Dokument-ID: 496592

Valerie Gröschl | News | 10.12.2012

Bauliche Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt gemäß § 16 Abs 2 WEG

Gastautorin Mag. Gröschl, Juristin bei der Mietervereinigung Österreichs, gibt in ihrem Beitrag einen Überblick über die wesentlichsten Punkte, die Wohnungseigentümer bei einer baulichen Änderung am Objekt beachten sollten.

Gemäß § 16 Abs 2 WEG ist ein Wohnungseigentümer zu Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten berechtigt. Dieses Individualrecht ist jedoch beschränkt, je nach dem inwieweit in die Rechte anderer Mit- und Wohnungseigentümer eingegriffen wird. Zu den einzelnen diesbezüglichen Voraussetzungen bestehen viele Unklarheiten. Die Judikatur ist hier sehr komplex und einzelfallbezogen. Folgender Beitrag soll einen kurzen Überblick über jene Punkte verschaffen, welche zu beachten sind, wenn ein Wohnungseigentümer bauliche Änderungen an seinem Objekt vornehmen will. Anhand von Fallbeispielen aus der Rechtsprechung soll eine Orientierungshilfe für die Praxis gegeben werden.

Unter den Begriff der Veränderungen fallen auch Widmungsänderungen im weitesten Sinne, doch soll hier lediglich auf bauliche Änderungen eingegangen werden. (Zum Thema Widmungsänderungen vgl Schinnagl, Widmungsänderungen, Der Mieter - Wohnen und Recht 3. Ausgabe 2012, 14.)

Voraussetzungen

Möchte ein Wohnungseigentümer Änderungen an seinem Wohnungseigentumsobjekt vornehmen, so ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich hierbei um genehmigungsfreie oder genehmigungsbedürftige Veränderungen handelt.

Genehmigungsfreie Veränderungen sind dem Wohnungseigentümer grundsätzlich gestattet. Die Einholung der Zustimmung aller übrigen Mit- und Wohnungseigentümer ist nicht erforderlich. Als Beispiele für solche bagatellhaften Änderungen seien angeführt: das Entfernen einer nichttragenden Innenwand (5 Ob 90/98s), das Einschlagen von Nägeln oder Anbohren von Wänden (5 Ob 50/02t) oder der Anschluss eines Ofens an einen vorhandenen Kamin (5 Ob 140/04f). In folgenden Fällen wurde die Geringfügigkeit von Änderungen verneint: die Montage von Schuhregalen im Gangbereich (5 Ob 25/08z), das Aufstellen einer Patientenwartebank auf dem gemeinschaftlichen Gang (7 ob 659/79) oder die Vorverlegung der Außenwand eines Hauses bis an den vorderen Rand einer Loggia (5 Ob 258/06m).

Sobald jedoch die Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Mit- und Wohnungseigentümer besteht, muss der änderungswillige Wohnungseigentümer die Zustimmung sämtlicher Mit- und Wohnungseigentümer einholen oder den Ersatz der Zustimmung durch den Außerstreitrichter erwirken.

Abhängig von der Art der Veränderung sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen solcher genehmigungsbedürftiger Änderungen abgestuft.

Änderungen am Wohnungseigentumsobjekt, die nur das Objekt selbst betreffen

Gemäß § 16 Abs 2 Z 1 WEG darf die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Wohnungseigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen, des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge haben.

Meist kommt es hier auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an und liegt ein weiter Ermessenspielraum des Gerichtes vor.

Eine mögliche Schädigung des Hauses wird in der Regel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens schnell zu klären sein.

Hinsichtlich des Einwands der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer sind nur wesentliche Beeinträchtigungen relevant. Behauptungs- und beweispflichtig sind die der Änderung widersprechenden Wohnungseigentümer. Eine Interessensabwägung hat hier jedoch nicht stattzufinden. Es ist lediglich zu prüfen, ob die Interessen der anderen Wohnungseigentümer so schutzwürdig sind, dass das Nutzungsrecht des änderungswilligen Wohnungseigentümers unterliegt.

Der in der Praxis häufigste Anwendungsfall der Verletzung schutzwürdiger Interessen ist die Frage des äußeren Erscheinungsbildes. Relevant ist hier nicht jegliche Veränderung, sondern nur eine solche, welche als Verschlechterung zu werten ist. In der Regel kann dies durch Abhaltung eines Lokalaugenscheines iVm mit einer Lichtbilddokumentation geklärt werden und ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens diesbezüglich nicht erforderlich. Für die Frage des äußeren Erscheinungsbildes ist jegliche Änderung von Relevanz. Es ist dabei nicht auf die jeweilige Bauordnung abzustellen. Im Einzelfall ist ua zu beachten, ob das Gebäude einem architektonischen Konzept folgt oder ob es sich um ein äußerlich einfallsloses Bauwerk handelt. So wurde beispielsweise die Loggiaverglasung bei einem optisch einfallslosem Bauwerk aus den 50er, 60er Jahren bejaht (LGZ Graz 3 R 173/86), bei einem Gebäude, mit einer bestimmten Anordnung von Loggien einem architektonischen Konzept folgend jedoch verneint (5 Ob 1029/91). Weiters wird auch unterschieden, ob es sich um eine Änderung an der straßen- oder hofseitigen Fassade handelt. So wurde zB die Beeinträchtigung des äußeren Erscheinungsbildes bei der Anbringung einer Markise auf der Hofseite verneint (LGZ Wien 41 R 95/81).

Änderungen mit Inanspruchnahme allgemeiner Teile

Werden auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen, muss die Änderung überdies gemäß § 16 Abs 2 Z 2 WEG der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers dienen.

Bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit kommt dem Gericht wiederum ein gewisser Ermessensspielraum zu. Die Verkehrsüblichkeit zielt auf heute selbstverständliche Versorgungseinrichtungen moderner Wohnungen und nicht auf Ausstattungen zur Befriedigung von Luxusbedürfnissen ab (immolex 1999/1000 = MietSlg 50.576; MietSlg 58.416). Als verkehrsüblich wurde beispielsweise die Errichtung eines Aufzuges in einem Haus, dessen oberstes Geschoß nur über 84 Stufen erreichbar ist, gesehen (5 Ob 12/92), nicht der Übung des Verkehrs entspricht hingegen die Einbeziehung eines Teils des über einer Wohnung befindlichen Flachdachs zur Errichtung einer Terrasse (5 Ob 92/94).

Entspricht die Änderung nicht der Verkehrsüblichkeit und werden auch keine schutzwürdigen Interessen der übrigen Wohnungseigentümer beeinträchtigt, so bleibt zu prüfen, ob ein wichtiges Interesse des änderungswilligen Wohnungseigentümers vorliegt. Eine Abwägung der Interessen des Änderungswilligen gegenüber den widersprechenden Wohnungseigentümern hat zu unterbleiben. Die Rechtsprechung zum wichtigen Interesse ist sehr restriktiv. Nicht jeder Wunsch nach einer Wohnungsvergrößerung oder nach Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen ist als wichtiges Interesse zu betrachten. Dies gilt auch für die Befriedigung von Luxusbedürfnissen. Als Beispiele, in denen das wichtige Interesse abgelehnt wurde, seien angeführt: die Neuerrichtung eines Balkons bzw Terrasse für einen Geschäftsraum (5 Ob 116/92), die Neuerrichtung einer Dachterrasse zur Verbesserung des Raumklimas und Belichtung der Wohnung (5 Ob 63/08p), die Errichtung eines Flugdaches auf der Dachterrasse (5 Ob 97/09i) oder die Lifterrichtung im 1. Stock zum Erreichen einer Wohnung (5 Ob 43/11g).

Die Wichtigkeit des Interesses ist in Relation zum Ausmaß der Inanspruchnahme der allgemeinen Teile zu sehen. Auch wirtschaftliche Interessen sind zu berücksichtigen. Die Judikatur ist hier sehr einzelfallbezogen. In folgenden Fällen wurde das wichtige Interesse bejaht: die Lifterrichtung im 1. Stock für den Betreiber einer Zahnarztordination zum barrierefreien Erreichen der Ordination (5 Ob 143/11g) oder der familiär bedingte Wunsch zur Verglasung einer Terrasse zur Vergrößerung der Wohnfläche (5 Ob 47/06g).

Aufgrund der untergeordneten Relevanz in der praktischen Anwendung sei der Vollständigkeit halber an dieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass in § 16 Abs 2 Z 2 WEG weiters die sog privilegierten Änderungen aufgezählt werden. § 16 Abs 2 Z 3 WEG regelt Änderungen mit Inanspruchnahme anderer Wohnungseigentumsobjekte.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass es bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG vorliegen, immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, da in der umfangreich vorliegenden Rechtsprechung durchaus ähnlich gelagerte Fälle unterschiedlich entschieden wurden.

Zur Autorin:

Mag. Valerie Gröschl ist Juristin der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.

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