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Judikatur | Entscheidung

4 Ob 75/21i; OGH; 27. Mai 2021

GZ: 4 Ob 75/21i | Gericht: OGH vom 27.05.2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch die Dr. Martin Brandstetter Rechtsanwalt GmbH in Amstetten, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch die Kronberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen gerichtlicher Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Februar 2021, GZ 38 R 203/20i-30, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 3. Juli 2020, GZ 9 C 513/19z-25, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird geändert, sodass sie lautet:

„1. Die gerichtliche Aufkündigung vom 29. 07. 2019 wird für rechtswirksam erklärt.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei das Bestandobjekt in ***** (schraffiert dargestellte Lagerhalle Beilage ./A und Beilage ./11) geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 5.665,66 (darin EUR 866,78 USt und 465 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

[1] Die Klägerin vermietete der beklagten Speditionsunternehmerin ab Juni 2018 einen räumlich abgetrennten Teil einer Lagerhalle auf ihrem Grundstück zu einem Mietzins von monatlich 840 EUR brutto. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass das Mietverhältnis gemäß § 1 Abs 1 MRG dem MRG unterliegt.

[2] Nach dreizehn Monaten, in denen die Beklagte keine Mietzinszahlung leistete, schlug die Klägerin eine einvernehmliche Beendigung des Bestandverhältnisses vor. Das Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 04.09.2019 an den Anwalt der Beklagten enthält folgende Passage:

„Meine Mandantschaft leistet eine pauschale Abschlagszahlung in der Höhe von sieben Nettomonatsmieten, sohin in der Höhe von EUR 4.900,–; dies in der Form, dass Sie ihrer Mandantschaft hinsichtlich des bestehenden Mietzinsrückstandes (EUR 9.100,– zzgl. Umsatzsteuer für den Zeitraum von Vertragsbeginn bis einschließlich Juli 2019) einen Nachlass in eben dieser Höhe gewährt; der verbleibende Betrag an Mietzinsrückständen in der Höhe von EUR 4.200,– zzgl. Umsatzsteuer wird hiermit unbeschadet der laufenden Vergleichsgespräche zur unverzüglichen Bezahlung eingemahnt, die pünktliche Begleichung der zukünftigen Mieten wird erwartet.“

[3] Am 26.07.2019 brachte die Klägerin eine gerichtliche Aufkündigung wegen Nichtzahlung des Mietzinses nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG ein.

[4] Am 07.02.2020 leistete die Beklagte erstmals seit Beginn des Bestandverhältnisses eine Mietzinszahlung. Sie zahlte 2.600 EUR und berief sich dabei auf eine Mietzinsminderung von 75 %. Am 24.03., am 07.04. und am 19.05.2020 bezahlte die beklagte Partei jeweils 25 % der Nettomietzinse für die Monate März, April und Mai 2020.

[5] Die Klägerin stützte die gerichtliche Aufkündigung auf Nichtzahlung des Mietzinses.

[6] Die Beklagte wendete unter anderem ein, dass ihr der Mietzins nie mit Rechnungen mit UID-Nummern vorgeschrieben worden sei, dass ihr wegen Wassereintritten eine Mietzinsminderung von 75 % ab November 2018 zustehe und dass der Aufkündigung keine Mahnung vorausgegangen sei. Sie wendete außerdem Schadenersatzansprüche von EUR 1.193,60 ein.

[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Das Schreiben vom 04.09.2019 entspreche nicht den Anforderungen an eine Mahnung, weil der Mietzinsrückstand nicht konkret angegeben und nicht nach Monaten aufgeschlüsselt angeführt worden sei. Außerdem sei die Einmahnung zur Zahlung eines Geldbetrags im Rahmen eines Vergleichsvorschlags nicht geeignet, dem Mieter den Ernst der Lage vor Augen zu führen.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Da die Klägerin nicht die sofortige Zahlung des gesamten Mietrückstands gefordert habe, sei rechnerisch nicht nachvollziehbar, auf welche Mieten sich der nachgelassene Betrag beziehe. Die Kombination einer Mahnung mit einem Vergleichsanbot lasse die Beklagte nicht mit der geforderten Deutlichkeit erkennen, dass eine Zahlung notwendig sei, um die Gefahr einer Kündigung abzuwenden.

[9] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die auf eine Klagsstattgebung abzielt.

[10] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist zulässig, weil die Vorinstanzen den Charakter des Mahnschreibens verkannt haben. Das Rechtsmittel ist daher auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Klägerin zeigt in ihrem Rechtsmittel zutreffend auf, dass die Voraussetzungen für eine Aufkündigung wegen Nichtzahlung des Mietzinses, insbesondere auch die Mahnung durch den Vermieter, vorliegen.

[13] 1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG setzt voraus:

  1. einen im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch bestehenden Rückstand an Mietzinsen, die
  2. bereits mindestens 8 Tage vorher fällig waren und
  3. trotz einer nach Fälligkeit erfolgten Mahnung innerhalb der darin gesetzten oder wenigstens gewährten Nachfrist nicht entrichtet wurden (8 Ob 115/15t; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 30 MRG Rz 14).

[14] 1.1. Das Erfordernis einer Mahnung bezweckt, den Mieter nochmals auf die bereits eingetretene Fälligkeit seiner Mietzinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch Setzung oder Gewährung einer Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch Bezahlung der Forderung die Gefahr der Aufkündigung abzuwenden (RS0070229).

[15] 1.2. Die Mahnung muss nicht in einer bestimmten Form erfolgen (vgl RS0021197). Als gehörige Mahnung ist vielmehr jedes Verhalten des Vermieters anzusehen, aus dem sich ergibt, dass der Gläubiger die Leistung ernstlich fordert (RS0021329 [T2]).

[16] 2.1. In der Mahnung muss der Zinsrückstand hinreichend bestimmt angeführt werden. Keine ausreichende Einmahnung liegt daher im Hinweis, dass die Bestandnehmerin „mit fälligen Bestandzinsen in Rückstand geraten“ sei (3 Ob 608/89); oder im Schreiben, dass der Beklagte den Mietzinsrückstand der vorangegangenen Jahre, die sich insbesondere aus nicht vollzogenen Indexanpassungen ergeben hätten, unverzüglich einzuzahlen habe, wobei ein konkreter Betrag in diesem Schreiben nicht genannt, sondern nur festgehalten wird, dass dem Beklagten die Höhe seines Mietzinsrückstands ohnehin „bestens bekannt“ sei (8 Ob 115/15t Pkt 2). Die Aussage, dass der Mieter in einem bestimmten Zeitraum überhaupt keinen Zins bezahlt habe, wurde dagegen auch ohne ziffernmäßige Anführung der offenen Beträge als ausreichend konkret angesehen (8 Ob 47/03z unter Verweis auf JBl 1994, 826). Es genügt nämlich, wenn dem Mieter der bekannt gegebene Rückstand auch sonst objektiv nachvollziehbar ist (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht - MRG3 § 30 MRG Rz 21).

[17] Im vorliegenden Fall beschrieb die Klägerin den Mietzinsrückstand unmissverständlich mit „EUR 9.100,– zzgl. Umsatzsteuer für den Zeitraum von Vertragsbeginn bis einschließlich Juli 2019“. Dieser war für die Beklagte überdies schon deswegen leicht nachvollziehbar, weil sie während des gesamten Bestandverhältnisses nie Mietzins bezahlt hatte.

[18] 2.2. Eine Abweichung zwischen Rückstand und eingemahntem Betrag führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Sie ist auch dann zulässig, wenn sich etwa infolge unrichtiger Einschätzung der Sach- und Rechtslage später herausstellt, dass die Forderung des Vermieters nicht zur Gänze berechtigt war (RS0021329 [T3]).

[19] Dies muss auch im vorliegenden umgekehrten Fall gelten, wo die Klägerin ausdrücklich nur einen Teil des Mietzinsrückstands, nämlich „EUR 4.200,– zzgl. Umsatzsteuer [...] unbeschadet der laufenden Vergleichsgespräche zur unverzüglichen Bezahlung“ einmahnte. Die Teileinmahnung hatte für die Beklagte sogar den Vorteil, eine Aufkündigung schon durch Zahlung eines Betrags in dieser Höhe abwenden zu können.

[20] Eine Aufschlüsselung des eingemahnten Teilbetrags nach Mietperioden durch die Klägerin war nicht zwingend geboten, weil ohnehin gesetzliche Tilgungsregeln für Teilzahlungen bestehen.

[21] 3. Ob eine Mahnung als ausreichend anzusehen ist, ist nach ihrem Zweck zu beurteilen: Sinn der Mahnung vor Zulässigkeit einer Aufkündigung ist es, den Schuldner nochmals ausdrücklich auf die Fälligkeit seiner Zinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch die Setzung oder zumindest Gewährung einer angemessenen Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch die Bezahlung der als dringlich erkannten Forderung die Gefahr einer für ihn vielleicht nachteiligen vorzeitigen Vertragsauflösung abzuwenden (vgl 8 Ob 47/03z, hier zur Mahnung vor Zulässigkeit einer außergerichtlichen Auflösungserklärung im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB).

[22] Dieser Zweck wird hier nicht dadurch vereitelt, dass die Klägerin in ihrem Schreiben nur einen Teil der offenen Bestandzinse zur unverzüglichen Bezahlung einmahnte und zugleich einen Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung des Bestandverhältnisses erstattete. Mag auch – wie das Berufungsgericht hervorstrich – das letzte Wort in den Vergleichsverhandlungen zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen worden sein, so machte die Klägerin mit ihrer Formulierung, dass sie EUR 4.200,– zuzüglich USt „unbeschadet der laufenden Vergleichsgespräche zur unverzüglichen Bezahlung“ einmahnte, ausreichend deutlich, dass sie für zumindest diesen Teilbetrag die Leistung ernstlich fordert (vgl RS0021329 [T2]). Der Beklagten – und umso mehr ihrem Rechtsanwalt als dem unmittelbaren Adressaten des Schreibens – musste also klar sein, dass ohne umgehende Zahlung eine Aufkündigung drohte.

[23] 4. Die Beklagte wandte gegen die Aufkündigung ein, dass die Mietzinse mangels ordnungsgemäßer Rechnungslegung nie fällig geworden seien; sowie dass ihr ein Mietzinsminderungsanspruch zustehe. Ihr Vorbringen ist jedoch nicht ausreichend, den von der Klägerin behaupteten Kündigungsgrund zu widerlegen:

[24] 4.1. Gemäß § 15 Abs 3 MRG hat der Mieter den Mietzins, sofern kein späterer Zahlungstermin vereinbart ist, am Fünften eines jeden Kalendermonats im Vorhinein zu entrichten. Eine abweichende Regelung im Mietvertrag hat die Beklagte nicht behauptet, sodass die Mietzinse monatlich auch ohne gesonderte Vorschreibung durch die Klägerin fällig wurden.

[25] 4.2. Die Beklagte behauptet Mietzinsminderungsansprüche in Höhe von 75 % aufgrund von Wassereintritten, jedoch erst ab November 2018. Sie leistete weder Mietzinszahlungen für die fünf Monate davor, noch zahlte sie einen geminderten Mietzins für die folgenden acht Monate bis zur Aufkündigung.

[26] Während des Verfahrens leistete die Beklagte eine Nachzahlung von 25 % der offenen Nettomietzinse. Damit sind auch nach ihrem eigenen Rechtsstandpunkt noch jeweils 75 % der Mietzinse für die ersten fünf Monate des Bestandverhältnisses offen.

[27] 4.3. Zusammengefasst war die Beklagte daher selbst ausgehend von ihrem eigenen Vorbringen im Zeitpunkt der Aufkündigung mit Mietzinsen im Rückstand, sodass am groben Verschulden der Mieterin kein Zweifel besteht.

[28] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

[29] Die Einwendungen der Beklagten gegen das erstinstanzliche Kostenverzeichnis überzeugen nicht. Die Zustellung der Klage am Sitz der deutschen Klägerin war ex ante nicht weniger aussichtsreich als an der Adresse der in Österreich gemieteten Lagerhalle. Dass die Klägerin innerhalb der Frist gemäß § 257 Abs 3 ZPO einen vorbereitenden Schriftsatz und eine Replik einbrachte, war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil die Beklagte in ihrem dazwischen erstatteten umfangreichen vorbereitenden Schriftsatz neue Tatsachenbehauptungen aufstellte, die in ihren Einwendungen nicht enthalten gewesen waren.

Leitsätze

  • Fälligkeit von Mietzinsen ohne „UID-Rechnung“?

    Gemäß § 15 Abs 3 MRG hat der Mieter den Mietzins, sofern kein späterer Zahlungstermin vereinbart ist, am Fünften eines jeden Kalendermonats im Vorhinein zu entrichten. Eine abweichende Regelung im Mietvertrag müsste die Mieterin behaupten, sodass der Einwand mangelnder Fälligkeit aufgrund einer UID gerechten Rechnung nichts an der Fälligkeit und damit am Rückstand ändert, da die Mietzinse somit monatlich auch ohne gesonderte Vorschreibung durch die Vermieterin fällig werden.
    Stanislava Doganova | Judikatur | Leitsatz | 4 Ob 75/21i | OGH vom 27.05.2021 | Dokument-ID: 1098336