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Roman Reßler | News | 17.08.2014

Anbringung einer Videokamera vor der Wohnungseingangstür durch einen Mieter

Gastautor Mag. Reßler geht in seinem Beitrag anhand einer jüngsten OGH-Entscheidung der Frage nach, ob die Anbringung einer Videokamera die schutzwürdigen Interessen des Vermieters und anderer Mieter beeinträchtigt.

Rechtsgrundlagen

§ 9 MRG, §§ 16, 1096 ABGB, Art 8 EMRK

OGH vom 17.12.2013, 5 Ob 69/13b

Sachverhalt

Der Antragsteller ist Mieter der Wohnung Top Nr 1, welche sich im Eigentum der Antragsgegnerin als Vermieterin befindet. Der Antragsteller (Mieter) möchte eine Videokamera außenseitig am Türstock seiner Wohnungstür anbringen, um den Gangbereich vor seiner Wohnung überwachen zu können.

Neben seiner Wohnung liegt die ebenfalls vermietete Wohnung Top Nr 2. Für Personen, welche die Wohnung Top Nr 2 betreten oder verlassen wollen, ist es praktisch unmöglich nicht in den Überwachungsbereich der Videokamera zu geraten. Nur dann, wenn man sich außerhalb des Überwachungsbereiches der Videokamera vorbeibewegt, ist man nicht erkennbar. Der Mieter der Wohnung Top Nr 2 hat der Anbringung einer Videokamera nicht zugestimmt.

Im außerstreitigen Verfahren beantragt der Antragsteller (Mieter) die Antragsgegnerin als Vermieterin zur Zustimmung zu der von ihm beabsichtigten Anbringung der Videokamera zu verpflichten.

Er begründete seinen Antrag damit, dass seine Wohnung in einer Nische im Erdgeschoss liege, stark einbruchsgefährdet wäre und es auch in vergleichbaren Objekten in der Wohnhausanlage bereits mehrere Einbruchsversuche gegeben hätte. Er selbst wolle keine Videokamera, welche Bilder aufzeichnet installieren, sondern in Echtzeitübertragung lediglich an einem Bildschirm im Inneren der Wohnung die Kamera anschließen. Somit bestünden auch keine datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die Anbringung der Kamera.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Bereits die mögliche Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen, nämlich der Persönlichkeitsrechte auf Achtung der Privatsphäre, verhindere die Ersetzung der Zustimmung (§ 16 ABGB iVm Art 8 EMRK). Das Gericht zweiter Instanz gab dem von Antragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge.

Gegen den Sachbeschluss der zweiten Instanz erhob der Antragsteller den Revisionsrekurs wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer Stattgebung seines Antrages, wobei hilfsweise auch ein Aufhebungsantrag gestellt wurde.

Diesem Revisionsrekurs wurde durch das Höchstgericht jedoch nicht Folge gegeben. In seiner rechtlichen Beurteilung wies das Höchstgericht darauf hin, dass die Ersetzung der Zustimmung des Vermieters zur Anbringung einer Videokamera nach den Bestimmungen des § 9 MRG zu beurteilen ist.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 9 MRG hat ein Hauptmieter zunächst eine von ihm beabsichtigte wesentliche Veränderung des Mietgegenstandes den Vermieter anzuzeigen.

Dabei stellt diese Bestimmung fest, dass der Vermieter seine Zustimmung und eine erforderliche Antragstellung bei der Baubehörde nicht verweigern kann, wenn die Veränderung dem jeweiligen Stand der Technik und der Übung des Verkehrs entspricht und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters dient. Die einwandfreie Ausführung der Veränderung muss gewährleistet sein, der Hauptmieter die Kosten tragen und durch die Veränderung darf keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters zu besorgen sein. Weiters darf die Veränderung keine Schädigung des Hauses nach sich ziehen und keine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen bewirken.

In Bezug auf das Tatbestandsmerkmal, dass „durch die Veränderung keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters zu besorgen ist“ stellte der OGH fest, dass diesbezüglich die Behauptungs- und materielle Beweislast den Vermieter trifft.

Fehlt hingegen auch nur eine der gesetzlichen Voraussetzungen oder ist eine negative Voraussetzung gegeben, so ist eine verweigerte Zustimmung des Vermieters als bindend anzusehen. Der vom Mieter geltend gemachte Schutz seines Eigentumes vor Einbrechern, ist nach Ansicht des Höchstgerichtes ein durchaus geeignetes Schutzziel im Sinne eines wichtigen Interesses des Mieters anzusehen.

Anders verhält es sich jedoch in Bezug auf die kumulativ als Tatbestandsvoraussetzung vorliegende Verkehrsüblichkeit der Anbringung von Videokameras in Wohnhäusern.

Diese lässt sich nämlich entgegen der Ansicht des Mieters weder aus der von der Vermieterin bereits genehmigten Anzahl von Videokameras noch aus der von der Vermieterin selbst durchgeführten Videoüberwachung an verschiedenen Stellen im Wohnbereich schließen.

Berechtigt ist jedoch der Einwand der Eigentümerin (Antragsgegnerin), nämlich dass durch die Anbringung einer Videokamera über der Wohnungstür eines Mieters sowohl eine Beeinträchtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Interessen, als auch der Interessen eines anderen Mieters erfolgt. Gemäß der Bestimmung des § 1096 ABGB haben Mieter auch einen Anspruch darauf, dass der Vermieter Störungen vorbeugt. Der Vermieter ist auch im Rahmen des § 9 Abs 1 Z 5 MRG verpflichtet, Interessensbeeinträchtigungen seiner Mieter bei Ausübung ihres Bestandrechts zu verhindern.

Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde, unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen stellen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes auf Achtung des Privatbereiches und der Geheimsphäre eines Menschen dar (Artikel 8 EMRK).

Dieser Schutz der Privatsphäre eines Mieters vor solchen Maßnahmen endet eben nicht an der inneren Wohnungstür. Das Betreten oder Verlassen einer Wohnung durch den Mieter, seiner Mitbewohner oder Gäste darf nicht lückenlos überwacht und aufgezeichnet werden.

Es reicht schon, wenn sich ein Betroffener durch die Art der Anbringung und den äußeren Anschein einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt fühlt.

Diese schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre ist nach Ansicht des OGH schon dann zu bejahen, wenn es sich nicht um eine echte Videokamera, sondern um eine nicht erkennbare Kameraattrappe handelt (8Ob 125/11g).

Es ist daher im gegenständlichen Fall auch ohne Bedeutung, ob der Mieter bloß eine Genehmigung zur Anbringung einer Videokamera für eine Echtzeitüberwachung anstrebt oder nicht.

Fazit

Bildaufnahmen im Privatbereich, fortdauernde unerwünschte Überwachungen und Verfolgungen stellen eine Verletzung des Persönlichkeitsrechtes auf Achtung des Privatbereiches und der Geheimsphäre eines Menschen dar (Artikel 8 EMRK).

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum".