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Roman Reßler | News | 18.11.2013

Der nächste Winter kommt bestimmt: 2 ausgewählte Entscheidungen

Gastautor Mag. Reßler bespricht in seinem Beitrag zwei wichtige Entscheidungen zum Thema Auswahl- und Überwachungsverschulden bei Beauftragung von Winterdienstunternehmen.

Rechtsgrundlagen

§ 93 StVO, § 1315 ABGB, § 1319a ABGB

OGH vom 29.04.2009, 2 Ob 217/08p

In gegenständlicher Entscheidung, kam die Klägerin (verletzte Passantin) am 11.01.2004 gegen 10.30 Uhr auf einem eisglatten Gehweg innerhalb der Wohnanlage der beklagten Eigentümergemeinschaft zu Sturz und brach sich die Hand. Die Verwalterin hatte mit der Besorgung des Winterdienstes ein selbstständiges Unternehmen (erster Nebenintervenient), welcher sich in der Folge die Arbeiten mit seinem Mitarbeiter W. (zweiter Nebenintervenient) aufteilte, beauftragt. Der erste Nebenintervenient räumte die Garagenzufahrten von Schnee, während der zweite Nebenintervenient alle Gehsteige, Stiegen und Wege betreute. Die Räumung und Streuung des gesamten Areals dauerte 6 Stunden, wenn nur gestreut wurde etwa 4 bis 4,5 Stunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Unfall ereignete sich auf einem Gehweg innerhalb der Wohnhausanlage der beklagten Eigentümergemeinschaft. Die Betreuung dieses Weges fällt nicht unter die Anrainerpflichten nach § 93 Abs 1 StVO, da sich die nach dieser Bestimmung zu betreuenden Gehsteige und Gehwege entlang der Liegenschaft und nicht innerhalb der Liegenschaft befinden dürfen. In der Folge prüfte der OGH die Haftungsvoraussetzungen für die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB.

Normalerweise fallen Verbindungswege innerhalb einer Liegenschaft nicht unter die Bestimmung des § 1319a ABGB, da diese nicht von jedermann unter gleichen Bedingungen benützt werden dürfen. Im gegenständlichen Fall konnte dieser jedoch von jedermann benutzt werden, weshalb ein „Weg“ leg cit vorlag und somit eine Haftung des Wegehalters für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit in Betracht zu ziehen war.

Nach den Feststellungen der ersten Instanz, war der Wegzustand auf grobe Fahrlässigkeit des ersten Nebenintervenienten zurückzuführen. Werden die Aufgaben des Wegehalters durch einen selbstständigen Unternehmer besorgt, so gehört dieser nicht mehr zu seinen “Leuten“. Dieser haftet nur für sein Auswahlverschulden, wobei dafür schon leichte Fahrlässigkeit genügt. Zu den Verwaltungshandlungen des Verwalters gehört auch die Organisation des Winterdienstes. Allein die festgestellte Dauer der Räum- und Streuarbeiten von 4,5 bis 6 Stunden indiziert beträchtliche organisatorische Mängel. Jedenfalls hätte sich die Verwalterin angesichts des weitläufigen Areals überzeugen müssen, ob das Unternehmen über ausreichend Personal und Gerätschaft verfügt, um die Reinigung und Streuung bewältigen zu können, weshalb eine Haftung für ein Auswahl- und Überwachungsverschulden der beklagten Eigentümergemeinschaft zu bejahen war.

Rechtsgrundlagen

§ 1315 ABGB

OGH vom 11.02.2010, 5 Ob 209/09k

Im gegenständlichen Fall erfolgte die Besorgung des Winterdienstes durch die Mit- und Wohnungseigentümer selbst.

Am 21.01.2006 rutschte der Kläger als Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft innerhalb dieser am Weg vom Garagenplatz zum Hauseingang aus, kam zu Sturz und zog sich Verletzungen zu. Mit seiner Klage gegen die Verwalterin sowie den Nebenintervenienten als Mehrheitseigentümer, begehrte er Schadenersatz (Heilbehandlung, Schadenersatz, unfallkausale Spesen etc)

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde bei Abschluss des Verwaltungsvertrages mündlich vereinbart, dass aus Kostengründen die Hausreinigung sowie der Winterdienst weiterhin von den Hausbewohnern durchgeführt werden, wobei diesbezüglich kein formeller Beschluss gefasst wurde. Es wurden auch über Jahre hinweg an die Verwalterin keinerlei Beschwerden im Zusammenhang mit der Schneeräumung herangetragen.

Die Verwalterin hat die Hausbewohner jedes Jahr eigens auf die Notwendigkeit wieder einen bedarfsgerechten Winterdienstplan zu erstellen, hingewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Wie schon in der soeben besprochenen Entscheidung hat der OGH auch hier festgehalten, dass die Besorgung bzw Veranlassung des Winterdienstes zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung der Eigentümergemeinschaft gehört. Eine persönliche Haftung des Verwalters gegenüber Dritten aber auch den einzelnen Wohnungseigentümern setzt eigenes, insbesondere Organisations- oder Auswahlverschulden voraus. Im vorliegenden Fall wurde das Thema „Winterdienst“ im Zuge der Verwalterbestellung ausdrücklich erörtert, ein eigener Plan erstellt, wann durch welchen Eigentümer die Reinigung zu erfolgen hatte. Die Verwalterin konnte auch nachweisen, dass sie die Bewohner jedes Jahr eigens auf die Notwendigkeit, wieder einen bedarfsgerechten Winterdienst zu erstellen, hingewiesen hat.

Nachdem über 6 Jahre auch keine Änderungswünsche oder Beschwerden über die unzulängliche Verrichtung des Winterdienstes an die Hausverwaltern herangetragen wurden, konnte der OGH auch keine Obliegenheitsverletzung erkennen und sah keinen Anlass für eine Änderung der funktionierenden Organisation.

Fazit

Gerade in den letzten 10 Jahren ist die Anzahl der Liegenschaften, welche durch selbstständige Winterdienstunternehmen betreut werden, massiv gestiegen. Vor dem Hintergrund möglicher Haftungsansprüche von Geschädigten für ein etwaiges Auswahl-, oder Überwachungsverschulden ist es ratsam, sich vor Beauftragung eines Winterdienstunternehmens ein genaues Bild über die Firma zu machen. Dazu gilt es Informationen über die Anzahl der Beschäftigten, der technischen Ausrüstung sowie auch etwaige Referenzen einzuholen.

Eine regelmäßige Kontrolle der Reinigungs- und Streuarbeiten, sowohl durch das Unternehmen selbst, als auch durch den Auftraggeber (Liegenschaftseigentümer) ist dabei unbedingt empfehlenswert.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum".