Dokument-ID: 1136277

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 198/22m; OGH; 21. Dezember 2022

GZ: 5 Ob 198/22m | Gericht: OGH vom 21.12.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. M*, 2. M*, ebenda, 3. S* GmbH, *, alle verteten durch Dr. Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die Antragsgegnerin * e.U., *, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manfred Buchmüller GmbH in Altenmarkt im Pongau, sowie sämtliche weitere Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ * KG*, wegen § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 21. September 2022, GZ 1 R 85/22z-50, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Antragsgegnerin war bis 31.12.2020 die Verwalterin einer Liegenschaft mit dem darauf errichteten Wohn- und Geschäftshaus. Die Antragsteller sind Mit- und Wohnungseigentümer von Objekten dieser Anlage. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Richtigkeit, Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit der Rücklagenabrechnungen für 2017, 2018 und 2019 sowie der Einzelbetriebskostenabrechnungen für diese Jahre.

[2] Das Erstgericht stellte näher bezeichnete Unrichtigkeiten der Rücklagenabrechnungen 2017, 2018 und 2019 fest und trug der Antragsgegnerin auf, binnen acht Wochen nachvollziehbare Einzelbetriebskostenabrechnungen für die Wohnungseigentumsobjekte der Antragsteller durch Unterlassung der Aneinanderreihung unterschiedlicher Aufwandsgruppen in der Kostenaufstellung und verständlicher Darstellung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage zu legen und hinsichtlich näher bezeichneter Wohnungseigentumsobjekte (Kfz-Abstellplätze) den Differenzbetrag zwischen 10 % bereits angelastetem und dem noch fehlenden Anteil auf 20 % USt verständlich und richtig zum Vorsteuerabzug auszuweisen. Für den Fall der nicht rechtzeitigen Befolgung dieses Auftrags wurde der Antragsgegnerin eine Geldstrafe von EUR 500,– angedroht.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin in der Hauptsache nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 10.000,– übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.

[4] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Ob die Jahresabrechnung des Verwalters eines Wohnungseigentumsobjekts den gesetzlichen Kriterien, so insbesondere § 34 WEG 2002 entspricht, wirft im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf. Die dabei gebotene Prüfung von einzelnen Positionen und/oder dem vom Verwalter (im Einzelfall nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen) vorgenommenen Aufbau der Abrechnung schließt eine Rechtsfrage dieser Qualität vielmehr eher aus (5 Ob 124/11p). Ein Widerspruch zu höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist nicht erkennbar.

[6] 2.1 Wie die Umsatzsteuer bei der Jahresabrechnung ausgewiesen werden kann, war Gegenstand der Entscheidung 5 Ob 183/09m. Dort sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass das Steuerkonto der Eigentümergemeinschaft selbst nicht Gegenstand der Prüfung der Jahresabrechnung ist und insoweit nur Leistungsvorgänge auszuweisen sind. Aus dieser Entscheidung ist aber abzuleiten, dass ein Abrechnungsmangel dadurch aufgezeigt wird, dass der Antragsteller – wie auch hier – behauptet, bestimmte Positionen in der Abrechnung würden nicht den „üblichen“ 10 % USt, sondern keiner USt oder dem höheren Steuersatz von 20 % unterliegen. Zu 5 Ob 124/11p sprach der Fachsenat aus, dass die getrennte Anführung von Konten für die 10 %-igen und 20 %-igen Umsätze dieser Entscheidung nicht widerspricht.

[7] 2.2 Dass die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgingen, eine Überprüfung (auch) der Steuerausweise in den Rücklagenabrechnungen sei zulässig, ist daher nicht korrekturbedürftig, zumal jeder Wohnungseigentümer einen individuellen Anspruch auf Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der gelegten Abrechnung nach § 20 Abs 3 iVm § 34 WEG hat (vgl RIS-Justiz RS0019408 [T14]; Schatzl/Spuzina in GeKo Wohnrecht II § 34 WEG Rz 36). Dass in die Abrechnung aufgenommene steuerliche Positionen auf ihre inhaltliche Richtigkeit über Antrag des Wohnungseigentümers unabhängig davon zu kontrollieren sind, ob die Verwalterin dazu verpflichtet ist, diese in die Abrechnung aufzunehmen, ist daher nicht zu beanstanden.

[8] 3.1 Auch die Auffassung der Vorinstanzen, eine Rechnung, die zwar am 31.12.2017 gestellt, jedoch von der Antragsgegnerin erst im Jahr 2018 bezahlt wurde, sei (erst) in die Rücklagenabrechnung 2018 aufzunehmen, ist nicht korrekturbedürftig. Warum es zulässig sein sollte, eine Rechnung betreffend eine „Gesamtsanierung“ zusammen mit den übrigen Rechnungen in die Abrechnung des Jahres der Leistungserbringung aufzunehmen, selbst wenn die Rechnung erst im folgenden Jahr erstellt und/oder bezahlt wird, ist nicht nachvollziehbar.

[9] 3.2 Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofs dient die Jahresabrechnung nämlich der Darstellung der tatsächlichen Zahlungsflüsse in der betreffenden Abrechnungsperiode – also im Kalenderjahr (5 Ob 123/14w mwN; RS0019408 [T26]). Ergebnis dieser Abrechnung muss das tatsächlich Geschuldete sein (RS0119057). Auf einen – schwer zu definierenden – inhaltlichen Zusammenhang mit anderen Rechnungen kommt es daher nicht an. Im Übrigen werteten die Vorinstanzen ohnedies auch weitere Abrechnungspositionen als unrichtig und/oder nicht nachvollziehbar, wozu substanziierte Ausführungen im Revisionsrekurs fehlen. Auf den in diesem Zusammenhang geltend gemachten sekundären Feststellungsmangel ist mangels Relevanz daher nicht einzugehen.

[10] 4.1 Warum der Spruchpunkt 2 des erstgerichtlichen Sachbeschlusses über den Antrag der Antragsteller hinausgehen soll, ist nicht ersichtlich. Sie haben zwar einzelne Einwendungen zu den Einzelbetriebskostenabrechnungen tatsächlich zurückgezogen, allerdings von Anfang an die Legung einer ordentlichen und richtigen Betriebskostenabrechnung für die Perioden 2017–2019 beantragt und dies (unter anderem) mit deren Unschlüssigkeit begründet, weil die Betriebskostenabrechnungen jeweils mit den jährlichen (Sonder-)Rücklagenabrechnungen vermischt worden seien, was zu einem nicht zu durchschauenden Abrechnungskonstrukt geführt habe. Diese Behauptungen zogen die Antragsteller nie zurück und diese machte das Erstgericht zur Grundlage seines Auftrags.

[11] 4.2 Eine Unbestimmtheit dieses Teils des Sachbeschlusses ist nicht erkennbar. Der der Verwalterin erteilte Auftrag ist konkretisiert, überdies könnte selbst im Fall eines – hier nicht vorliegenden – undeutlichen Spruchs die Begründung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses zur Auslegung herangezogen werden (vgl RS0000296). Die Auffassung der Vorinstanzen, die erforderliche Nachvollziehbarkeit der Einzelbetriebskostenabrechnung werde durch die im Spruch genannte Unterlassung der Aneinanderreihung der Aufwandsgruppen der Kostenaufstellung, die verständliche Darstellung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage und den Ausweis des Differenzbetrags zwischen den 10 % bereits geleisteten und dem noch fehlenden Anteil von 20 % USt bei den Kfz-Abstellplätzen erreicht, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall. Ob die vom Erstgericht im Einklang mit dem Antrag gewählte Fassung eines Ge- oder Verbots im Zusammenhang mit der Begründung ausreicht oder eine andere Fassung angebracht gewesen wäre, geht in seiner Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (vgl RS0037671 [zum Unterlassungsgebot]).

[12] 4.3 Dem Einwand, im Fall eines Antrags auf Verhängung einer Geldstrafe sei im Exekutionsverfahren zu klären, ob dem Auftrag entsprochen wurde, ist entgegenzuhalten, dass der Auftrag zur (verbesserten) Abrechnung gemäß § 34 Abs 3 WEG 2002 nicht durch Exekution nach der EO durchsetzbar ist, vielmehr in Fortsetzung des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens zu prüfen wäre, ob und inwieweit der Verwalter seiner Verpflichtung nachgekommen ist. In diesem Verfahren hat der Verwalter die Möglichkeit, entsprechend den aufgezeigten Mängeln die erneuerte Abrechnung nochmals zu verbessern und dem Auftrag zu entsprechen (RS0117530).

[13] 4.4 Den Auftrag in Spruchpunkt 2 betreffend die Unterlassung der Aneinanderreihung unterschiedlicher Aufwandsgruppen stützten die Vorinstanzen nicht auf die Ö-NORM A 4000, der von der Rechtsprechung tatsächlich keine Bindungswirkung zuerkannt wird (5 Ob 114/14x). Das Erstgericht begründete seinen Auftrag vielmehr schlüssig mit der mangelnden Nachvollziehbarkeit der Betriebskostenabrechnung bei Vermischung der unterschiedlichen Aufwandsgruppen und stützte sich dabei auf das Sachverständigengutachten, wonach die Vermischung der Aufwandsgruppen (Betriebskosten an Dritte, Ansparungen für das Haus, anteilige Umsatzsteuergutschriften) in der Abrechnung – unabhängig von der Anwendbarkeit der Ö-NORM A 4000 – deren mangelnde Nachvollziehbarkeit zur Folge hatte. Die behauptete Abweichung von höchstgerichtlicher Rechtsprechung liegt nicht vor.

[14] 5. Dass die Antragsteller keinen Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe bei Nichtbefolgung des Auftrags zur Legung der Einzelbetriebskostenabrechnung gestellt hätten, wird erstmals im Revisionsrekurs behauptet. Die insoweit unterbliebene Rechtsrüge im Rekurs kann aber auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht mehr nachgetragen werden (vgl RS0043573 [T37]). Im Übrigen lautete der ursprüngliche Antrag bereits, der Antragsgegnerin die Legung einer ordentlichen und richtigen Betriebskostenabrechnung bei sonstigen Zwangsfolgen aufzutragen. Die Auslegung, dies sei (auch) im Sinn des Antrags auf Verhängung einer Geldstrafe für den Fall der Nichtbefolgung des Auftrags zu verstehen, bedarf keiner Korrektur im Einzelfall.

[15] 6. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze