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Philipp Ortbauer | News | 14.10.2013

Wohnung oder Geschäftsraum – Der Verwendungszweck des Bestandobjektes im Mietrecht

Gastautor Mag. Ortbauer von der Mietervereinigung Österreichs beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Unterscheidung zwischen Geschäftsraum und Wohnung sowie mit der gemischten Nutzung.

In Zeiten wachsender beruflicher Selbstständigkeit gewinnt auch die mietrechtliche Frage der Abgrenzung zwischen Wohn- und Geschäftsraummiete immer mehr an Bedeutung. Mangels gesetzlicher Umschreibung ist vor allem die dazu ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung von Bedeutung. In diesem Sinne soll der folgende Artikel nicht nur einen Überblick über die herrschende Judikatur verschaffen, sondern ebenso, wenn auch nicht im Detail, die mietrechtlichen Auswirkungen des jeweiligen Verwendungszweckes aufzeigen.

1. Definition

Zunächst sind die Begriffe des Wohnraums einerseits und des Geschäftsraums andererseits zu unterscheiden: Als „Wohnung“ wird dabei nach der Rsp ein selbstständiger und in sich baulich abgeschlossener Teil eines Gebäudes verstanden, der geeignet ist, der Befriedigung des individuellen Wohnbedürfnisses von Menschen zu dienen (8 Ob 78/08i), wogegen sich der Begriff des Geschäftsraumes durch den Vertragszweck bestimmt, der auf die Durchführung geschäftlicher Tätigkeit im Bestandobjekt gerichtet ist. Gewinnerzielungsabsicht ist dabei nicht erforderlich (MietSlg 41.166), es genügt eine auf Dauer angelegte, wenn auch nicht auf Gewinn gerichtete Organisation, die nach dem Vertragszweck über die Privatsphäre hinausgeht (wobl 1989, 173). Daher ist etwa auch die Inbestandnahme durch einen Verein zu kulturellen oder geistigen Zwecken als Geschäftsraummiete anzusehen (MietSlg 53.241). Die Abgrenzung ist insbesondere hinsichtlich bloß privater, zu Hobbyzwecken gemieteter, Räume von Bedeutung, da diese gemäß § 1 Abs 1 MRG nicht den Regelungen des MRG unterliegen.

2. Geschäftsraum oder Wohnung?

Ob nun ein Bestandobjekt als Geschäftsraum oder als Wohnung vermietet wurde, ist ausschließlich nach dem Willen der Parteien zu beurteilen, die den Verwendungszweck einvernehmlich festlegen. Weder die tatsächliche Verwendung noch die nach der Bauordnung allenfalls vorgesehene Nutzung des Mietgegenstandes spielt für die mietrechtliche Beurteilung eine Rolle. Maßgeblich ist einzig die vom Parteienwillen getragene Widmung, wobei es nicht nur auf den im Mietvertrag angegebenen Verwendungszweck ankommt, sondern auch auf die vor Abschluss des Mietvertrages abgegebenen, sonstigen Parteienerklärungen und die übrigen Bestimmungen des Mietvertrages. Der Verwendungszweck kann nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich vereinbart werden (7 Ob 66/11y, 5 Ob 8/06x).

Wenn auch der tatsächlichen Verwendung grundsätzlich keine Bedeutung zukommt, kann die durch den Mieter über mehrere Jahr(zehnt)e vereinbarungswidrige Nutzung – so sie durch den Vermieter wahrgenommen wird und unbeanstandet bleibt – zu einer konkludenten Änderung des vereinbarten Verwendungszweckes führen (6 Ob 633/92).

3. Gemischte Nutzung

Wird ein Bestandobjekt sowohl zu Wohn- als auch zu Geschäftszwecken vermietet, so muss besonders für die Frage der Zulässigkeitsgrenzen des Hauptmietzinses eine konkrete Zuordnung erfolgen, kann doch für Geschäftsräumlichkeiten im Anwendungsbereich des MRG ein Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG, für Wohnungen nur der (geringere) Richtwertmietzins nach § 16 Abs 2 MRG vereinbart werden. Auch der Investitionskostenersatzanspruch nach § 10 MRG, der Befristungsschutz nach § 29 Abs 1 lit 3 b MRG (dreijährige Mindestbefristung) und die in der Praxis fast ausgestorbenen Ansprüche nach § 5 und § 13 MRG stehen nur dem Wohnungsmieter zu. Zudem sind die Eintrittsrechte nach §§ 12, 14 MRG nur auf Wohnungsmietverhältnisse anwendbar, während dem Geschäftsraummieter der Mietrechtseintritt im Wege des § 12a MRG im Rahmen des Unternehmenserwerbs offen steht. Auch die Kündigungsgründe nach § 30 MRG unterscheiden in mehreren Ziffern zwischen Wohnungs- und Geschäftsraummieter.

Die folglich rechtlich bedeutende Einordnung wurde von der Judikatur dermaßen gelöst, dass bei vereinbarter gemischter Verwendung nur dann von Geschäftsraummiete auszugehen ist, wenn die Verwendung zu Geschäftszwecken die Verwendung zu Wohnzwecken bedeutend überwiegt. Der OGH hat diesbezüglich bereits mehrmals klargestellt, dass bei Berufen, die üblicherweise in der Wohnung ausgeübt werden, wie etwa jene des Rechtsanwaltes, Arztes oder Realitätenvermittlers, auch die zur Berufsausübung erforderlichen Räume als Wohnraummiete anzusehen sind, da in solchen Fällen das Wohnbedürfnis und der Berufszweck einander im Zweifel die Waage halten (7 Ob 245/01g, 7 Ob 5/09z). Ist das zu gemischter Nutzung angemietete Objekt zudem die einzige Wohnmöglichkeit des Bestandnehmers, so überwiegt, selbst bei räumlich weitestgehender Nutzung zu Geschäftszwecken, immer der Wohnzweck und ist das Mietverhältnis gänzlich als Wohnraummiete zu qualifizieren (7 Ob 245/01g).

4. Unterlassungsanspruch? Kündigungsgrund?

Es verbleibt die Frage, welche Rechtsfolgen der Vermieter aus einer vertragswidrigen Nutzung geltend machen kann. Der von Teilen der Lehre vertretenen Auffassung (siehe etwaHausmanninHausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 47 zu § 1 MRG), dem Vermieter stünde bei vertragswidriger Nutzung jedenfalls der Unterlassungsanspruch offen, ist im Lichte der neueren Judikatur nur mehr eingeschränkt zu folgen. Zwar ist laut OGH eine vertraglich vereinbarte ausschließliche Nutzung grundsätzlich zulässig und bindend, allerdings kann der Unterlassungsanspruch nur dann erfolgreich verfolgt werden, wenn ein besonderes anzuerkennendes Interesse des Vermieters an der ausschließlichen Nutzung besteht (7 Ob 5/09z). Der OGH hat in der angeführten Entscheidung bei einem ausschließlich zu Wohnzwecken vermietetem Objekt, ein solches anzuerkennendes Interesse des Vermieters etwa dann verneint, wenn es im tatsächlich auch geschäftlich genutzten Bestandobjekt zu nahezu keinem Kundenverkehr kommt und darüber hinaus keine Angestellten ihrer Beschäftigung im Mietgegenstand nachkommen.

Abschließend ist noch auf die Möglichkeit der gerichtlichen Kündigung nach § 30 MRG einzugehen. Wird ein ausschließlich zu Wohnzwecken vermietetes Objekt nur zu Geschäftszwecken oder vice versa ein zu Geschäftszwecken vermieteter Mietgegenstand nur zu Wohnzwecken verwendet, so kann im erstgenannten Fall der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG, im zweitgenannten Fall jener der Z 7 leg cit verwirklicht sein. Im Falle der vertraglich vereinbarten gemischten Nutzung des Mietgegenstandes können die genannten Kündigungsgründe nur dann vorliegen, wenn das Objekt weder zu Geschäfts- noch zu Wohnzwecken verwendet wird. Nur das Fehlen jeglicher vertragskonformer und regelmäßiger Nutzung erfüllt nach der Judikatur die Tatbestände der genannten Kündigungsgründe (7 Ob 628/95).

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es den Mietvertragsparteien freisteht, eine entsprechende Nutzung zu vereinbaren. Der Vermieter kann aber eine geschäftliche Tätigkeit in dem zu Wohnzwecken vermieteten Objekt nicht jedenfalls untersagen. Auch bei ausdrücklich vereinbarter, ausschließlicher Nutzung müssen nachvollziehbare und anerkennungswürdige Gründe vorliegen, die eine solche Untersagung rechtfertigen.

Autor

Mag. Philipp Ortbauer ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.