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Hans Sandrini | News | 07.04.2020

Mietzinsfälligkeit, Räumungsexekution, Vertragsbefristungen – Änderungen durch das COVID-19-Paket

Gastautor Mag. Hans Sandrini erläutert, welche Auswirkungen das COVID-19-Paket ua auf die Unterbrechung von Fristen in wohnrechtlichen Verfahren, Mietzinsfälligkeiten, Räumungsexektuionen und Vertragsbefristungen hat.

Mit dem 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/16) wurden weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus beschlossen. Sehr wesentlich ist dabei die vorläufige Unterbrechung bestimmter gesetzlicher Fristen in zivil- und verwaltungsrechtlichen Verfahren (einschließlich des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens). Mit dem kurz darauf erlassenen 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz (BGBl I 2020/24, Art 37) wurden begleitend dazu ergänzende Regelungen zur Mietzinsfälligkeit, Vertragsbefristungen und Delogierungen eingeführt. Im folgenden Beitrag werden diese wesentlichen gesetzgeberischen Maßnahmen aus miet- und wohnrechtlicher Sicht näher betrachtet.

Ausgangslage

Die bestehenden Quarantänemaßnahmen und Ausgangssperren stellen massive Einschränkungen des sozialen Lebens dar und haben unter anderem auch die Schwierigkeit zur Folge, zeitgerecht rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können und fristwahrend notwendige Verfahrensschritte zu setzen. Durch die nunmehr in Kraft getretene Fristenhemmung und den weiteren begleitenden Maßnahmen soll dem Rechnung getragen und daraus resultierende Rechtsnachteile vermieden werden.

Die Fristenregelungen des 2. COVID-19-Gesetzes

Das 2. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/16) regelt, dass sowohl bestimmte prozessuale als auch materielle Fristen, deren auslösendes Ereignis nach 21.03.2020 eintritt, oder die zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen waren, (zumindest) bis 30.04.2020 unterbrochen werden. Beginnend mit 01.05.2020 laufen daher die davon umfassten Fristen weiter, wobei diese Regelung mit Ablauf des 31.12.2020 wieder zur Gänze außer Kraft treten soll. 

Das Gericht kann jedoch nach eigenem Ermessen davon abgehen und durch Beschluss abweichende (früher ablaufende) Fristen festlegen. Gerade in miet- und wohnrechtlichen Außerstreitverfahren ist eher zu erwarten, dass die Gerichte von dieser Möglichkeit wohl nur in Einzelfällen Gebrauch machen werden. 

Von der Wirkung des Gesetzes sind ausdrücklich auch Fristen umfasst, innerhalb derer bei einem Gericht eine Klage oder ein Antrag zu erheben oder bei einer Behörde ein verfahrenseinleitender Antrag zu stellen ist. In den Erläuterungen der Gesetzesvorlage werden beispielhaft Verjährungsfristen oder die Anrufung der Schlichtungsstelle gemäß § 40 MRG (gemeint ist hier wohl die Anrufung des Gerichts) angeführt.

Zu erwähnen ist schließlich, dass die bis zum 30.04.2020 vorgesehene Fristhemmung durch Verordnung des Bundesministeriums für Justiz auch verlängert werden kann.

Die begleitenden Maßnahmen des 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetzes

Nicht von der Fristenhemmung des 2. COVID-19-Gesetzes umfasst waren daher ursprünglich Leistungsfristen sowie alle vertraglich festgelegten Fristen. Somit hatte dieses Gesetz insbesondere auf die Mietzinsfälligkeit oder die erforderliche Rückgabe der Mietsache wegen Ablauf des Befristungszeitraums keinen Einfluss, was vor allem Wohnungsmieter teilweise vor große Schwierigkeiten gestellt hat. Der Gesetzgeber sah sich daher im Bereich von Wohnungsmieten veranlasst, begleitende Maßnahmen zu erlassen, die im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz näher geregelt werden:

1. Beschränkung der Rechtsfolgen von Mietzinsrückständen (bei Wohnungsmieten):

Ein Wohnungsmieter, der als Folge der COVID-19-Pandemie in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist und deshalb den im Zeitraum von 01.04.2020 bis 30.06.2020 fälligen Mietzins gar nicht oder nicht vollständig entrichtet, kann nicht allein wegen dieses Rückstandes gekündigt bzw gemäß § 1118 ABGB zur Räumung aufgefordert werden. Darüber hinaus kann ein derart eingetretener Mietzinsrückstand bis zum Ablauf des 31.12.2020 nicht gerichtlich eingeklagt oder von einer hinterlegten Kaution in Abzug gebracht werden. Bemerkenswert an dieser Regelung ist, dass diese nicht auf den (Teil-) Anwendungsbereich des MRG eingeschränkt ist und daher – das Vorliegen eines Mietvertrags zu Wohnzwecken vorausgesetzt – auch bei einer Vollausnahme des MRG zur Geltung gelangt.

In welchem Ausmaß von dieser Regelung Gebrauch gemacht wird, wird sich erst zeigen. Jedenfalls sollten sich Wohnungsmieter auch immer an den Verwalter/Vermieter wenden, auf ihre Situation hinweisen und versuchen eine einvernehmliche Stundung der Miete zu erwirken. Gerade der Nachweis, dass der eingetretene Rückstand allein auf die Coronakrise zurück zu führen ist, könnte Schwierigkeiten bereiten.

Einen Auffassungsunterschied kann es auch darüber geben, wie mit einer Betriebskostennachforderung bzw einem -guthaben umzugehen ist, dessen Fälligkeit in dem vom Gesetz genannten Zeitraum eintritt. Nach Ansicht des Autors stellt eine Nachforderung einen (echten) Mietzinsbestandteilt dar und fällt daher ebenfalls unter diese Bestimmung. Ebenso wäre es wohl gegen die Intention des Gesetzes, wenn ein Vermieter ein Abrechnungsguthaben zurückbehalten und mit einer allenfalls aushaftenden Miete gegenrechnen würde. 

Mit 30.06.2022 tritt das Kündigungsverbot schließlich endgültig außer Kraft. 

2. Verlängerung von befristeten Wohnungsmietverträgen:

Bekanntlich können Mietverträge über Wohnungen im Voll- und Teilanwendungsbereich des MRG nur auf jeweils drei Jahre wirksam befristet oder verlängert werden. Für alle zwischen 30.03. und 01.07. dieses Jahres endenden Mietverträge gilt nunmehr, dass sie auch bis maximal Jahresende 2020 schriftlich verlängert werden können. Eine Verlängerung im Sinne dieser Bestimmung ist daher nur im Einvernehmen, also mit Zustimmung des Vermieters, möglich. Die Regelung ist insofern sinnvoll, als nun für Vermieter klargestellt ist, dass eine kurzfristige Verlängerung nicht zu einer Undurchsetzbarkeit der Befristung führt.

Eine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit für den Mieter während des so verlängerten Befristungszeitraums besteht nach dem Gesetz grundsätzlich nicht, sondern müsste bereits im Mietvertrag verankert sein bzw im Zuge der Verlängerung gesondert vereinbart werden. 

3. Aufschiebung der Räumungsexekution

Auf Antrag des zur Räumung verpflichteten Wohnungsmieters kann die Aufschiebung der Delogierung beantragt werden, sofern die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen dient. Ein solcher Räumungsaufschub ist aber dann nicht zu bewilligen, wenn die Räumung zur Abwendung schwerer persönlicher oder wirtschaftlicher Nachteile des betreibenden Gläubigers (Vermieters) unerlässlich wäre. Sollten diese Voraussetzungen wegfallen, kann das Räumungsverfahren schon innerhalb von drei Monaten ab Bewilligung des Aufschubs fortgesetzt werden; ansonsten erst nach Ablauf von sechs Monaten oder sobald die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffenen Maßnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit oder des zwischenmenschlichen Kontakts aufgehoben wurden.

Fazit

Die weitere Entwicklung der COVID-Sondergesetze hängt nun insbesondere davon ab, wie sich die Gefährdungslage hinkünftig darstellt und muss daher laufend beobachtet werden. Es kann momentan nur abgewartet werden, durch welche weiteren Maßnahmen der Gesetzgeber bzw die Regierung dieser Ausnahmesituation entgegentreten wird.

Hinweis:

Der Beitrag dient als thematische Auseinandersetzung lediglich der Orientierungshilfe und kann in der momentanen Sondersituation keine Gewähr für die Richtigkeit übernommen werden.

Autor

Mag. Hans Sandrini ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.