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Andrea Weisert | News | 23.09.2014

„Wie werde ich Mieter los?“ – Delogierung von Altmietern

Gastautorin Dr. Weisert geht in ihrem Beitrag näher darauf ein, was bei einer Räumung beachtet werden muss. Wie ist z. B. mit verwahrten Gegenständen delogierter Mieter umzugehen? Aktueller Anlassfall ist die Delogierung der „Pizzeria Anarchia“.

Beispiel „Pizzeria Anarchia“

Die Delogierung der „Pizzeria Anarchia“ füllte das Sommerloch der heimischen Presseberichte. Der Einsatz von geschätzten 500 Polizisten, die der „Hausbesetzung“ ein Ende machen sollte, wurde als überbordend angesehen und die Frage laut, ob denn dieser ganze Aufwand, den letztendlich der Steuerzahler tragen müsste, überhaupt rechtens sei und ob nicht der Vermieter dafür herangezogen werden müsste?

Laut Presseberichten hatte der Vermieter eines Hauses im 2. Wiener Gemeindebezirk vor ca 3 Jahren einen befristeten Mietvertrag mit Punks geschlossen, Gerüchten zufolge um die bestehenden Altmieter zu einem Auszug aus dem Haus zu „motivieren“. Der Plan sei allerdings nicht aufgegangen, die Punks hätten sich mit den Altmietern solidarisiert und der Vermieter hatte dann das Problem, wie er sowohl die Punks als auch die Altmieter zu einem Auszug bringen würde.

Erwerb von alten Zinshäusern und Altmietverträge

Es ist kein Einzelfall, dass Immobilieninteressenten ältere, meist sanierungsbedürftige, Zinshäuser mit dem Plan kaufen zu renovieren und Wohnungen teurer zu vermieten oder renoviert zu verkaufen. Doch Zinshäuser sind nicht immer mieterlos, oft gibt es alteingesessene Mieter, die nicht bereit sind, die jahrzehntelang benützte Wohnung aufzugeben, auch wenn ihnen Ersatz angeboten wird oder eine „Ablösezahlung“.

Hiezu ist zunächst erklärend auszuführen, dass beim Wechsel des Eigentümers eines Hauses bzw einer Wohnung der neue Eigentümer in die Mietverträge seines Vorgängers eintritt, ohne dass deren Inhalte geändert werden können. So ist der Inhalt des übernehmenden Mietvertrages bindend, mit Ausnahme von Nebenabreden, die ungewöhnlichen Inhalt haben, und die der neue Vermieter nicht kannte oder kennen musste (im ABGB-Bereich gibt es das Recht zur vorzeitigen Aufkündigung, auf welches hier jedoch nicht eingegangen wird).

Zumeist sind die Altmietverträge dann auch noch unbefristet und der neue Vermieter, der vielleicht „große Umbaupläne“ mit dem erworbenen Haus oder der Wohnung vorhat, ist an den Altmieter gebunden und benötigt einen Kündigungsgrund, um über die Wohnung nach einem erfolgreichen Aufkündigungsverfahren verfügen zu können. D.h. der neue Vermieter steht vor dem Problem, dass er an Altmieter gebunden ist und erst bei Vorliegen eines Kündigungsgrundes die Möglichkeit hat, diesen sozusagen „los“ zu werden, insbesondere wenn der Mieter nicht zuvor schon freiwillig die Wohnung aufgibt. Die Freiwilligkeit wird oftmals gegen entsprechenden Geldersatz hergestellt.

Detektiveinsätze, ob der Altmieter überhaupt noch in der Wohnung lebt oder nicht ohnehin häufiger in seinem Wochenendhaus residiert, oder Nachforschungen, ob der Mieter nicht illegal Umbauten in der Wohnung vorgenommen hat, sind da keine Seltenheit. Es kommt auch vor, dass der Vermieter ein Verhalten des Mieters provoziert, ihn sozusagen zur Weißglut treibt mit Sabotageakten oder Eindeckung mit Unterlassungsklagen etc Kurz gesagt, einen Kündigungsgrund sucht (Weitergabe oder Nichtgebrauch der Wohnung, erheblich nachteiliger Gebrauch oder unleidliches Verhalten). Langwierige Kündigungsprozesse sind dann die Folge.

Das Kündigungsbegehren ist auch darauf gerichtet, dass der Mieter die angemietete Wohnung räumen muss.

Durchsetzung der Räumungsverpflichtung

Sollte der Vermieter mit seinem Kündigungsverfahren erfolgreich sein, kann er den Beschluss des Gerichtes, dass der Mietvertrag aufgekündigt ist und der betreffende Mieter das Wohnobjekt räumen muss, exekutiv durchsetzen, sollte der Mieter nicht aufgrund der Entscheidung des Gerichtes freiwillig die Wohnung räumen.

Die Räumungsexekution (§ 349 EO) ist auf die Entfernung von Personen oder Sachen des in der Wohnung – nun nicht mehr zu Recht – Lebenden (des Verpflichteten im Exekutionsverfahren) und auf die Übergabe des Mietobjektes gerichtet.

Die zu räumenden Fahrnisse werden dem Verpflichteten bzw dessen Familienmitgliedern oder Bevollmächtigten übergeben. Fehlt eine solche Person oder werden die Gegenstände nicht mitgenommen, müssen die Fahrnisse, außer es wird deren Wertlosigkeit von Amtswegen festgestellt, verwahrt werden. Die Räumung wird überdies nur vollzogen, wenn der betreibende Gläubiger, dh der Vermieter, die zur Öffnung der Räumlichkeiten und zur Wegschaffung der beweglichen Sachen erforderlichen Arbeitskräfte und Beförderungsmittel bereitstellt.

In der Praxis sieht dies daher so aus, dass der Vermieter einen rechtskräftigen Titel (aufgrund der Aufkündigung oder der wegen titelloser Benützung beantragten Räumungsklage) besitzt, mit dem die Räumungsexekution beantragt wird. Der Gerichtsvollzieher bestimmt den Räumungstermin, verständigt sowohl den betreibenden Gläubiger (Vermieter) als auch den Verpflichteten (Mieter) hiervon. Der betreibende Gläubiger muss nun Schlosser und Spedition organisieren, die zu diesem Termin anwesend sind um dadurch allenfalls Sorge tragen zu können, dass das zu räumende Objekt geöffnet werden kann und die Fahrnisse in Verwahrung genommen werden können.

Der betreibende Gläubiger hat mit den Kosten für Schlosser und Verwahrung in Vorlage zu treten, diese Kosten stellen natürlich ersatzfähige Exekutionskosten dar, die gegen den Verpflichteten geltend gemacht werden können.

Der Gerichtsvollzieher ist zuständig für die Durchführung der Räumung; wenn er auf Widerstand stößt, ist er berechtigt, Unterstützung bei der Polizei anzufordern, diese bestimmt dann den Umfang ihres Einschreitens selbst.

Dass bei der eingangs erwähnten Delogierung mit Widerstand zu rechnen war, ist nachvollziehbar, „belagerten“ die im Haus lebenden Punks, deren Mietvertrag bereits ausgelaufen war und die nicht freiwillig räumen wollten, doch die Räumlichkeiten und war mit einer freiwilligen Aufgabe nicht zu rechnen. Ob aber ein Einsatz mit geschätzten 500 Polizisten nötig gewesen ist, soll hier nicht beurteilt werden. Ob der Vermieter, der angeblich die Punks ins Haus geholt hat um lästige Altmieter los zu werden, den Einsatz zu zahlen hat und nicht der Steuerzahler, ist eine schadensersatzrechtliche Frage. Assistenzeinsätze muss der Vermieter aufgrund des Exekutionsrechts jedenfalls nicht bezahlen. Er beantragt nur die Räumung sohin die Durchsetzung seines rechtskräftigen (Räumungs-)Titels. Die Durchführung (und die Art derselben) obliegt dem Gericht.

Schadenersatzpflicht setzt unter anderem Rechtswidrigkeit voraus, die gegenständlich im oben erwähnten Fall nicht vorliegt, denn Motivforschung beim Vermieten wird nicht betrieben.

Was geschieht mit allenfalls verwahrten Gegenständen des delogierten Mieters?

Sofern diese nicht als wertlos qualifiziert und nicht vom Mieter mitgenommen wurden, sind sie zu verwahren. Die Kosten der Verwahrung schuldet zwar der Verpflichtete, diese werden in der Praxis zunächst vom betreibenden Gläubiger zu bezahlen sein, der diese Kosten als Exekutionskosten ansprechen und beim Schuldner (im weiteren Exekutivverfahren) geltend machen kann. Damit die Verwahrung nicht zu lange auf Kosten des Betreibers stattfindet, kann dieser nach erfolgloser Aufforderung zur Abholung der Gegenstände den Verkauf dieser beantragen (Versteigerung). Aus dem Verkaufserlös sind nur die aufgelaufenen Verwahrungs-und Verwertungskosten zu entrichten, der verbleibende Erlös gebührt dem Verpflichteten und ist gerichtlich zu hinterlegen.

Was kann der Mieter gegen eine Räumungsexekution tun?

Wenn der Mieter nicht freiwillig das Räumungsurteil erfüllt, muss der Vermieter um die Frist zu wahren, binnen 6 Monaten die Räumung exekutiv geltend machen. Steht der Termin der Räumung fest bzw ist dies auch schon bei Antragstellung möglich, kann der Mieter Räumungsaufschub aus bestimmten Gründen gemäß § 34 MRG beantragen.

Neue Eigentümer sollten daher schon im Vorfeld klären, wie die Mieterstruktur im Haus aussieht und ob es Chancen gibt, Mietverträge aufzukündigen oder die Bereitschaft sich „ausmieten zu lassen“ besteht.

Autorin

Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.

Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online.

www.weisert.at