Dokument-ID: 315179

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 144/11d; OGH; 25. August 2011

GZ: 5 Ob 144/11d | Gericht: OGH vom 25.08.2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt *****, vertreten durch Dr. Johannes Sommer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wilhelm D*****, vertreten durch Dr. Alexander Grau, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2011, GZ 39 R 29/11w-49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Für die Berechtigung einer Aufkündigung aus dem Grund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG ist entscheidend, ob der Tatbestand zur Zeit der Aufkündigung erfüllt war (RIS-Justiz RS0070378). Dass dies der Fall war, wird vom Revisionswerber nicht in Zweifel gezogen.

Wenn aufgrund einer Verhaltensänderung des Mieters nach Einbringung der Aufkündigung der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, kann dies bei der Beurteilung, ob das Gesamtverhalten des Mieters die Aufkündigung im Einzelfall noch rechtfertigt, mitberücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0070378; RS0070340). Ob die Wiederholung bisheriger Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, kann bei Verhaltensänderungen nach Einbringung der Aufkündigung stets nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0042790; RS0070378), weshalb dem in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042790). So wurde in einem Fall, wo das störende Verhalten nach der Kündigung noch mehr als ein Monat fortgesetzt wurde und es selbst sechs Monate später noch zu vereinzelten Vorfällen kam, sodass die Störungen zwar seltener stattfanden und weniger lange dauerten als früher, dennoch eine negative Zukunftsprognose für das Gesamtverhalten dieses Mieters erstellt (6 Ob 701/87 = MietSlg 39.424). Nach den hier maßgeblichen Feststellungen gingen Lärmstörungen, Beschimpfungen, Streit, Drohungen und das Schütten von Wasser auf den Balkon des darunter wohnenden Mieters nach dem Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (15.06.2009) bis Mitte Oktober 2009 weiter. Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass er allein kein unleidliches Verhalten setze, sondern dies im Wesentlichen von seinem früheren Mitbewohner R***** ausgegangen sei, kann ihn das nicht entschuldigen. Diesfalls ist es dem Beklagten eben nicht gelungen, Abhilfe zu schaffen, sodass der Schutzzweck des Kündigungsgrundes, die übrigen Hausbewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen, unterlaufen wurde (RIS-Justiz RS0070371 [T7]).

In der Rechtsprechung wird in Einzelfällen auch auf Entwicklungen, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung Wirkung zeigen oder unmittelbar bevorstehen, bei Beurteilung der Zukunftsprognose Bedacht genommen (RIS-Justiz RS0070340 [T1; T2; T4]). In diesem Zusammenhang hat sich der Beklagte darauf berufen, dass aufgrund des Auszugs und der Haftverbüßung seines ehemaligen Mitbewohners künftige Störungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen seien.

Dem hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass sich der Beklagte schließlich am unleidlichen Verhalten seines Mitbewohners beteiligt habe und er nicht in der Lage gewesen sei, die massiven, jahrelangen Störungen zu verhindern, weshalb von einer eine positive Zukunftsprognose rechtfertigenden grundsätzlichen Verhaltensänderung des Beklagten nicht ausgegangen werden könne.

Diese rechtliche Beurteilung ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Selbst wenn der frühere Mitbewohner nicht mehr zum Beklagten in die aufgekündigte Wohnung zurückkehrt, ist nicht auszuschließen, dass er selbst oder andere Mitbewohner oder Besucher des Beklagten mit ihm gemeinsam ähnliche Vorfälle provozieren, wie sie die übrigen Mieter des Hauses, insbesondere der unter der aufgekündigten Wohnung lebende Mieter, jahrelang hinzunehmen hatten. Wer nicht einmal nach Zustellung der Aufkündigung sein Verhalten und das seines Mitbewohners abzustellen vermag, kann eine im Hinblick auf ein künftig störungsfreies, friedliches Zusammenleben mit den übrigen Mietern gerichtete positive Zukunftsprognose nicht für sich in Anspruch nehmen.

Es liegt daher im Einzelfall keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vor, sodass die außerordentliche Revision des Beklagten mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen war.

Leitsätze