspflichtige Widmungsänderung gem § 16 Abs 2 WEG 2002, wenn es wohnungsvertraglich nur unspezifisch als „Geschäft“ gewidmet ist.

Geschäftszahl

OGH 25. August 2016, 5 Ob 105/16a

Norm

§ 16 Abs 2 WEG 2002; §§ 914 f, 523 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Die Bereitstellung eines Wohnungseigentumsobjekts zur Unterbringung von Flüchtlingen bildet keine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung gem § 16 Abs 2 WEG 2002, wenn das Objekt wohnungsvertraglich lediglich unspezifisch als „Geschäft“ gewidmet ist. Bei Vorliegen einer gemischten Widmung der betreffenden Räume in einer „Nutzwertfestlegung“, die auch die Benützung als Beherbergungsbetrieb beinhaltet, ist hiervon die Flüchtlingsunterbringung ebenfalls umfasst.

OGH: Ein Wohnungseigentümer hat gem § 16 Abs 2 WEG 2002 das Recht, Änderungen – inklusive solche der Widmung – an seinem Wohnungseigentumsobjekt durchzuführen, mangels der Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer jedoch nur unter bestimmten, abgestuften Voraussetzungen. Wird eine (Widmungs-)Änderung, die § 16 Abs 2 WEG unterliegt, ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 vorgenommen, kann jeder andere Wohnungseigentümer einen Unterlassungs-, Beseitigungs- und/oder Wiederherstellungsanspruch nach § 523 ABGB geltend machen.
 Eine Widmungsänderung kann ua vorliegen, wenn der Gegenstand und die Betriebsform eines im Geschäftslokal betriebenen Unternehmens geändert werden. Das Vorliegen einer solchen Änderung ist durch Vergleich der Widmung des betreffenden Objekts (in der privatrechtlichen Einigung der Mit- und Wohnungseigentümer) und der tatsächlichen Verwendung zu ermitteln. Für die Auslegung der vertraglichen Einigung sind hierbei die §§ 914 f ABGB bei in der Regel weitgehend objektiver Betrachtung maßgeblich. Dabei sind die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck durch ein Nutzwertgutachten zu berücksichtigen, soweit sich die Einbeziehung dieser Umstände in die Widmungsvereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer ergibt. Wurde jedoch im Wohnungseigentumsvertrag keine Vereinbarung über einen spezifischen Geschäftsbetrieb im betreffenden Objekt getroffen, bedeutet dies eine grundsätzliche Einverständniserklärung der Mit- und Wohnungseigentümer schon bei der Begründung des Wohnungseigentums mit jeder Art der Verwendung des Geschäftslokals. Eine spätere Widmungsänderung durch Willenseinigung aller Mit- und Wohnungseigentümer ist möglich, wobei aber besondere Vorsicht bei der Annahme eines (konkludenten) Verzichts auf Verwendungsmöglichkeiten, die in einer unspezifizierten Widmung Deckung finden, geboten ist.

Im konkreten Fall lag eine unspezifische Widmung des betreffenden Objekts im Wohnungseigentumsvertrag als „Geschäft“ vor. Die „Nutzwertfestlegung“, auf die im Wohnungseigentumsvertrag aber nicht Bezug genommen wurde, bezeichnete unter dem Punkt „Widmung“ lediglich die spezifische Nutzung bzw Nutzungsmöglichkeit einzelner Räume. Selbst wenn man trotz der fehlenden Bezugnahme auf sie von ihrer Einbeziehung in den Widmungsakt ausgeht, ergibt sich aus ihr eine gemischte Widmung der Räumlichkeiten zur Nutzung als Hotel- bzw Gasthausbetrieb, als Wohnraum- und als Beherbergungsbetrieb. Für eine spätere (konkludente) Einschränkung dieser Widmung lagen keine Anhaltspunkte vor. Fraglich war, ob die vom Wohnungseigentümer des Objekts vorgenommene Bereitstellung desselben zur Unterbringung von Flüchtlingen eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 darstellt.

Nach Wertung des OGH schließt die unspezifische vertragliche Widmung des Objekts als „Geschäft“ die Verwendung zur (regelmäßig unternehmerisch praktizierten) Unterbringung von Flüchtlingen ein. Auch unter Annahme der Einbeziehung der „Nutzwertfestlegung“ erfasst die durch diese beschriebene gemischte Widmung die Nutzung als Beherbergungsbetrieb und damit die Flüchtlingsunterbringung. Als ein mögliches Auslegungskriterium im Rahmen der Interpretation nach §§ 914 f ABGB kann auch die Verkehrsüblichkeit für die Frage beachtlich sein, ob in einer Nutzungsänderung eine zustimmungs- bzw genehmigungspflichtige Widmungsänderung liegt. Je nachdem, ob eine ganz unspezifische Geschäftsraumwidmung oder eine besonders spezifische Widmung vorliegt, kommt diesem Kriterium eine untergeordnete oder eine wichtige Rolle zu. Da im vorliegenden Fall die getroffene Widmung völlig unspezifisch ist bzw jedenfalls den Beherbergungsbetrieb einschließt und es als allgemein bekannt gelten darf, dass Flüchtlinge des Öfteren in Objekten untergebracht werden, die zuvor schon der (touristischen) Unterbringung von Fremden oder der Beherbergung auswärtiger Arbeitskräfte dienen, ergibt sich auch aus der Frage der Verkehrsüblichkeit kein Anlass für die Annahme einer zustimmungs- bzw genehmigungspflichtigen Widmungsänderung. Daher kommt es auf die im konkreten Fall behauptete verstärkte Beeinträchtigung der Klägerin durch die Unterbringung von Flüchtlingen sowie auf das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 16 Abs 2 Z 1 WEG 2002 nicht an.

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