Dokument-ID: 1068493

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 40/20v; OGH; 26. März 2020

GZ: 1 Ob 40/20v | Gericht: OGH vom 26.03.2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Ges.m.b.H., *****, vertreten durch Mag. Werner Piplits und Mag. Marko MacKinnon, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder und Mag. Michaela Hütteneder-Estermann, Rechtsanwälte in Bad Hofgastein, wegen 41.306,72 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 17.738,40 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 20. November 2019, GZ 22 R 301/19x-14, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 14. August 2019, GZ 6 C 601/18z-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.253,88 (darin EUR 208,98 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin erhob am 21.12.2018 eine auf Rückzahlung zu viel bezahlter Betriebskosten für ein gemietetes Geschäftslokal gerichtete Klage. Hinsichtlich der Jahre 2014 bis 2017 begehrte sie zunächst – in Form einer Stufenklage – die Legung der Betriebskostenabrechnungen sowie Zahlung des sich daraus ergebenden Guthabens. Hinsichtlich des Jahres 2013 begehrte sie die Rückzahlung des Saldos zu ihren Gunsten aus der bereits erfolgten Abrechnung. Nachdem die Beklagte auch die Betriebskostenabrechnungen für die Jahre 2014 bis 2017 gelegt hatte, schränkte sie ihr Begehren um die Rechnungslegung ein und bezifferte ihre Rückforderungsansprüche für die genannten Jahre. Dem Verjährungseinwand der Beklagten entgegnete sie, dass ihre Rückforderungsansprüche auch unter Zugrundelegung einer dreijährigen Verjährungsfrist, die frühestens mit tatsächlicher Abrechnung der Betriebskosten zu laufen begonnen habe, nicht verjährt seien.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und wandte unter anderem – ohne dies näher zu begründen – die Verjährung der Rückforderungsansprüche für die Jahre 2013 und 2014 ein.

Das Erstgericht gab dem Rückzahlungsbegehren hinsichtlich der Jahre 2015 bis 2017 statt und wies es hinsichtlich der Jahre 2013 und 2014 wegen Verjährung ab, weil die zugrundegelegte dreijährige Verjährungsfrist bereits „mit Zahlung“ zu laufen begonnen habe.

Das Berufungsgericht gab der gegen die das Jahr 2014 betreffende Abweisung gerichteten Berufung der Klägerin Folge und auch diesem Teil des Klagebegehrens statt. Der gegen den Erfolg des das Jahr 2015 betreffenden Klagebegehrens gerichteten Berufung der Beklagten (die nur eine Verfahrensrüge erhob und dem Erstgericht vorwarf, seine Rechtsansicht zum Verjährungsbeginn nicht erörtert zu haben; bei Kenntnis dieser Rechtsansicht hätte die Beklagte auch hinsichtlich des Jahres 2015 Verjährung eingewandt), gab es nicht Folge. Es ging zur – in zweiter Instanz allein relevierten – Verjährungsfrage davon aus, dass vor Legung der Betriebskostenabrechnungen kein Anspruch auf Rückforderung zu viel bezahlter Betriebskosten für das noch nicht abgerechnete Jahr geltend gemacht werden könne. Dieser Anspruch entstehe vielmehr erst mit einer solchen (hinsichtlich der Jahre 2014 bis 2017 erstmals 2019 erfolgten) Abrechnung, weshalb die Verjährungsfrist vorher nicht zu laufen beginne. Es sei daher auch hinsichtlich der die Jahre 2014 und 2015 betreffenden Ansprüche noch keine Verjährung eingetreten. Die ordentliche Revision sei unter anderem zulässig, weil zur Frage, „ob die Verjährungsfrist bereits mit Ende der Abrechnungsperiode beginne, wenn innerhalb von drei Jahren weder eine Betriebskostenabrechnung übermittelt noch eine Klage auf Rechnungslegung erhoben werde“, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

  1. Vorauszuschicken ist, dass nicht weiter zu prüfen ist, ob hier die lange dreißigjährige oder (wovon die Vorinstanzen ausgingen, was in dritter Instanz nicht bekämpft wird) die kurze dreijährige Verjährungsfrist zur Anwendung gelangt, weil – wie im Folgenden zu zeigen sein wird – die Rückforderungsansprüche betreffend die Jahre 2014 und 2015 jedenfalls (also auch unter Zugrundelegung einer bloß dreijährigen Frist) nicht verjährt sind.
  2. Gemäß § 1478 Satz 2 ABGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis (insbesondere nicht mangelnde Fälligkeit) entgegensteht (RS0034343) und objektiv die Möglichkeit bestand, den Anspruch einzuklagen (RS0034343 [T3, T4]). Dies gilt grundsätzlich für alle Verjährungsfristen (RS0034248 [T7, T12]).
  3. Zur in § 21 Abs 3 MRG für Betriebskosten und öffentliche Abgaben vorgesehenen „Jahrespauschalverrechnung“ wird sowohl in der Rechtsprechung (5 Ob 101/91; 5 Ob 2122/96m; 3 Ob 249/04w) als auch in der Lehre (vgl Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Kommentar zum Österreichischen Wohnrecht³ [2013] § 21 MRG Rz 47; Egglmeier-Schmolke/Schinnagl in GeKo Wohnrecht I § 21 MRG Rz 89; Reßler in Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ [2018] § 21 MRG Rz 56; vgl auch Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 21 MRG Rz 17 f) vertreten, dass ein Anspruch auf Rückzahlung zu viel (voraus-)bezahlter Betriebskosten nicht vor Abrechnung der in der jeweiligen Abrechnungsperiode angefallenen Betriebskosten entstehen kann. Erst mit der Abrechnung macht der Vermieter die ihm entstandenen (im Anwendungsbereich des § 21 MRG: fällig gewordenen; vgl RS0112095) Betriebskosten gegenüber dem Mieter geltend (vgl RS0070049; 5 Ob 131/99x mwN; 3 Ob 249/04w). Die Betriebskostenabrechnung liefert diesem die erstmalige Grundlage für die Beurteilung, welche – nach dem Gesetz bzw (außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG) dem Vertrag – von ihm zu tragenden Bewirtschaftungskosten dem Vermieter tatsächlich entstanden und vom Mieter anteilig endgültig zu tragen sind. Erst dann kann der Mieter auch beurteilen, in welchem Umfang seine Akontozahlungen seine nun feststehende wahre Verbindlichkeit allenfalls übersteigen. Die Fälligkeit des – erst mit Abrechnung entstandenen – Rückforderungsanspruchs tritt gemäß § 21 Abs 3 vorletzter Satz MRG (für die in dessen Anwendungsbereich fallenden Mietverhältnisse) mit dem auf die Abrechnung zweitfolgenden Zinstermin ein, weshalb vor diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist nicht zu laufen beginnt (vgl 5 Ob 2122/96m).
  4. Außerhalb des Vollanwendungsbereichs des MRG ist für die Fälligkeit von Betriebskostenrückforderungen auf die Parteienvereinbarung abzustellen (zu deren Maßgeblichkeit vgl RS0123383). Im vorliegenden Fall haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin neben der monatlichen Miete auch die anteiligen (im Mietvertrag aufgezählten) Betriebskosten trägt, worauf von dieser „Vorschusszahlungen“ zu leisten seien, deren Höhe vom Vermieter bekanntgegeben wird, wobei bereits im Vertrag ein bestimmtes monatliches Betriebskostenakonto pro Quadratmeter Mietfläche vereinbart wurde. Die Beklagte verpflichtete sich zu einer jährlichen Betriebskostenabrechnung bis 30. Juni des Folgejahres. Damit bringt die Beklagte (so wie nach § 21 Abs 3 MRG) zur Deckung ihrer im Lauf jedes Kalenderjahres fällig werdenden Bewirtschaftungskosten zu jedem Zinstermin einen gleichbleibenden Teilbetrag „zur Anrechnung“, der in der im Folgejahr zu erstellenden Betriebskostenabrechnung auf die tatsächlich angefallenen Kosten angerechnet wird. Die laufenden Teilzahlungen werden vereinbarungsgemäß nur unter Vorbehalt einer nachträglichen Korrektur geleistet, ein allfälliger Rückzahlungsanspruch ergibt sich erstmals aus der Abrechnung, mit der die Beklagte die tatsächlich angefallenen Betriebskosten bekannt gibt. Die Betriebskostenabrechnung ist daher auch im vorliegenden Fall Voraussetzung für die Ermittlung – und damit die Fälligkeit – eines Rückforderungsanspruchs (vgl auch allgemein RS0017592 zur Fälligkeit sich erst aus einer Abrechnung ergebender [Entgelt-]Ansprüche), weshalb die Verjährungsfrist nicht vorher zu laufen beginnen kann.
  5. Das Argument der Revisionswerberin, der Vermieter habe bei einem an die (tatsächlich erfolgte) Betriebskostenabrechnung anknüpfenden Verjährungsbeginn zeitlich unbegrenzt Rückforderungsansprüche zu befürchten, geht bereits deshalb in Leere, weil es dieser selbst in der Hand hat, den Beginn der Verjährungsfrist durch Vorlage der Abrechnung auszulösen. Es wäre nicht einsichtig, würde er aus der Verletzung seiner Abrechnungspflicht durch verspätete Durchführung einen verjährungsrechtlichen Vorteil erlangen.
  6. Zusammengefasst sind also auch die Rückforderungsansprüche betreffend 2014 und 2015 (zu 2015 erhob die Beklagte in erster Instanz ohnehin keinen Verjährungseinwand, sondern machte nur in der Berufung einen Erörterungsmangel geltend) noch nicht verjährt, legte die Beklagte die Betriebskostenabrechnung doch auch für diese beiden Jahre erst 2019. Auf die sowohl vom Berufungsgericht als auch vom Revisionswerber als erheblich angesehene weitere Frage, „ob die Einrede der Verjährung von Rückforderungsansprüchen wegen Überzahlungen aus noch nicht abgerechneten Betriebskostenzeiträumen auch die Verjährung des Rechnungslegungsanspruchs inkludiere“, muss schon deshalb nicht eingegangen werden, weil das Rechnungslegungsbegehren nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens und die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs ist (RS0111271 [T2]).
  7. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze