Dokument-ID: 1034669

Eva-Maria Hintringer | News | 11.09.2019

Recht auf Mietzinsminderung bei fehlendem Sicherheitsnachweis der elektrischen Anlage?

Die Gefährlichkeit einer Anlage wird vermutet, wenn dem Mieter der Beweis gelingt, dass eine elektrische Anlage iSd § 7a ETV 2002 nicht dem ETG 1992 entspricht oder der Vermieter seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist.

Geschäftzahl

OGH 05.07.2019, 4 Ob 83/19p

Norm

§ 7a ETV 2002; § 1096 ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Die Gefährlichkeit einer Anlage wird vermutet, wenn dem Mieter, der den Mietzins nach § 1096 ABGB mindern möchte, der Beweis gelingt, dass eine elektrische Anlage iSd § 7a ETV 2002 nicht dem ETG 1992 entspricht oder der Vermieter seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist. Bis zum Beweis des Gegenteils durch den Vermieter ist daher von einer Beeinträchtigung des bedungenen Gebrauchs einer Wohnung samt mitvermieteter „sanierter“ elektrischer Anlage iSd § 1096 ABGB auszugehen.

OGH: Nach § 7a ETV 2002 ist bei der Vermietung einer Wohnung sicherzustellen, dass die elektrische Anlage des Mietobjekts den Bestimmungen des ETG 1992 entspricht. Liegt darüber keine geeignete Dokumentation vor, so kann der Mieter der Wohnung nicht davon ausgehen, dass die elektrische Anlage diese Anforderungen erfüllt.

Dem OGH zufolge hat der Umstand, dass die Anlage iSd § 7a ETV 2002 nicht dem ETG 1992 entspricht oder der Vermieter seiner Dokumentationspflicht nicht nachgekommen ist, Vermutungswirkung dahingehend, dass grundsätzlich von einer potenziellen Gefährlichkeit der Anlage auszugehen ist. Die Vermutungswirkung ist deshalb auch auf die Verletzung der Dokumentationspflicht zu beziehen, weil sich der Mieter ohne Dokumentation nicht darauf verlassen kann, dass die elektrische Anlage den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Der Vermieter kann im Einzelfall beweisen, dass von der Anlage keine Gefährdung ausgeht.

Im Anlassfall wurde von der Vermieterin ursprünglich gar kein Befund nach § 7a ETV 2002 vorgelegt, später ein inhaltlich mangelhafter. Es konnte nicht festgestellt werden, ob tatsächlich Mängel der elektrischen Anlage bestehen. Unter diesen Umständen ist die Gefährlichkeit der Anlage zu vermuten, zumal der Vermieterin der ihr obliegende Gegenbeweis, dass die Anlage nicht gefährlich sei, nicht gelang.

Die Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 ABGB steht für die Dauer und in dem Maß der Unbrauchbarkeit zu, wenn das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft wird, dass es zu dem bedungenen Gebrauch nicht taugt. Die Brauchbarkeit einer Bestandsache richtet sich nach dem Vertragszweck und muss eine Verwendung entsprechend dem Vertragszweck und der Verkehrssitte zulassen.

Für Mängel, die objektiv zu keiner Gebrauchsbeeinträchtigung führen, hat der Bestandgeber nicht einzustehen. Hingegen können solche Mängel zu einer Mietzinsänderung berechtigen, die zwar mangels Kenntnis des Bestandnehmers von diesem subjektiv nicht wahrgenommen wurden, aber an sich gebrauchsbeeinträchtigend sind. Reagiert der Mieter auf ihm bekannte Mängel der Wohnung durch eine Einschränkung des Gebrauchs, liegt eine Gebrauchsbeeinträchtigung vor. Eine nach der ETV 2002 zu vermutende Gesundheitsgefährdung kann eine Beeinträchtigung des Nutzerverhaltens und damit eine Beeinträchtigung des Mietrechts zur Folge haben, wenn der Mieter die Wohnung anders gebraucht, als er es bei Vorliegen einer ordnungsgemäßen Anlage täte.

Im Anlassfall ist dem Mieter bekannt, dass für die Anlage kein Befund iSd § 7a ETV 2002 vorliegt. Der Mieter kann daher nicht davon ausgehen, dass die elektrische Anlage den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Vielmehr ist die Gefährlichkeit der Anlage zu vermuten. Ändert der Mieter sein Verhalten aus diesem Grund, folgt daraus auch eine Beeinträchtigung des bedungenen Gebrauchs der Wohnung.