Dokument-ID: 1048706

Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Entscheidung

5 Ob 116/19y, OGH, 24.September 2019

GZ: 5 Ob 116/19y | Gericht: OGH vom 24.09.2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der jeweils klagenden Partei Eigentümergemeinschaft EZ *****, vertreten durch Dr. Stefan Müller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M*****, 2. B*****, ebenda und 3. D*****, alle vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen EUR 7.981,83 sA bzw EUR 10.791,15 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 2. Mai 2019, GZ 63 R 30/19f-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 31. Jänner 2019, GZ 3 C 83/17m-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die erst- und zweitbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 619,88 (darin EUR 103,31 USt), die drittbeklagte Partei hingegen ist schuldig, der klagenden Partei deren mit EUR 821,71 (darin EUR 136,95 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Die Erst- und Zweitbeklagten sind zu je 106/8162 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an der Wohnung Top 4.2, die Drittbeklagte zu 222/8162 Anteilen Miteigentümerin verbunden mit Wohnungseigentum an Top 5.7.

Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass die Erst- und Zweitbeklagten die von der Klägerin vorgeschriebenen Wohnbeiträge aus dem Zeitraum August 2016 bis März 2017 in Höhe von EUR 7.981,83, die Drittbeklagte hingegen aus dem Zeitraum März 2016 bis März 2017 in Höhe von EUR 10.791,15 nicht bezahlt haben. Die Beklagten zogen von den Vorschreibungen die als Betriebskosten verrechneten Kosten für „Doorman-Concierge-Leistungen“ ab, weil sie nach ihrer Auffassung keine liegenschaftsbezogenen Aufwendungen seien. Außerstreitige Verfahren zur Überprüfung der Abrechnung der Verwalterin sind bereits anhängig.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren statt. Die Aufwendungen für „Concierge“ und „Valletparker“ seien in Punkt 6.2 des Wohnungseigentumsvertrags geregelt worden. Es sei Sache des Verwalters im Rahmen der ordentlichen Verwaltung die Modalitäten der Einhebung und des Umfangs der Rücklage festzulegen, rückständige Zahlungen einzumahnen und notfalls mit Klage zu erzwingen. Die Verpflichtung der Wohnungseigentümer, zur Abdeckung der Liegenschaftsaufwendungen die vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten, bestehe unabhängig von der Einhaltung der Rechnungslegungspflicht des Verwalters. Bedenken gegen die Richtigkeit der Abrechnung könnten die Fälligkeit laufender Vorschreibungen nicht verhindern. Die Richtigkeit der Abrechnung der Hausverwaltung sei nur im Außerstreitverfahren zu klären.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Im Hinblick auf die Bestimmung des Wohnungseigentumsvertrags über die Aufteilung und Verrechnung der Kosten für „Doorman“ und „Concierge“ seien diese zu Recht als Aufwendungen für die Liegenschaft behandelt worden. Die Richtigkeit der Abrechnung sei ausschließlich im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren zu prüfen. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht mit der Begründung zu, es liege noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vor, ob die zu 5 Ob 226/14t geäußerte Rechtsansicht zu Concierge-Leistungen Auswirkungen auf die Fälligkeit der vom Verwalter vorgeschriebenen monatlichen Wohnbeiträge habe, wenn darin solche Kosten enthalten seien.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die ordentliche Revision sämtlicher Beklagten, in der sie eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Klagestattgebung anstreben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die ordentliche Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1 Zu der vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage liegt im Grundsätzlichen bereits gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Demnach ist die Festsetzung der monatlichen Akontozahlungen in angemessener Höhe eine den Verwalter treffende Pflicht, deren Verletzung die Mehrheit der Miteigentümer zwar berechtigt, dem Verwalter eine entsprechende bindende Weisung zu erteilen oder das Vollmachtsverhältnis zu kündigen. Solang dies nicht geschehen ist, sind die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen aber für den einzelnen Miteigentümer bindend (RIS-Justiz RS0083581). Zu den Aufgaben des Verwalters gehört die Sorge für die Bildung einer angemessenen Rücklage und für ausreichende Vorauszahlungen auf die Bewirtschaftungskosten, somit die Festsetzung, Vorschreibung und das Inkasso der Beiträge (RS0083581 [T7]). Akontozahlungen können auch dann noch eingehoben werden, wenn die Aufwendungen, für die sie vorgeschrieben wurden, bereits abgerechnet sind, jedoch Streit darüber besteht, ob die Abrechnung ordnungsgemäß, vollständig oder richtig ist. Solange der Abrechnungssaldo nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt ist, besteht also weiterhin die Pflicht jedes einzelnen Wohnungseigentümers die im Rahmen der Liegenschaftsverwaltung vorgeschriebenen Akontozahlungen zu leisten (RS0112884). Diese Auffassung wird auch in der Literatur geteilt (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II²³ § 20 WEG Rz 35 mwN; Kothbauer in GeKo Wohnrecht II § 32 WEG 2002 Rz 68).

1.2 Dem folgend ging der Oberste Gerichtshof etwa zu 6 Ob 87/11d davon aus, dass Wohnungseigentümern, die mit der Höhe einer Vorschreibung der Eigentümergemeinschaft nicht einverstanden sind, keine Berechtigung zur gerichtlichen Hinterlegung der vorgeschriebenen Beträge (oder eines Teils davon) zukommt (so auch Kothbauer aaO, Rz 69 f). Fragen der Rechtmäßigkeit bzw Richtigkeit einer Vorschreibung können erst nach erfolgter Rechnungslegung in einem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 geklärt werden, all dies ändert nichts an der Fälligkeit der Vorschreibungen (Kothbauer aaO). Seit Inkrafttreten der WRN 1999 ist auch die Richtigkeit der Abrechnung im außerstreitigen Verfahren (§ 20 Abs 3 WEG 2002) überprüfbar. Auch die Verpflichtung zur Legung einer inhaltlich richtigen Abrechnung ist dort durchzusetzen (5 Ob 167/03z; 5 Ob 263/07y). Zum Prüfungsumfang gehört dabei auch die Frage, ob die in der Abrechnung enthaltenen Ausgaben überhaupt Aufwendungen für die Liegenschaft betreffen und damit auch, ob ein Aufwand von der Eigentümergemeinschaft oder vom einzelnen Wohnungseigentümer zu tragen ist (5 Ob 62/04k mwN = RS0116821 [T4]; Kulhanek in GeKo Wohnrecht II § 52 WEG Rz 62).

1.3 An diesen Rechtsprechungsgrundsätzen haben sich die Vorinstanzen orientiert, sodass sich die in der Zulassungsbegründung als erheblich angesehene Rechtsfrage nicht stellt. Auch die Ausführungen in der Revision bieten keinen Anlass hievon abzuweichen.

2. Die Beklagten wollen unter Berufung auf die Entscheidungen 5 Ob 171/02m und 5 Ob 226/14t eine Einschränkung des oben erwähnten und von ihnen an sich anerkannten Grundsatzes erreichen. Er soll dann nicht gelten, wenn die Vorschreibung nicht liegenschaftsbezogene Aufwendungen wie – hier – „Doorman- und Conciergekosten“ betreffe. Derartige Kosten dürfe die Eigentümergemeinschaft nicht im Weg der Betriebskosten an die Wohnungseigentümer vorschreiben, zumal die Nichtleistung derartiger Akontozahlungen nicht zu einer Beeinträchtigung des Liquiditätserfordernisses der Eigentümergemeinschaft führen könne. Soweit das Berufungsgericht mit der Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Wohnungseigentumsvertrag argumentiere, stehe es im Widerspruch zur Rechtsprechung, wonach die Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft durch vertragliche Vereinbarung nicht erweiterbar sei. Dem ist zu entgegnen:

3.1. Vorausgeschickt sei, dass die Parteifähigkeit der Eigentümergemeinschaft nach dem WEG nach der Rechtsprechung jedenfalls dann nicht verneint werden kann, wenn sich der geltend gemachte Rechtsschutzanspruch wenigstens abstrakt mit den Verwaltungsagenden einer Eigentümergemeinschaft in Verbindung bringen lässt (RS0108020 [T15]). Nach der gebotenen abstrakten Betrachtungsweise ist die Vorschreibung laufender Wohnbeiträge jedenfalls Maßnahme der Liegenschaftsverwaltung, sodass an der Rechtsfähigkeit und Aktivlegitimation der Klägerin hier nicht zu zweifeln ist.

3.2. Gemäß § 32 Abs 1 WEG 2002 sind die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen. Darunter sind alle liegenschafts- und verwaltungsbezogenen Auslagen zu verstehen, die der Eigentümergemeinschaft erwachsen, so etwa auch für Gemeinschaftsanlagen, die jedem Mit- und Wohnungseigentümer oder Mieter zur Benutzung gegen Beteiligung an den Kosten des Betriebs, der Wartung und Instandhaltung rechtlich frei stehen (RS0069987 [T22]). Demgegenüber sind Aufwendungen, die ausschließlich im Wohnungseigentum stehende Wohnungen und Geschäftsräume betreffen, von jenen Miteigentümern zu tragen, die diese Liegenschaftsteile ausschließlich benützen, wenn sie nur in ihrem Interesse vorgenommen werden (RS0082856). Dazu sprach der Fachsenat aus (5 Ob 226/14t = wobl 2015/126 [zust Hinteregger, Dürr]), dass Dienstleistungen über die Erteilung von Auskünften, die Entgegennahme und Ausfolgung von Waren oder Organisation von Reservierungen für Theater-, Kino- und Opernkarten keine Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung seien, die mit der Verwendung allgemeiner Teile der Liegenschaft im Zusammenhang stehen, sodass die Durchführung bzw die Organisation derartiger Maßnahmen außerhalb der Rechtsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft liege, die nicht durch vertragliche Vereinbarung der Wohnungseigentümer erweiterbar ist. Diese Entscheidung betraf allerdings ein Beschlussanfechtungsverfahren; zur Frage der Verbindlichkeit und Fälligkeit der von der Verwalterin vorgeschriebenen Akontozahlungen enthält sie keine Aussage.

3.3. Nach den eingangs zitierten Judikaturgrundsätzen ist die Frage, ob überhaupt und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die von der Verwalterin vorgeschriebenen Akontobeiträge auch nicht liegenschaftsbezogene Ansprüche enthalten könnten, nicht im Streitverfahren über die Berechtigung der Vorschreibungen zu entscheiden, sondern der Prüfung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren vorbehalten. In der von den Revisionswerbern selbst zitierten Leitentscheidung 5 Ob 171/02m (= wobl 2003/58 [zust Call]) sprach der Fachsenat aus, dass der – dort erhobene – Einwand der vertragswidrigen Vorschreibung von Bewirtschaftungskosten die Fälligkeit der Akontoforderung nicht hindert, weil auch solche Fragen der Richtigkeit und der Vertragsgemäßheit in der Regel erst nach Abführung eines Rechtsstreits geklärt werden können, was zu einer empfindlichen Einschränkung der für die Abdeckung der laufenden Verbindlichkeiten notwendigen Liquidität der Wohnungseigentümergemeinschaft führen würde. Der dort enthaltene Satz, es könne kein Zweifel bestehen, dass das – dort als vertragswidrig kritisierte – Verwalterhonorar zu den Bewirtschaftungskosten gehöre und bei der Festsetzung der Akontoforderung zu berücksichtigen sei, ist nicht so zu interpretieren, dass diese Frage auch tatsächlich im Streitverfahren über die Rechtmäßigkeit der Akontozahlung zu prüfen wäre; würde man jedem einzelnen Wohnungseigentümer die Bestreitung der inhaltlichen Richtigkeit einer Vorschreibung im Streitverfahren ermöglichen, würde dies die Zuordnung dieser Überprüfung in das außerstreitige Verfahren unterlaufen. Damit ist es auch nicht Gegenstand des Streitverfahrens, ob der Verwalter mit der konkreten Vorschreibung seine Kompetenzen allenfalls überschritten haben könnte (in dem Sinn auch Call in wobl 2003/58 [Anm zu 5 Ob 171/02m]).

4. Die Auffassung der Vorinstanzen, eine inhaltliche Überprüfung der monatlich vorgeschriebenen Bewirtschaftungskosten darauf, ob sie nicht unter den Begriff „liegenschaftsbezogene Aufwendungen“ zu subsumierende Kosten enthalten, sei im Streitverfahren nicht zulässig, sondern dem wohnrechtlichen Außerstreitverfahren vorbehalten, bewegt sich somit im Rahmen schon vorliegender höchstgerichtlicher Rechtsprechung und bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Dass – abstrakt gesehen – die Nichtleistung derartiger, nicht unerheblicher Beiträge mit diesem Argument zu einem Liquiditätsengpass der Eigentümergemeinschaft führen könnte, steht außer Zweifel; tritt sie nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsvertrags insoweit auch in Vorlage. In diesem Sinn ist auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf die entsprechende Bestimmung im Wohnungseigentumsvertrag zu verstehen. Die in der Revision angestellte Überlegung, derartige, nicht als liegenschaftsbezogene Aufwendungen zu wertende und daher von den einzelnen Wohnungseigentümern zu tragende Aufwendungen seien gar nicht geeignet, die Liquidität der Eigentümergemeinschaft zu beeinträchtigen, setzt bereits die inhaltliche Auseinandersetzung mit diesem Argument und damit die in der ständigen Judikatur abgelehnte inhaltliche Prüfung der Akontierungen auf ihre Rechtmäßigkeit voraus. Auch zu 5 Ob 187/12d hat der Fachsenat dem auf Zahlung der vorgeschriebenen Akontobeiträge zu einer Sonderrücklage Geklagten im streitigen Verfahren (lediglich) den Einwand erlaubt, die Vorschreibung beruhe auf einem ungültigen Aufteilungsschlüssel; dieser Fall liegt hier nicht vor.

5. Damit war die ordentliche Revision zurückzuweisen.

6. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, hat sie gemäß §§ 41, 50 ZPO Anspruch auf Ersatz der tarifmäßig verzeichneten Kosten der Revisionsbeantwortung, die gemäß § 46 ZPO entsprechend ihres Anteils am Gesamtstreitwert auf die jeweiligen Beklagten aufzuteilen waren (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.365).

Leitsätze

  • Bindung an die vom Verwalter vorgeschriebenen Akontozahlungen?

    Die Festsetzung von monatlichen Akontozahlungen ist eine Pflicht des Verwalters. Die Bestreitung der Richtigkeit, Rechtmäßigkeit oder Vollständigkeit der Vorschreibung durch Wohnungseigentümer hindert nicht die Fälligkeit der vorgeschriebenen Beiträge. Derartige Fragen sind nach erfolgter Rechnungslegung im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu klären, stellen aber keinen Einwand gegen die Pflicht der Wohnungseigentümer, die Akontozahlungen zu leisten, dar.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 116/19y | OGH vom 24.09.2019 | Dokument-ID: 1048573