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Andrea Weisert | News | 11.12.2015

Rauchen? Nein, danke! – Rauchverbot in Mietshäusern?

Gastautorin Dr. Weisert geht in ihrem Beitrag der Frage nach, ob ein nachbarrechtlicher Abwehranspruch gegen Tabakrauch zum Ziel führen kann. Zum Rauchen am Balkon in einem Mietshaus erging kürzlich eine Entscheidung des Landesgerichts für ZRS Wien.

Einleitung

Laut WHO Global Report 2012 stellt Tabakkonsum die größte vermeidbare Ursache für chronische Krankheiten einschließlich Krebs, Lungen- und kardiovaskuläre Erkrankungen und frühzeitige Sterblichkeit dar. Jährlich sterben 5 Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums, hinzu kommen noch 600.000 Tote durch Passivrauch. Weltweit sind 12 % aller Todesfälle der über 30-jährigen dem Tabakkonsum zuzuschreiben, 71 % aller Lungenkrebsfälle werden durch Tabakkonsum verursacht, ebenso wie 42 % der COPD-Erkrankungen und 38 % der ischämische Herzerkrankungen bedingten Todesfälle 30 bis 44-jähriger.

Festgestellt wurde, dass der Tabakrauch, der beim Passivrauchen eingeatmet wird, die gleichen giftigen und krebserzeugenden Substanzen enthält, wie der von Rauchern inhalierte Rauch.Conclusio: Passivrauchen ist in jedem Fall gesundheitsgefährdend, es gibt keine unbedenkliche oder unschädliche Dosis.

Nichtraucher-Schutzbestimmungen

Die bis dato geltenden Nichtraucher-Schutzbestimmungen für die Gastronomie wurden mit der Novelle zum Tabakgesetz 2008 erlassen. Darauf folgte die Trennung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereiche in der Gastronomie.

Doch das war bei Weitem noch nicht alles, durch die Novelle zum Tabakgesetz 2015 wurden weitgehende Änderungen und strikte Rauchverbote normiert. Begründet wurde dies einerseits mit der oben zitierten WHO Studie und andererseits, dass Untersuchungen zeigten, dass selbst die Einrichtung räumlich getrennter Raucher- und Nichtraucherbereiche nicht ausreichend sei, um eine Gesundheitsgefährdung von Gästen, besonders aber auch der Beschäftigten in der Gastronomie, zu vermeiden. • [Fußnote: Zitiert aus den Erläuterungen zum Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über das Herstellen und in Verkehr bringen von Tabakerzeugnissen sowie die Werbung für Tabakerzeugnisse und dem Nichtraucherschutz (Tabakgesetz) geändert wurden

Gemäß § 12 TabakG gilt nunmehr der umfassende Nichtraucherschutz in Räumen für Unterrichts- und Fortbildungszwecke, Verhandlungszwecke, schulsportliche Betätigung, schulische oder solche Einrichtungen, in denen Kinder oder Jugendliche beaufsichtigt, aufgenommen oder beherbergt werden, einschließlich der dazugehörigen Freiflächen und die Herstellung, Verarbeitung, Verabreichung oder Einnahme von Speisen oder Getränken, sowie die in Gastronomiebetrieben für alle den Gästen zur Verfügung stehenden Bereiche, ausgenommen Freiflächen.

Auch in Mehrzweckhallen bzw Mehrzweckräumen gilt Rauchverbot, auch nicht ortsfeste Einrichtungen, insbesondere Festzelte, sind davon umfasst. Weiters gilt das Rauchverbot für geschlossene öffentliche und private Verkehrsmittel zur entgeltlichen oder gewerblichen Personenbeförderung.

Das Rauchverbot gilt allerdings nicht in ausschließlich privaten Zwecken dienenden Räumen.

Mietrechtliche Entscheidung zum Rauchen am Balkon

Vor Inkrafttreten dieser Novelle zum Tabakgesetz war in Wien ein Verfahren anhängig, in welchem die Frage behandelt wurde, ob sich Mieter untereinander das Rauchen am Balkon verbieten lassen können.

Zugrunde lag ein Sachverhalt, dass ein Mieter täglich ein bis zwei Zigarren rauchte, wobei er pro Zigarre ca 40 bis 45 Minuten benötigte. Er hätte diese Zigarren regelmäßig in der Nacht geraucht, nämlich zwischen Mitternacht und 2.00 Uhr morgens. Im Winter bzw bei Schlechtwetter täte er dies zwar bei geschlossenem Fenster, er lüftete danach aber immer ausgiebig, im Sommer rauchte er bei geöffnetem Fenster oder auf der Terrasse.

Sein Nachbar, ein Nichtraucher, fühlte sich durch den Zigarrenrauch massiv beeinträchtigt, insbesondere wenn dieser durch das geöffnete Fenster bzw geöffnete Balkontüre in seine Wohnung, vor allem in sein Schlafzimmer, eindringt, der Nichtraucher wache davon auf und fühle sich gestört. Auch wenn er das Fenster schließen würde, bleibe der Zigarrenrauch in seiner Wohnung.

Die Frage stellte sich für den Nichtraucher, ob er gegen das störende Rauchen seines Nachbarn vorgehen könnte, insbesondere weil ja auch das Passivrauchen – zwischenzeitig bestätigt – gesundheitliche Probleme hervorrufen kann.

Zur Anwendung gelangt die Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB:

(2) Der Eigentümer eines Grundstückes kann dem Nachbarn die von dessen Grund ausgehenden Einwirkungen durch Abwässer, Rauch, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliche insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen. Unmittelbare Zuleitung ist ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig.

Judiziert ist, dass nicht nur dem Eigentümer sondern auch dem Bestandnehmer ein Unterlassungsanspruch gegen einen störenden Dritten zusteht. • [Fußnote: OGH 7 Ob 654/89

Daher hat auch (im zitierten Fall) der Nichtraucher einen nachbarrechtlichen Abwehranspruch gemäß § 364 Abs 2 ABGB, dieser Abwehranspruch richtet sich gegen ortsunübliche Immissionen, die die ortsübliche Nutzung des eigenen Grundstückes (Wohnung) wesentlich beeinträchtigen.

Voraussetzungen für einen erfolgreichen Unterlassungsanspruch

Voraussetzung für den „Erfolg“ dieses Unterlassungsanspruches (mit dem Ziel, dass der Raucher die allabendliche Tabakimmission einzustellen hat) ist, dass es sich einerseits um eine ortsunübliche Immission handelt, die den anderen wesentlich beeinträchtigt.

Ortsüblichkeit

Ob man Zigarrenrauch als unüblich bezeichnet, ist eine Streitfrage, insbesondere wird mit den örtlichen Verhältnissen argumentiert, insofern dass jemand ein gewöhnliches Maß an Immissionen, das mit den örtlichen Verhältnissen verbunden ist, grundsätzlich hinzunehmen hat. Ob Tabakrauch ortsunüblich ist, müsste im Wege einer Interessensabwägung beurteilt werden. Nachdem jedoch Rauchen an sich immer mehr verpönter wird und die räumlichen Distanzen auch geringer sind (man lebt ja Wohnung an Wohnung) hat man es mit der Argumentation hinsichtlich der Ortsunüblichkeit leichter.

Insbesondere hat sich unsere Rechtsprechung (vor Inkrafttreten der neuen Novelle des Tabakgesetzes) gerne nach Deutschland und der dortigen Rechtsprechung orientiert. Der BGH hat im Rahmen eines Interessensausgleiches zwischen Rauchern und Nichtrauchern eine Entscheidung getroffen, wonach durch Rauchen erzeugte Immissionen heutzutage nicht mehr als sozialadäquat einzustufen sind, ganz im Gegenteil, deutlich intensiv wahrnehmbarer Rauch ist vielmehr grundsätzlich als eine wesentliche Beeinträchtigung anzusehen.

Wesentliche Beeinträchtigung

Eine weitere Voraussetzung für einen Abwehranspruch ist, dass eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen muss. Die wesentliche Beeinträchtigung muss sich auf die übliche Nutzung von Verwendungsmöglichkeit einer Wohnung/Grundstück abstellen, wobei die Immission eine gewisse Intensität bzw Schwere erreichen muss. Bei der Beurteilung dieser Wesentlichkeit ist das Empfinden eines Durchschnittsmenschen, der sich in der vergleichbaren Lage befindet, maßgeblich.

Der verständige Durchschnittsmensch (deutsche Rechtsprechung) nimmt auch Bedacht auf allgemeine Interessen und gesellschaftlich bedeutsame Gesichtspunkte. Tabakrauchimmissionen werden daher in Wohnanlagen in aller Regel zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Wohnungsnutzung führen. • [Fußnote: OGH 6 Ob 155/99h

Dazu kommt, dass nunmehr – was sogar in der Novelle zum Tabaksgesetz Aufnahme gefunden hat – feststeht, dass Tabakrauch gesundheitsgefährdend ist.

Es versteht sich von selbst, dass gesundheitsschädigende Immissionen jedenfalls ortsunüblich und auch als wesentlich einzustufen sind, wobei allerdings immer im Einzelfall zu prüfen ist, ob die Immission überhaupt eine Gesundheitsgefährdung für den Abwehrbeanspruchenden darstellt.

Die Beweislast für die Gesundheitsgefährdung trägt der Unterlassungskläger. Die Wesentlichkeit einer Störung ist vom Störer zu widerlegen.

Neue Nachbarn müssen sich mit Immissionen abfinden?

Kurios ist aber die derzeitige Ansicht des OGH, dass sich neu hinzukommende Nachbarn mit den in einem Gebiet vorherrschenden Immissionen abfinden müssen. Es handelt sich hierbei um die Argumentation der „Erkennbarkeit“ der Immission oder auch dass im Kaufpreis die immissions-belastenden Gebiete entsprechend günstiger wären. Diese Beschränkung gilt für gesundheitsschädliche Immissionen allerdings nur dann, wenn diese für einen durchschnittlichen sorgfältigen Käufer objektiv erkennbar gewesen sind. • [Fußnote: ecolex 2015, 748

Dass diese Überlegung praxisfern ist, braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Kaufinteressenten begutachten Wohnungen meist zu einer Tageszeit, in welcher die Nachbarn beispielsweise gar nicht zu Hause sind, ein unangenehmer Zigarrenrauch gar nicht wahrnehmbar wäre. Dass sich Tabakrauch mindernd auf einen Kaufpreis auswirkt, kann auch nicht bestätigt werden.

Fazit

Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass Tabakrauch jedenfalls gesundheitsgefährdend ist und grundsätzlich nicht ortsüblich sein kann und auch nicht werden kann und in aller Regel auch nicht geduldet werden muss.

In der zitierten Entscheidung (derzeit Landesgericht für ZRS Wien, 36 R 101/15t vom 25.9.2015) wurde jedenfalls ausgeführt, dass die Rauch- und Geruchsimmissionen nicht ortsüblich wären und dass die ortsübliche Nutzung der Wohnung durch den Zigarrenrauch in der Nacht wesentlich beeinträchtigt wurde.

Der Mieter wurde in seiner Nachtruhe empfindlich gestört, wobei jedoch der Zigarrenkonsum untertags dem Unterlassungsbegehrenden durchaus noch zuzumuten sei.

Aus dem Urteil ist allerdings nicht ableitbar, dass ein generelles Rauchverbot auch in jedem Mietshaus die Folge wäre, insbesondere ist jeder Einzelfall gesondert zu prüfen, auch wenn Tabakrauch gesundheitsschädigend ist, kann es doch niemandenverboten werden (derzeit) untertags (und wohl auch abends) im normalen Ausmaß zu rauchen.

Verfehlt wäre es aus dieser Entscheidung abzuleiten, dass ein generelles Rauchverbot in Mietshäusern besteht.

Autorin

Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.

Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online.

www.weisert.at