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Andrea Weisert | News | 18.03.2020

Mietzinsminderungen in Zeiten von COVID-19

In Zeiten der "Corona-Krise" stellt sich für Mieter und Pächter von Geschäftslokalen die Frage, ob der Mietzins gemindert werden kann. Wohnrechtsexpertin Dr. Andrea Weisert erläutert in diesem Beitrag, welche gesetzlichen Bestimmungen gelten.

Neue gesetzliche Bestimmungen wegen COVID-19

Am 13.03.2020 war es soweit, die Bundesregierung kündigte aufgrund der steigenden Infektionsfälle in Österreich, weitere Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus an. Neben der Absage von Veranstaltungen und Schließung von Museen und Gastronomiebetrieben (ausgenommen Gästebeherbergungen, Lieferservice), Handelsgeschäfte sind zu schließen, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Drogerien, Banken und Post dürfen auch Trafiken, Tankstellen und der Tierfutterhandel offenbleiben.

Auch Geschäfte für medizinische Produkte und Heilbehelfe dürfen weiterhin geöffnet bleiben, der öffentliche Verkehr bleibt aufrecht, genauso Notfall-Dienstleistungen und die Wartung wichtiger Infrastruktur.

Grundlage finden diese einschneidenden aufgrund unser aller Gesundheit notwendigen Zwangsschließungen im COVID-19 Gesetz (BGBL I, Nr 12/2020), auf dessen Grundlage auch weitere Verordnungen erlassen wurden und wohl auch noch werden:

Artikel 8: Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
von COVID-19(COVID-19-Maßnahmengesetz)

98. Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß § 2 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes

Negative Folgen für Unternehmen

Die Folgen sind derzeit noch nicht im vollen Ausmaß spürbar, viele arbeiten von zu Hause aus, aber Gewerbetreibende, insbesondere der Handel, werden nicht nur mit existenziellen Umsatzeinbußen zu kämpfen haben, sondern auch vor der Frage stehen, wie kann ich mir die Miete/Pacht für mein Geschäftslokal noch leisten?

Es stellt sich für Mieter und Pächter von Geschäftslokalen sohin die Frage, kann der Mietzins gemindert werden?

Allgemeines

Grundsätzlich besteht das Recht bei wesentlichen Beeinträchtigungen der mietvertragsgemäßen Brauchbarkeit eines Mietobjektes die Miete gemäß § 1096 ABGB zu mindern.

Dauer und Ausmaß richtet sich nach der Beeinträchtigung, dh wie lange diese andauert und inwiefern sie einem tatsächlich am bedungenen Gebrauch hindert.

Der Mietzinsminderungsanspruch ist ein Gewährleistungsanspruch eigener Art, der unabhängig von den üblichen Gewährleistungsfristen geltend gemacht werden kann, ein Verschulden des Bestandgebers am Auftreten des Mangels nicht voraussetzt und gesetzlich besteht. Bestandnehmer haben aber auch das Recht Mietzinsminderung zu begehren, wenn zwar die Bestandsache selbst nicht mangelhaft ist, der Bestandgeber ihnen jedoch den bedungenen Gebrauch entweder überhaupt nicht oder doch nicht in vollem Ausmaß verschafft oder ihn im bedungenen Gebrauch stört. Somit setzt die Mietzinsminderung entweder einen Mangel des Bestandgegenstandes selbst oder ein vom Bestandgeber gesetztes oder ein ihm zurechenbares Verhalten voraus, wodurch der bedungene Gebrauch der Bestandsache gehindert oder beeinträchtigt wird (1 Ob 113/02b).

Ausschluss von Mietzinsminderung

Mietzinsminderung ist allerdings unter anderem dann ausgeschlossen:

  •  wenn es sich um eine unwesentliche Beeinträchtigung handelt
  • wenn bei Anmietung dieser „Mangel“ bereits bekannt war oder vom Mieter selbst akzeptiert wurde
  • wenn die Beeinträchtigung selbst verschuldet wurde oder der Mieter die Beseitigung verhindert

Schutz vor Störung Dritter?

Der Bestandgeber ist auch verpflichtet, den Bestandnehmer gegen Störungen Dritter zu schützen, insbesondere bei wesentlichen Beeinträchtigungen des Gebrauchs bzw der Nutzung der Bestandsache. Der Bestandgeber hat daher gegen Störungen Dritter, Maßnahmen zu ergreifen und darf den Bestandnehmer nicht auf die diesem unmittelbar gegen den Störer zustehenden Ansprüche verweisen, muss also zur Gewährleistung des bedungenen Zwecks selbst aktiv werden. Die Grenze liegt freilich dabei in der Zumutbarkeit von Schutzmaßnahmen.

Grundsätzlich rechtfertigt ein durch Bauarbeiten etc. verursachter Umsatzrückgang beim Betrieb des im Bestandobjekts geführten Unternehmens keinen Anspruch auf Mietzinsminderung (OGH 9 Ob 348/98m). Der Bestandgeber muss nicht für Störungen Dritter Maßnahmen ergreifen, die außerhalb seines Ingerenzbereichs liegen. Bauarbeiten etc. entziehen sich idR dem Einfluss eines Vermieters und gehören zum „allgemeinen Lebensrisikos“ eines Mieters.

Verwendungsrisiko des Bestandnehmers

In der Entscheidung des OGH 1 Ob 113/02b wurde erkannt, dass der Unternehmenspächter und Mieter von Geschäftslokalen grundsätzlich das Verwendungsrisiko tragen.

Sohin hat jeder Vertragspartner beim Bestandvertrag die Nachteile zu tragen, die sich aus seiner Sphäre ergeben. Somit trägt der Bestandgeber das Risiko für alle auf Zufall beruhenden Umstände, die den Ausfall oder eine wesentliche Einschränkung des Gebrauchsnutzen des Bestandobjektes zur Folge haben, er verliert daher ganz oder teilweise den Anspruch auf Leistung des Zinses. Ist hingegen der Bestandnehmer verhindert, das Bestandobjekt zu nutzen oder zu gebrauchen, obwohl es benutzbar ist, so fällt ihm das Zinsrisiko gemäß § 1107 ABGB zu, dh er hat den Zins zu bezahlen, obgleich er keinen oder nur einen verringerten Gebrauchsnutzen hat.

Fällt die Schließung durch COVID-19 unter den Anwendungsbereich des § 1096 ABGB?

Nun ist die angeordnete Schließung in Zusammenhang mit COVID-19 nicht unter die Anwendung des § 1096 ABGB subsumierbar, da diese Bestimmung eben nur Fälle der Unbrauchbarkeit des Bestandobjektes bzw Fälle gewöhnlichen Zufalls zugrunde legt. Die Maßnahmen iZm COVID 19 werden wohl als höhere Gewalt, sohin als außerordentliche Zufälle zu behandeln sein.

Bestimmungen zum außerordentlichen Zufall

Die Sondernormen über die Gefahrtragung der §§ 1104 und 1105 ABGB setzen die Beseitigung oder Einschränkung der Möglichkeiten zur Nutzung bzw zum Gebrauch der Bestandsache durch einen außerordentlichen Zufall oder solchen gleichzuhaltenden Tatsachen voraus. Genannt werden explizit Feuer, Krieg oder Seuche, große Überschwemmungen, Wetterschläge.

Außerordentliche Zufälle sind sohin elementare Ereignisse, die von Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen auch von niemanden Ersatz erwartet werden kann. Elementarereignisse treffen stets einen größeren Personenkreis auf eine Weise, die durch eine gesetzliche Regelung über Ersatzanspruch nicht angemessen ausgeglichen werden kann.

Im Falle eines außerordentlichen Zufalls iSd §§ 1104, 1105 ABGB kann der Bestandnehmer zwischen Rücktritt und Zinsbefreiung bzw -minderung wählen.

Beispielsweise wurde in 8 Ob 610/90 erkannt, dass eine latente Gefahr von Bombenanschlägen, die ständige Anwesenheit von Polizei und Durchführung von Personenkontrollen zur Verhinderung von Anschlägen, die durch den Einzug eines anderen Mieters, der erfahrungsgemäß immer wieder Ziel terroristischer Anschläge war, zweifellos geeignet ist, einen Umsatzrückgang und damit auch eine Entwertung eines für bestimmte Zwecke (gegenständlich Büro und Schönheitssalons) gemieteten Mietobjektes bewirkt. Der OGH führte weiter aus, dass die Gefahr von Terroranschlägen ein Fall höherer Gewalt sei und durchaus mit den im § 1104 ABGB genannten kriegerischen Ereignissen gleichzusetzen wäre.

Voraussetzung ist auch bei §§ 1004 und 1105 ABGB, dass einer der erwähnten außerordentliche Zufälle oder solchen Zufällen gleichzuhaltenden Tatsachen die Nutzung bzw den Gebrauch der Bestandsache beseitigt oder einschränkt.

Fazit: Möglichkeiten für betroffene Unternehmen

Somit ist abschließend festzuhalten, dass die derzeitige Situation in Zusammenhang mit COVID-19 Geschäftsmietern und Pächtern die Möglichkeit gibt, die Miete bzw Pacht zu mindern (oder auch das Bestandverhältnis aufzulösen). Ob ein gänzlicher Ausfall auch möglich ist, wird einzelfallbezogen beurteilt werden müssen. Diesbezüglich wird die Restnutzung Thema sein.

Dass natürlich nicht nur Betriebe, die schließen mussten, betroffen sein können, ist nachvollziehbar, haben doch auch Betriebe, die nicht unmittelbar von den außerordentlichen Maßnahmen betroffen sind, Beschränkungen, vor allem im Dienstleistungsbereich – Kundenkontakt, zu tragen.

Zu beachten ist allerdings, dass die Anwendung der zitierten Regelungen im Mietvertrag ausgeschlossen werden kann, diesfalls käme wohl eine Vertragsanfechtung (zumindest bei Vertragsformblätter) wegen gröblicher Benachteiligung infrage.

Autorin

Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.

Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online und ist Autorin von Loseblattwerken zum WEG und Zivilverfahrensrecht.

www.weisert.at