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Dokument-ID: 489811

WEKA (red) | News | 13.11.2012

Uneingeschränkte Verfügungsmacht des Miteigentümers im Falle der Alleinbenützung über einen Liegenschaftsteil?

Da der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft der Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, entsteht ein Verfügungsrecht und als Ausfluss daraus ein Recht zur physischen Veränderung.

Geschäftszahl

OGH 09.08.2012, 5 Ob 40/12m

Norm

§§ 828, 1295 Abs 2 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Da der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft der Beklagten zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, entsteht ein Verfügungsrecht und als Ausfluss daraus ein Recht zur physischen Veränderung. Für den Fall, dass allerdings in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird und deren wichtige Interessen berührt werden, ist dieses Recht eingeschränkt.

OGH: Ob in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen wird bzw ob deren wichtige Interessen berührt werden und daher mangels Einwilligung aller Miteigentümer Eigenmacht vorliegt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

Dem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, kommt zwar die alleinige rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zu. Das alleinige Nutzungsrecht erstreckt sich unter gewissen Voraussetzungen auch auf das Recht zur physischen Veränderung. Zu beachten ist allerdings, dass gemäß § 828 ABGB kein Miteigentümer gegen den Willen der übrigen an der gemeinschaftlichen Sache Veränderungen vornehmen darf, wodurch über den Anteil der anderen verfügt würde. Das gilt auch für Veränderungen, die der Miteigentümer an den ihm zur ausschließlichen Benützung überlassenen Teilen des gemeinsamen Gutes vornimmt, so dadurch in die Rechtssphäre der übrigen Miteigentümer eingegriffen wird.

Die Frage, ob die baulichen Veränderungen eine Verfügung darstellen, die die – durch Beschluss des Außerstreitrichters nicht ersetzbare – Zustimmung aller Miteigentümer erfordern, hängt von der Bedeutung der Maßnahmen für die Gesamtsache ab. Es kann sich hierbei auch um wichtige Veränderungen iSd § 834 ABGB oder Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung handeln. Wichtige bauliche Veränderungen iSd § 834 ABGB sind solche, die über den bloßen Erhaltungszweck hinausgehen.

Sowohl das Aufstellen von Rigips-Wänden als auch die Herstellung bzw Vergrößerung eines Mauerdurchbruchs im Inneren des der Beklagten zur ausschließlichen Nutzung zugewiesenen Objekts stellen keinen Eingriff in die Rechtsstellung der übrigen Miteigentümer dar. Betont sei nämlich, dass nicht schon jede durch bauliche Veränderungen bewirkte Änderung der Nutzwerte als verpönter Eingriff in die Rechte der Miteigentümer zu qualifizieren ist.

Die in casu durch die Beklagte vorgenommene Veränderung der Wohnungseingangstüre ist als eine Maßnahme zu werten, die der Zustimmung aller Miteigentümer bedurfte. Dies leugnet die Beklagte auch nicht, allerdings sei ihres Erachtens das vom Kläger erhobene Begehren rechtsmissbräuchlich. Gemäß § 1295 Abs 2 ABGB liegt eine schikanöse Rechtsausübung lediglich nur dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung die lauteren Motive eindeutig überwiegt. Zwar gilt grundsätzlich auch für das Eigentumsrecht das Verbot der schikanösen Rechtsausübung (§ 1295 Abs 2 ABGB), doch ist dem Miteigentümer stets das Interesse an der Abwehr eines eigenmächtigen Eingriffs in das Miteigentum zuzubilligen, was also in der Regel die Annahme ausschließt, dass der einzige Grund der Rechtsausübung darin liege, den Beklagten zu schädigen. Handelt es sich bei der eigenmächtigen Substanzveränderung um eine unzulässige Verfügung (§ 828 ABGB), so müssen diese Grundsätze schon deshalb uneingeschränkt gelten, weil wichtige Interessen der übrigen Miteigentümer berührt werden.

Die von der Beklagten letztlich durchgeführten Arbeiten entsprechen nicht den im gegenständlichen Umlaufbeschluss genannten Plänen. Die hierfür erforderliche Zustimmung der Miteigentümer fehlt.

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