Dokument-ID: 956544

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 82/17w; OGH; 27. Juni 2017

GZ: 5 Ob 82/17w | Gericht: OGH vom 27.06.2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Holger S*****, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin Hildegard C*****, vertreten durch Dr. Christoph Joham, Mag. Andreas Voggenberger, Rechtsanwälte in Eugendorf, wegen § 24 Abs 6, § 52 Abs 1 Z 4 WEG über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 22. März 2017, GZ 22 R 67/17g-36, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Thalgau vom 30. Jänner 2017, GZ 10 Msch 3/15d-32, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Der Antragsteller ist zu 362/784 und die Antragsgegnerin zu 422/784 Anteilen Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** mit der Adresse *****.

Das Erstgericht hob den Beschluss der Eigentümergemeinschaft vom 11.06.2015 auf, mit dem der Sanierung des Kellerabgangs/der Kellermauer und der Klagsführung gegen Holger S***** zugestimmt wurde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin dagegen nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands jeweils EUR 10.000,– übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Die Antragsgegnerin beharrt darauf, Gegenstand der Beschlussfassung sei lediglich die Sanierung des Kellerabgangs/der Kellermauer, nicht die Beauftragung der Firma B***** GmbH gewesen. Die Sanierung der baufälligen Kellermauer sei jedenfalls als Erhaltungsarbeit iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG zu werten.

1.2. Damit weicht die Antragsgegnerin von den vom Rekursgericht gebilligten erstgerichtlichen Feststellungen ab, wonach die Eigentümergemeinschaft der Sanierung des Kellerabgangs bzw der Kellerstiege unter Zugrundelegung des Anbots der B***** GmbH vom 09.10.2013 in der Höhe von EUR 17.436,58 sowie der Klagsführung gegen Holger S***** wegen Schadenersatz in Höhe von EUR 10.436,58 zustimmte. Dass die Vorinstanzen bei dieser Beurteilung nicht nur den Wortlaut des Beschlusses auslegten, sondern darüber hinaus auch unter Berücksichtigung der Abstimmungsunterlagen in tatsächlicher Hinsicht davon ausgingen, dass den Mit- und Wohnungseigentümern nicht nur im Vorfeld der konkrete Umfang der beabsichtigten Maßnahmen mitgeteilt, sondern auch im vollen Umfang schriftlich zur Kenntnis gebracht worden war, ergibt sich insbesondere aus der Argumentation des Rekursgerichts im Zusammenhang mit der Beweisrüge der Antragsgegnerin. Der Oberste Gerichtshof, der auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht Tatsacheninstanz ist (RIS-Justiz RS0069246 [T4]), kann dem nicht entgegentreten.

1.3. Der Antragsgegnerin ist zuzugestehen, dass nur der schriftlich zur Kenntnis gebrachte Text des Beschlusses für die Beurteilung maßgeblich sein kann, was Gegenstand des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft und der Anfechtung durch Wohnungseigentümer ist und ein vom Wortlaut nicht gedeckter oder sogar davon abweichender subjektiver Parteiwille der an der Beschlussfassung beteiligten Wohnungseigentümer von der Rechtsprechung für irrelevant gehalten wird (RIS-Justiz RS0130029). Da aber nach den Feststellungen hier sogar der Text des Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht nur die Sanierung der tatsächlich baufälligen Kellermauer, sondern auch der Kellerstiege enthielt und den Abstimmungsunterlagen das Anbot der B***** GmbH über EUR 17.436,58 zugrunde gelegt wurde, ist die Auslegung der Vorinstanzen, damit habe die Eigentümergemeinschaft die in diesem Anbot konkret enthaltenen Arbeiten genehmigt, jedenfalls vertretbar und bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof im Einzelfall (vgl RIS-Justiz RS0042555 [T2], RS0044088 [T37]).

2.1. Durch den Verweis auf § 3 Abs 1 MRG in § 28 Abs 1 Z 1 WEG ist klargestellt, dass die Erhaltung „in jeweils ortsüblichem Standard“ für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung von Bedeutung ist, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung gehören, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mängelfreien Zustands handelt oder es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und dabei sogar Veränderungen vorgenommen werden. Allerdings sind dem Umfang von Sanierungsarbeiten auch im Bereich des WEG Grenzen durch die wirtschaftliche Zumutbarkeit gezogen; ein echter Verbesserungsaufwand gemäß § 28 Abs 1 Z 1, § 29 Abs 1 WEG kann nicht der Miteigentümergemeinschaft aufgebürdet werden (RIS-Justiz RS0083121). Wenngleich „Erhaltung“ iSd § 3 Abs 1 MRG und § 28 Abs 1 Z 1 WEG auch zu einer „Verbesserung“ führen kann, ohne dass dadurch eine Maßnahme außerordentlicher Verwaltung anzunehmen ist, setzt dies doch in der Regel eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit, Brauchbarkeit, einen bestehenden Mangel oder doch zumindest eine Schadensgeneigtheit voraus (RIS-Justiz RS0116998).

2.2. Dass aufgrund der festgestellten Baumängel der außenseitigen Mauer des Kellerabgangs, die einen ernsten Schaden des Hauses darstellen, die vom Erstgericht näher festgestellten Erhaltungsarbeiten an dieser Mauer erforderlich sind, ziehen auch die Vorinstanzen keineswegs in Zweifel. Sie beurteilten allerdings übereinstimmend die von der Firma B***** GmbH vorgeschlagenen Sanierungsarbeiten durch gänzliche Erneuerung der gesamten Kellerstiege samt Abbruch und Erneuerung der Bodenplatte und der Querwände um EUR 17.436,58, die Gegenstand der Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft waren, übereinstimmend als außerordentliche Verwaltungsmaßnahme (da nicht bloß der Erhaltung der baufällig gewordenen Außenmauer des Kellerabgangs dienend). Dies ist schon deshalb vertretbar, weil ein baufälliger oder auch nur mangelhafter Zustand der Kellerstiege selbst ebensowenig festgestellt wurde wie die Notwendigkeit, zum Zweck der Behebung des Bauschadens an der Mauer des Stiegenabgangs die gesamte Stiege samt Bodenplatten und Querwänden abzubrechen und zu erneuern. Eine neuerliche Abstimmung (nur) über die Sanierung der Außenmauer des Kellerabgangs bleibt der Eigentümergemeinschaft unbenommen.

3.1. Im Fall einer außerordentlichen Verwaltungsmaßnahme hat das Gericht gemäß § 29 Abs 2 WEG einen Beschluss aufzuheben, wenn die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde (Z 1) oder die Kosten der Veränderung – unter Berücksichtigung auf der in absehbarer Zeit anfallenden Erhaltungsarbeiten – nicht aus der Rücklage gedeckt werden könnten (Z 2). Im Fall der Z 2 ist der Beschluss aufrecht zu erhalten, wenn der nicht gedeckte Kostenanteil von der beschließenden Mehrheit getragen wird oder es sich um eine Verbesserung handelt, die allen Wohnungseigentümern eindeutig zum Vorteil gereicht (§ 29 Abs 3 WEG).

3.2. Auf die Frage, ob im konkreten Fall die Veränderung den Antragsteller übermäßig beeinträchtigen würde und diese Beeinträchtigung allenfalls iSd § 29 Abs 4 WEG durch eine Entschädigung ausgeglichen werden könnte, ist nicht näher einzugehen. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen haben die Parteien keine Rücklage für Sanierungen gebildet. Dass die Antragsgegnerin allein die Kosten der Sanierung des gesamten Kellerabgangs

– jedenfalls soweit diese über die Sanierungskosten der baufälligen Außenmauer des Stiegenabgangs hinausgehen – tragen würde, hat sich im Verfahren ebensowenig ergeben, wie dass die Gesamtsanierung des Kellerabgangs, der nur dem Zugang zu den dem Wohnungseigentumsobjekt der Antragsgegnerin zugeordneten Kellerräumlichkeiten dient, eindeutig allen Wohnungseigentümern zum Vorteil gereichen würde. Auch insoweit bedarf die vertretbare Rechtsauffassung der Vorinstanzen keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

3.3. Soweit die Antragsgegnerin im Revisionsrekurs neuerlich eine Verletzung der Anleitungs- und Erörtungspflicht durch das Erstgericht moniert, genügt der Hinweis darauf, dass es sich dabei um eine Frage der Mangelhaftigkeit des Verfahrens handelt (RIS-Justiz RS0037095), auch im Außerstreitverfahren aber ein vom Rekursgericht – wie hier – verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz in dritter Instanz nicht erfolgreich zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0050037).

4. Ausführungen zur Beschlussfassung in Bezug auf die Genehmigung der Klagsführung gegen den Antragsteller enthält der außerordentliche Revisionsrekurs entgegen § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG nicht. Auch die Rechtsrüge selbst, die sich auf die Behauptung beschränkt, bei Beschlussfassung sei nicht klar gewesen, dass eine Klagsführung gegen den Antragsteller aussichtslos sei, er sei aufgrund der Interessenskollission nicht stimm- und nicht anfechtungsberechtigt gewesen, die Beschlussfassung sei nicht rechtsmissbräuchlich und die Beurteilung allfälliger Prozesschancen nicht relevant, lässt nicht erkennen, worin eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG in Bezug auf diesen Beschluss gelegen sein soll. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob ein außerordentliches Rechtsmittel einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, allerdings auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden (RIS-Justiz RS0107501). Derartige Gründe führt die Antragsgegnerin aber weder in ihrem Zulassungsantrag selbst noch in der Rechtsrüge überhaupt an. In Ansehung dieses selbstständigen Streitpunkts (vgl RIS-Justiz RS0043338) fehlt es somit bereits an der gesetzesgemäßen Ausführung des außerordentlichen Rechtsmittels.

5. Insgesamt war der außerordentliche Revisionsrekurs somit zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Zur Abgrenzung der Erhaltung iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002

    Für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung ist die Erhaltung „in jeweils ortsüblichem Standard“ maßgeblich. Zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen gehören damit noch zur Erhaltung, wobei den Sanierungsarbeiten Grenzen durch die wirtschaftliche Zumutbarkeit gezogen sind – ein echter Verbesserungsaufwand kann der Miteigentümergemeinschaft nicht aufgebürdet werden.
    WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 82/17w | OGH vom 27.06.2017 | Dokument-ID: 956543