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Roman Reßler | News | 18.08.2016

Zum Unterlassungsanspruch eines zugezogenen Nachbarn wegen negativer Lichtimmissionen

Gastautor Mag. Reßler erläutert in seinem Beitrag anhand einer aktuellen OGH-Entscheidung, welche Voraussetzungen für eine Bejahung eines Unterlassungsanspruches im Zusammenhang mit negativen Lichtimmissionen gegeben sein müssen.

Durch das Zivilrechtsänderungsgesetz 2004 hat der Gesetzgeber erstmals Unterlassungsansprüche auch auf negative Lichtimmissionen erstreckt. Damit die Gerichte jedoch nicht von Klagen im Zusammenhang mit Lichtimmissionen übermäßig belastet werden, hat ein Nachbar vor Einbringung einer Klage im Zusammenhang mit dem Entzug von Licht oder Luft durch fremde Bäume oder Pflanzen drei Möglichkeiten um ein Verfahren zu vermeiden:

  • Er kann zur gütlichen Einigung eine Schlichtungsstelle befassen,
  • einen Antrag bei Gericht zur Ladung des Gegners zwecks Vergleichsversuches einbringen (§ 433 Abs 1 ZPO), oder
  • den Rechtsstreit einem Mediator unterbreiten.

Die Klage ist nur zulässig, wenn innerhalb von drei Monaten ab Befassung oder Einbringung keine Einigung erzielt worden ist (Art III ZivRÄG 2004).

Die bis dato ergangene Judikatur in Bezug auf negative Lichtimmissionen wurde um folgende Entscheidung des OGH vom 26.02.2016, 8 Ob 59/15g erweitert. Dieser liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Aktuelle Entscheidung – Sachverhalt

Der Kläger ist Wohnungseigentümer einer Erdgeschosswohnung, welche an die Liegenschaft der beklagten Partei als Nachbarin angrenzt. Die Nachbarliegenschaft weist einen waldartigen Baumbestand auf, der sich aus alten Eschen, Kiefern und Tannen von 8 bis 14 Metern Höhe zusammensetzt. Durch die unmittelbar an der Grundgrenze wachsenden Bäume wird während der Vegetationsperiode ein Gartenbereich der klägerischen Partei bis circa 13.30 Uhr beschattet, wobei dieser Effekt durch die Balkone des Mehrparteienhauses noch verstärkt wird. Der Pool liegt im Sommer mittags noch im Halbschatten und der Gartenbereich ist bereits teilweise vermoost. Während die Baumarten zwar ortsüblich sind, sind die waldähnliche Dichte des Bestandes und die Bestandstruktur der Bäume ortsunüblich. Die Baumhöhe ist zwar derzeit noch als ortsüblich anzusehen, jedoch ist aufgrund des Wachstums mit deren Ortsunüblichkeit zu rechnen. Der Wohnungseigentümer begehrt von der Nachbarin, es zu unterlassen, durch deren Bäume und Sträucher seiner Eigentumswohnung, insbesondere seiner Terrasse und seiner Wohnungsfenster samt Hausgarten Licht zu entziehen. 

Das Erstgericht wies dieses Klagebegehren ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Bepflanzung unüblich und der dadurch verursachte Lichtentzug unzumutbar sein müssen, wobei diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Das Berufungsgericht gab der Klage des Wohnungseigentümers statt und hielt fest, dass die Beeinträchtigung des klägerischen Grundstückes durch den außergewöhnlich starken Baum- und Sträucherbestand innerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes sowohl unüblich als auch unzumutbar ist. Überdies könne der klägerischen Partei nicht vorgehalten werden, dass sie sich mit einem bereits vorgefundenen Zustand im Zeitpunkt des Kaufes vor 20 Jahren abfinden müsse, zumal der Bewuchs damals nur einen Bruchteil der heutigen Höhe aufgewiesen habe. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, da höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob die Unzumutbarkeit des Lichtentzuges bei Wohnungseigentum nach dem Verhältnis der beschatteten Grundfläche zur Gesamtliegenschaft oder zum Wohnungseigentumsobjekt des Klägers zu beurteilen ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 364 Abs 3 ABGB kann der Grundstückseigentümer einem Nachbarn, die von dessen Bäumen oder anderen Pflanzen ausgehenden Einwirkungen durch den Entzug von Licht insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Nach Ansicht des Höchstgerichtes ist die von der beklagten Partei geltend gemachte Revision zulässig und berechtigt.

Für die Beurteilung, ob eine Beeinträchtigung unzumutbar ist, kommt es nach ständiger Judikatur auf die konkrete Nutzungsmöglichkeit für den Kläger an. Die Unzumutbarkeit des Lichtentzuges bei in Wohnungseigentum stehenden Häusern bezieht sich auf die vom jeweiligen Kläger tatsächlich genutzte Grundfläche. Bei einer Miteigentümergemeinschaft ist grundsätzlich jeder einzelne Berechtigte zur Abwehr von Störungen legitimiert, sofern er sich nicht im Widerspruch mit den Übrigen setzt. Ein zugezogener Nachbar muss sich grundsätzlich mit dem beim Erwerb seines Grundstückes vorgefundenen örtlichen Verhältnissen abfinden. Dabei ist es nicht von Relevanz, ob im Zeitpunkt des Erwerbes der Wohnung die streitgegenständlichen Bäume auf dem Nachbargrundstück bereits vorhanden waren, oder nicht. Da es sich jedoch bei der Nachbarliegenschaft nicht um ein natürliches Waldgrundstück, sondern um einen Garten in einem geschlossenen Siedlungsgebiet handelte, musste der Kläger nicht mit einem zukünftigen unbegrenzten Wildwuchs rechnen. Bei der Prüfung der Ortsüblichkeit der Höhe der einzelnen Bäume ist allein nicht nur die Höhe der Bäume zu beurteilen, sondern auch die Dichte des Bewuchses. Eine so dichte Baumreihe gibt es nur auf der Nachbarliegenschaft. Von einer ortsüblichen Bepflanzung kann daher nicht die Rede sein, auch wenn vereinzelt in anderen Gärten Bäume von ähnlicher Höhe stehen. Wann eine Beeinträchtigung schon wesentlich aber noch nicht unzumutbar ist, kann nicht allgemeingültig beantwortet werden. Je näher die Beeinträchtigung an der Grenze der Ortsüblichkeit liegt, desto weniger wird dabei ihre Unzumutbarkeit anzunehmen sein. Maßgeblich sind die konkret festzustellenden Umstände des Einzelfalles. Hinsichtlich der unzumutbaren Beschattung der klägerischen Wohnräume einschließlich der Terrasse wurden in den Vorinstanzen keinerlei Feststellungen getroffen, weshalb das Verfahren zur Verfahrensergänzung an die erste Instanz zurückverwiesen wurde.

Fazit

Der vorliegenden Entscheidung ist vorbehaltslos zuzustimmen. Wesentlich ist, dass für die Bejahung eines Unterlassungsanspruches im Zusammenhang mit negativen Lichtimmissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten wird und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigt wird. Zwar ist die Höhe von Bäumen naturgemäß auch für die Reichweite von ihrem Schatten von Bedeutung, jedoch muss im Einzelfall auch auf die Dichte des Bewuchses Bezug genommen werden.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.