Dokument-ID: 1068551

Roman Reßler | News | 21.07.2020

Einstweilige Verfügung gegen die Zutrittsmöglichkeit aufgrund von Generalkeycards im Wohnungseigentum

Gastautor Mag. Roman Reßler erläutert anhand einer erstmaligen Rechtsprechung des OGH, wie Wohnungseigentümer rechtlich dagegen vorgehen können, dass Verwalter grundsätzlich per Generalkeycard noch Zutritt zur Wohnung haben.

Behält sich ein Vermieter oder Verwalter einer Liegenschaft einen Schlüssel zurück, so wird in einem solchen Fall die Privatsphäre des Mieters oder Wohnungseigentümers verletzt. Ob es sich dabei um einen zurückbehaltenen oder nachträglich hergestellten bzw mechanischen oder elektronischen Schlüssel (Keycard) handelt, kann dabei keinen Unterschied machen.

Aktuelle Entscheidung – Sachverhalt

Der Entscheidung 8 Ob 139/19b vom 08.04.2020 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Im gegenständlichen Fall war die klagende Partei Wohnungseigentümer von zwei Apartmenthäusern und die beklagte Partei eine Gesellschaft, welche in beiden Häusern mehrere Wohnungen im Auftrag der jeweiligen Wohnungseigentümer vermietet und verwaltet hat.

In den Häusern befand sich eine Hausschließanlage, die durch codierte elektronische Schlüssel (Keycards) bedient wurde. Die beklagte Gesellschaft verfügte über so genannte Generalkeycards, mit denen auch die Wohnungen der klägerischen Parteien (Wohnungseigentümer) geöffnet werden konnten. Die Gesellschaft verfügte auch über ein Gerät mit welchem die Codierungen für Keycards durchgeführt werden konnten.

In der Folge wurde eine Keycard an einen Malermeister weitergegeben, der im Auftrag der Gesellschaft ohne Zustimmung der klägerischen Partei ein Haus zwecks Feststellung notwendiger Malerarbeiten besichtigt hat.

Daraufhin klagten die Wohnungseigentümer die Gesellschaft auf Auskunft mit wie vielen Keycards die Wohnungen geöffnet werden könnten, die nachweisliche Vernichtung der Keycards sowie auf die Unterlassung weiterer Codierungen von Generalkeycards, verbunden mit einem Antrag auf einstweilige Verfügung. Sie begründeten ihr Klagsbegehren dahingehend, dass das Einbehalten und Anfertigen der Keycards einen unzulässigen Eingriff in ihre Eigentumsrechte darstelle. Es liege dadurch auch eine konkrete Gefährdung des Eigentums der Wohnungseigentümer beziehungsweise ihrer Mieter vor, da mit der codierten Generalkeycard völlig unkontrolliert von den Klägern und ohne ihr Wissen beziehungsweise Zustimmung ihre Wohnungen geöffnet und betreten werden könnten.

Das Sicherungsbegehren wurde damit begründet, dass die Gefahr bestehe, dass damit die Kläger einen unwiederbringlichen Schaden erleiden würden.

Erstgericht sagt „Nein“ zur einstweiligen Verfügung

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass es an einem konkreten Vorbringen fehle, woraus sich ein drohender, unwiederbringlicher Schaden der Kläger ergeben könne. Eine bloße theoretische Möglichkeit der Gefährdung des Eigentums durch unkontrolliertes Betreten der Wohnungen reiche nicht.

Einstweilige Verfügung laut Rekursgericht gerechtfertigt – Warum?

Das Rekursgericht hingegen erließ die beantragte einstweilige Verfügung, wonach der beklagten Gesellschaft aufgetragen wurde sämtliche von ihr codierten bzw bereits an Dritte ausgegebenen Generalkeycards für die beiden Appartementhäuser einzufordern und zu deaktivieren. Es erachtete eine Verletzung des Rechtes auf Privatsphäre als gegeben, weshalb sich die einstweilige Verfügung als geeignete Maßnahme erweise, die jederzeit gegebene bzw drohende Verletzung der Privatsphäre hintanzuhalten.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Frage, ob allein die Einräumung der objektiven Möglichkeit eines Eingriffes in die Privatsphäre einen groben unwiederbringlichen Schaden verwirkliche, nicht ausreichend durch höchstgerichtliche Rechtsprechung bis dato dargelegt wurde. Demgegenüber beantragte die beklagte Partei in ihrem Revisionsrekurs die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Entscheidung des OGH – Erstmalige Rechtsprechung

In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Höchstgericht zunächst verfahrensrechtlich fest, dass die einstweilige Verfügung auf einen Eigentumseingriff zurückzuführen ist und keine Verwalterpflicht im Sinne des § 20 WEG darstellt, sodass keine außerstreitige Angelegenheit nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG vorliegt. Behält sich der Vermieter eines Bestandgegenstandes einen Schlüssel zurück, so wird grundsätzlich das Recht des Mieters zur ausschließlichen Nutzung dessen verletzt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um einen zurückbehaltenen, nachträglich hergestellten mechanischen oder elektronischen Schlüssel im Sinne einer Keycard handelt. Wenn ohne Zustimmung des Wohnungseigentümers ein anderer einen Schlüssel zu seiner Wohnung hat, wird grundsätzlich das Recht des Wohnungseigentümers sein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, beeinträchtigt. Darüber hinaus wird in einem solchen Fall aber auch die Privatsphäre des Wohnungseigentümers permanent verletzt. Dazu zählen auch Angehörige oder Mieter des Wohnungseigentümers, weil stets damit gerechnet werden muss, dass ein Fremder unerwünscht in die Wohnung gelangt. Demnach war dem Revisionsrekurs der beklagten Partei der Erfolg zu versagen.

Fazit

Der vorliegenden Entscheidung ist vorbehaltslos zuzustimmen, da eine jederzeitige Zutrittsmöglichkeit eine Verletzung der Privatsphäre des jeweiligen Wohnungsnutzers indiziert.

Gleiches gilt natürlich auch für jene Fälle, in denen eine Eigentumswohnung vermietet wird. In diesen Fällen wird den obligatorisch nutzungsberechtigten Mietern ebenfalls ein exklusives Innehabungsrecht sämtlicher Wohnungsschlüssel zugesprochen, weshalb sich ein Vermieter in diesen Fällen keine Schlüssel zurückbehalten oder anfertigen darf.

Autor

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.