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Iman Torabia | News | 10.06.2013

Wann bilden mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache?

Die Lösung der Frage, ob mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

Geschäftszahl

OGH 07.03.2013, 1 Ob 8/13b

Norm

§ 1 MRG

Leitsatz

Quintessenz:

Die Lösung der Frage, ob mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab.

OGH: In erster Linie hängt es vom Parteiwillen bei Vertragsabschluss ab, ob mehrere in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden. Dabei indiziert der gemeinsame Verwendungszweck der Bestandobjekte das Vorliegen einer einheitlichen Bestandsache. Wurden allerdings die Mietverträge zu verschiedenen Zeitpunkten sukzessive abgeschlossen, für die einzelnen Bestandobjekte ein gesonderter Mietzins vereinbart und vorgeschrieben und in den Verträgen nicht festgehalten, dass die neu hinzugemieteten Bestandobjekte eine Einheit mit dem bereits angemieteten Teilen bilden sollen, kann mangels Feststellung eines diesbezüglich übereinstimmenden subjektiven Parteiwillens nicht von einem einheitlichen Bestandobjekt ausgegangen werden

Das Mietrechtsgesetz gilt (unter anderem) für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art samt den etwa mitgemieteten (§ 1091 ABGB) Haus- oder Grundflächen (wie im Besonderen von Hausgärten, Abstell-, Lade- oder Parkflächen). „Mitgemietet“ unterliegen auch für sich allein nicht unter das MRG fallende Objekte (Garagen, Flächen, Einrichtungsgegenstände) den gleichen Regelungen des MRG wie die Hauptsache.

Wesentlich ist daher, ob die mit Mietvertrag vom 01.12.2009 gemieteten zwei Autoabstellplätze im Hof des Hauses mit dem Mietvertrag vom 23.12.1998 über das Geschäftslokal ein einheitliches Bestandobjekt bilden. In casu bestand anlässlich des Abschlusses der Mietverträge vom 23.12.1998 und vom 30.05.2003 über die beiden Abstellplätze im Hof des Hauses zwischen dem Beklagten und der Rechtsvorgängerin der Klägerin der gemeinsame Parteiwille, einen einheitlichen Bestandvertrag (Geschäftslokal und Abstellplätze) zu schließen. Nach dem Willen der damaligen Vertragsparteien wurden die beiden Stellplätze zum Geschäftslokal dazu gemietet und teilten – entgegen der in den Mietverträgen enthaltenen Klausel „gegen jederzeitigen Widerruf“ – das rechtliche Schicksal des Geschäftslokals, sodass sie auch dem Kündigungsschutz des MRG unterlagen.

In casu wusste die Klägerin von den Mietverträgen über das Geschäftslokal sowie über zwei Stellplätze. Allerdings war ihr nicht bekannt, dass entgegen dem Wortlaut der Vertragstexte die Stellplätze zum Geschäftslokal dazu gemietet wurden. Zudem gingen dem Abschluss des Mietvertrags über die Stellplätze vom 01.12.2009 keine mündlichen Vertragsverhandlungen oder sonstige Gespräche voran.

Nach der Bestimmung des § 914 ABGB ist nicht die (noch dazu nicht übereinstimmende) Vorstellung der Vertragschließenden maßgeblich, sondern ausgehend vom buchstäblichen Sinn des Ausdrucks die Absicht der Parteien zu erforschen. Die Auslegung ist am Empfängerhorizont zu messen. Dabei ist entscheidend wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage durch einen redlichen, verständigen Menschen zu verstehen war.

Auf den Geschäftszweck und die Interessenlage und damit auf die konkreten Umstände ist nicht Bedacht zu nehmen. Ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch der objektive Aussagewert einer Willenserklärung nicht zweifelhaft, hat derjenige, der sich auf eine vom Wortlaut abweichende Parteienvereinbarung beruft, jene Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen sich diese ergibt. Wird eine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht nicht festgestellt, so ist bei der Auslegung des Vertrags von dessen Wortlaut auszugehen.

In casu besteht keine übereinstimmende abweichende Parteienabsicht zum Vertragstext des neuen Mietvertrags über die Abstellplätze im Hof. Ein auf die Einheitlichkeit des Bestandobjekts gerichteter gemeinsamer Parteiwille besteht für diesen Mietvertrag nicht.

Nach dem damit maßgeblichen Inhalt des schriftlichen Mietvertrags über die zwei Autoabstellplätze vom 01.12.2009 unterliegt dieser nicht dem MRG, kann von beiden Parteien ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Monats aufgekündigt werden und es bestehen dazu auch keine sonstigen Abreden. Es steht damit also fest, dass die Parteien einvernehmlich erklärt haben, dass die zwei Pkw-Einstellplätze nicht mehr als einheitliche Bestandsache mit dem zuvor abgeschlossenen Mietvertrag über das Geschäftslokal anzusehen sind.

Bei dieser Sachlage (getrennte Vertragsabschlüsse; ausdrücklicher Hinweis auf die gesonderte Kündigungsmöglichkeit; separate Mietzinsvereinbarung und kein Hinweis auf eine einheitliche Bestandsache im Mietvertrag vom 01.12.2009) konnte der Beklagte nicht mehr darauf vertrauen, dass durch Abschluss des neuen Mietvertrags weiterhin eine Erweiterung seines Bestandobjekts besteht.

Die Tatsache, dass die Stellplätze im Hof für den Geschäftsbetrieb des Beklagten unerlässlich sind, lässt nur einen Schluss auf die Parteienabsicht zu. Dies ist aufgrund der konkreten Umstände des neuen Mietvertragsabschlusses und der fehlenden gemeinsamen Absicht der Parteien, dass beide Bestandverhältnisse und Bestandobjekte dasselbe rechtliche Schicksal haben sollten, nicht maßgeblich. Der Mietvertrag vom 01.12.2009 über die beiden Autoabstellplätze als Flächenmiete unterliegt folglich also nicht den Bestimmungen des MRG.