Dokument-ID: 736248

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 72/14w; OGH; 30. Juni 2014

GZ: 5 Ob 72/14w | Gericht: OGH vom 30.06.2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. B***** H*****, 2. A***** H*****, beide *****, vertreten durch Winkler Reich-Rohrwig Illedits Wieger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die Antragsgegnerin Gemeinnützige W***** mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, wegen §§ 14, 22 Abs 1 Z 6 WGG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. Februar 2014, GZ 38 R 326/13t-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Die Vorinstanzen bejahten übereinstimmend das Vorliegen einer Nutzungsvereinbarung unter Zugrundelegung der Bestimmungen über die Entgeltbildung nach dem WGG, die die Antragsgegnerin berechtigten, den Bauzins entsprechend dem von ihr neu abgeschlossenen Baurechtsvertrag gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG als Entgelt weiter zu verrechnen.

Die Antragsteller machen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 22 Abs 4 WGG) geltend.

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Berechnung des Entgelts darf nach § 14 Abs 1 WGG unter anderem (Z 4) im Falle der Einräumung eines Baurechts der jeweils zu entrichtende Bauzins angerechnet werden. Mit diesem Entgeltbestandteil ist der gesetzlich zulässige Bauzins gemeint (5 Ob 6/94 = MietSlg 46/5; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht22 § 14 WGG Rz 10). Dass der in dem von der Antragsgegnerin neu abgeschlossenen Baurechtsvertrag vereinbarte Bauzins der Bestimmung des § 3 Abs 2 BauRG oder sonst zum Nachteil der Nutzungsberechtigten gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstieße bzw „jenseits von Gut und Böse“ angesiedelt wäre (so Vonkilch, Fragen der Entgeltbildung bei Abschluss von Kettenbaurechtsverträgen durch gemeinnützige Bauvereinigungen, wobl 2010, 198 [200]), haben die Antragsteller im Verfahren nie geltend gemacht. Dafür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

2. Die Absätze 5 bis 7 des Art III der Baurechtsgesetznovelle 1990, BGBl 1990/258, gaben dem Grundeigentümer einen Anspruch auf Anpassung der Bauzinsvereinbarung unter den in dieser Bestimmung normierten Bedingungen. Abs 5 Z 1 leg cit nennt als eine Voraussetzung für die Anhebung durch den Baurechtsgeber, dass der Baurechtsvertrag vor dem Inkrafttreten dieser Novelle geschlossen worden ist. Um einen länger andauernden Zustand der Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wurde dieser Anspruch in Abs 7 mit einem Jahr befristet (vgl 1064 BlgNR 18. GP 3). Es mag zutreffen, dass der Baurechtsgeber innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der Baurechtsgesetznovelle 1990 keine Anpassung des im ursprünglichen Baurechtsvertrag vereinbarten Entgelts vorgenommen hat, sodass dessen Recht auf Anhebung des ursprünglich vereinbarten Baurechtszins gegenüber der Antragsgegnerin erloschen war. Die Anrechnung eines nach diesen Vorschriften angehobenen Zinses als Entgeltbestandteil gemäß § 14 Abs 1 WGG ist hier auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Auf den von der Antragsgegnerin nach Auslaufen des ursprünglichen Vertrags mit der Grundeigentümerin neu abgeschlossenen Baurechtsvertrag findet Art III Abs 5 der Baurechtsgesetznovelle 1990 schon dem Wortlaut nach keine Anwendung. Soweit die Antragsteller dennoch auf diese Bestimmung verweisen und daraus folgern, der von der Antragsgegnerin zulässigerweise gemäß § 14 Abs 1 Z 4 WGG verrechenbare Bauzins sei nach wie vor derjenige, der vor dem Inkrafttreten der BauRGNov 1990 gegolten habe, finden ihre Ausführungen keine gesetzliche Grundlage.

3.1 Im Verfahren war nie strittig, dass die Antragsteller seit Jahren (die Erstantragstellerin seit etwa 1979/1980) ein von der Antragsgegnerin errichtetes Reihenhaus nutzen und dafür laufend das ihnen monatlich vorgeschriebene und nach den Entgeltbestandteilen des § 14 Abs 1 WGG aufgegliederte Entgelt bezahlen. Auch wenn die Parteien keinen schriftlichen Vertrag abgeschlossen haben, sind die Vorinstanzen daher keineswegs unvertretbar vom Vorliegen eines – allenfalls durch schlüssiges Verhalten zustandegekommen – genossenschaftlichen Nutzungsverhältnisses ausgegangen. Soweit die Antragsteller dennoch geltend machen, es liege kein Nutzungsvertrag vor, sprechen sie schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage an, weil es sich dabei typischerweise um eine von den konkreten Umständen abhängige Einzelfallbeurteilung handelt (vgl RIS-Justiz RS0043253; 5 Ob 114/10s ua). Letztlich gehen auch die Antragsteller nicht von einem vertragslosen Zustand aus, sondern wenden sich dagegen, dass die Entgeltbesimmungsvorschriften des WGG Inhalt einer Vereinbarung seien.

3.2 § 14 Abs 1 WGG regelt das „Soll-Entgelt“ im Sinne des Kostendeckungsprinzips, normiert aber keinen gesetzlichen Mietzins in dem Sinn, dass die danach errechneten Beträge ohne Rücksicht auf eine bestehende Vereinbarung zwischen der gemeinnützigen Bauvereinigung und den Mietern bzw Nutzungsberechtigten eingehoben werden könnten (Würth/Zingher/Kovanyi aaO, § 14 WGG Rz 1; Schuster in Schwimann, ABGB² IV §§ 13, 14 WGG Rz 10; Pittl/Prader, Zur Verrechnung des Bauzinses im gemeinnützigen Wohnungsbau bei Verlängerung nach Ablauf des Baurechtsvertrags, immolex 2012, 302). Als Basis einer Entgeltzahlungsverpflichtung muss die Bestimmung des § 14 Abs 1 WGG – zumindest konkludent iSd § 863 ABGB – vereinbart sein (5 Ob 85/91; 5 Ob 111/02p wobl 2003/92 [Rosifka]; Schuster aaO; Vonkilch aaO, [201]).

3.3 Auch die Antragsteller räumen ein, dass eine Entgeltzahlungsverpflichtung nach den Vorschriften des WGG über die Entgeltbildung konkludent iSd § 863 ABGB zustandekommen kann und stellen für diesen Fall ihre Verpflichtung zur Zahlung des von der Antragsgegnerin der Entgeltberechnung zu Grunde gelegten Bauzinses auch nicht infrage. Die Auslegung des Inhalts eines Vertrags, mag er auch schlüssig zustandegekommen sein, hängt aber stets von den Umständen des Einzelfalls ab und unterliegt damit ebenfalls einer Einzelfallbeurteilung ohne darüber hinausgehender Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0042936 [T36, T47]; RS0042776 ua). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin den Antragstellern die monatlich fälligen Entgelte aufgeschlüsselt nach den Entgeltbildungsvorschriften des § 14 Abs 1 WGG vorgeschrieben hat. Dabei war auch der Bauzins als Entgeltbestandteil iSd § 14 Abs 1 Z 4 WGG ausgewiesen und wurde von den Antragstellern laufend entrichtet. Dass die Vorinstanzen bei dieser Sachlage das Zustandekommen einer konkludenten Vereinbarung über ein Nutzungsentgelt nach den Entgeltbildungsvorschriften des § 14 Abs 1 WGG angenommen haben, begründet keine Fehlbeurteilung, die im Interesse der Rechtssicherheit eine Korrektur durch den Obersten Gerichtshof erfordern würde.

4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 22 Abs 4 WGG).

Leitsätze