Dokument-ID: 745032

Andrea Weisert | News | 13.03.2015

Rechtsbehelfe/Rechtsmittel des zur Räumung verpflichteten Mieters

Gastautorin Dr. Weisert informiert in diesem Beitrag darüber, welche Möglichkeiten Mieter im Falle einer Räumung haben, um einen Aufschub zu erwirken, und geht dabei auf die möglichen Aufschiebungsgründe ein und was dabei beachtet werden muss.

Bevor ein Vermieter seinen Mieter zwangsweise räumen lassen kann, benötigt er dazu einen (Exekutions-)Titel. Diesen erlangt er entweder durch ein voran gegangenes Aufkündigungsverfahren, Übergab/Überlassungsverfahren oder durch eine Räumungsklage.

Gegen die Aufkündigung kann der Mieter rechtzeitig binnen vier Wochen Einwendungen erheben, was dazu führt, dass das ordentliche Verfahren eingeleitet wird und die geltend gemachten Kündigungsgründe des Vermieters geprüft werden.

Im Räumungsverfahren wird seitens des Gerichtes (ohne Aktion des Mieters oder des Adressaten der Räumungsklage als Beklagten) eine Tagsatzung anberaumt, in welcher der Beklagte Gründe, die gegen die Zulässigkeit der Räumungsklage sprechen, anbringen kann oder falls es sich um Mietzinsrückstände handelt und den Mieter kein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand trifft, den Rückstand bis dahin bezahlt. Falls der Beklagte nicht erscheint, ergeht ein Versäumungsurteil, ansonsten ist ebenfalls das ordentliche Verfahren einzuleiten.

Hat der Vermieter sodann in weiterer Folge eine stattgebende und rechtskräftige Entscheidung aufgrund der von ihm eingebrachten Klagen/Anträge erlangt, kann er binnen sechs Monaten ab Vollstreckbarkeit des Beschlusses/Urteils eine zwangsweise Räumung durchsetzen.

Doch was kann der Mieter tun, dem die Räumung, vielleicht nicht unerwartet, aber doch zu einem ungünstigen Zeitpunkt trifft?

Der Mieter/zur Räumung Verpflichtete hat nunmehr die Möglichkeit, ein Verfahren zur Aufschiebung der Exekution gemäß §§ 42ff EO anhängig zu machen bzw gemäß § 35 MRG einen Räumungsaufschub zu erwirken.

Möglicher Zwischenstreit

Zu beachten ist aber auch, dass ein Mieter/ein zur Räumung Verpflichteter in einem Wiedereinsetzungsverfahren behaupten kann, die Aufkündigung/Klage gar nicht erhalten zu haben und erst durch Zustellung der Räumungsexekutionsbewilligung samt Delogierungstermin von dem Verfahren Kenntnis erlangt zu haben. Es wird dann ein Wiedereinsetzungsverfahren eingeleitet und geprüft werden, ob die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe überhaupt vorliegen. Grundsätzlich würde dieser Antrag bzw die Einleitung dieses Verfahrens nicht zu einer Aufschiebung der Exekution führen, diese muss natürlich im eigenen Interesse seitens des Mieters/zur Räumung Verpflichteten beantragt werden.

Eine einvernehmliche Aufschiebung einer Räumungsexekution ist gesetzlich nicht vorgesehen, in der Praxis erfolgt diese einvernehmliche Aufschiebung dahingehend, dass der betreibende Gläubiger zum festgesetzten Räumungstermin die erforderlichen Arbeitskräfte und Beförderungsmittel nicht bereitstellt, weswegen die Räumung nicht vollzogen werden kann. Es kann aber dann noch jederzeit die Fortsetzung der Räumungsexekution beantragt werden. Grundsätzlich ist es natürlich auch möglich mit dem Gerichtsvollzieher Kontakt aufzunehmen und den Räumungstermin entfallen zu lassen. Für den Mieter/zur Räumung Verpflichteten sei jedoch gesagt, dass diese „Aktion“ auch nicht zur Einstellung des Räumungsverfahrens führt.

Im Einzelnen zu den Aufschiebungsmöglichkeiten:

Aufschiebung gemäß § 44 Abs 1 EO

Der Mieter/zur Räumung Verpflichtete hat darzutun, dass der Beginn oder die Fortführung der Exekution für ihn mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteiles verbunden wäre (=Aufschiebungsinteresse).

Der Antragsteller muss daher konkret behaupten und bescheinigen, dass ihm durch den Vollzug der Exekution dieser genannte Nachteil droht, eine allgemeine Behauptung eines zu erwartenden Vermögensnachteiles wäre nicht ausreichend.

Die Bescheinigungsmittel müssen – wie in solchen Fällen immer – parat sein, gerichtliche Erhebungen zu behaupteten Vermögensnachteilen finden nicht statt. Die fehlende Bescheinigung kann auch nicht durch eine Sicherheitsleistung ersetzt werden.

Nun liegt es doch auf der Hand, dass es bei einer Räumung offenkundig ist, dass von einem Vermögensnachteil ausgegangen werden kann, da mit dem Vollzug der Räumung für den Verpflichteten die Unmöglichkeit verbunden ist, das Räumungsobjekt zur Befriedigung dringender Wohn- oder Geschäftsinteressen zu benützen. In der älteren Judikatur wurde der Verlust einer Wohnung, an der ein Miet- oder sonst ein Wohnrecht besteht, als Vermögensnachteil qualifiziert, in der jüngeren Judikatur nimmt man den Vermögensnachteil jedenfalls dann an, wenn es um die Räumung einer Wohnung geht, die einem dringenden Wohnbedürfnis des Aufschiebungswerbers dient, wobei jedoch auf das dringende Wohnbedürfnis abgestellt wird. Dies bedeutet, dass die Gefahr eines unersetzlichen oder schwer ersetzbaren Vermögensnachteiles des Aufschiebungswerbers nicht schon dann offenkundig ist, wenn die Exekution allgemein die Räumung einer Wohnung betrifft, sondern erst dann, wenn diese Wohnung dem dringenden Wohnungsbedürfnis des Aufschiebungswerbers dient.

Dies bedeutet, dass der Aufschiebungswerber bescheinigen muss, keine andere Wohnmöglichkeit zu haben, was nicht unmöglich erscheint.

Gemäß § 44 Abs 2 EO kann die Aufschiebung der Exekution von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden, die Höhe der Sicherheitsleistung hat sich nach dem Schaden zu richten, der dem betreibenden Gläubiger infolge der Verzögerung entstehen kann. Dies wird grundsätzlich die Höhe des zu erwartenden Mietzinsausfalles sein.

Die bisher unter Umständen aufgelaufenen Rückstände an Mietzinsen oder Benützungsentgelt, und auch angelaufenen Verfahrenskosten, werden jedoch dabeinichtberücksichtigt. Falls das Verfahren jedoch länger dauert und klar ist, dass mit der auferlegten Sicherheitsleistung das Auslangen nicht mehr gefunden werden kann, kann der betreibende Gläubiger eine nachträgliche Erhöhung der Sicherheitsleistung beantragen, was zB dann Sinn macht, wenn die Miete konsequent nicht bezahlt wird.

Dies bedeutet für den Aufschiebungswerber, ohne entsprechende Zahlung kein Aufschub.

Räumungsaufschub nach § 35 MRG

Dieser besondere Tatbestand stellt darauf ab, dass wegen drohender Obdachlosigkeit die Räumungsexekution auf Antrag aufgeschoben werden kann, jedoch nur, wenn die Aufschiebung dem betreibenden Vermieter nach Lage der Verhältnisse auch zugemutet werden kann.

§ 35 MRG ist auch nur anwendbar bei Auflösung von Mietverhältnissen, die dem Kündigungsschutz des MRG unterliegen.

Der Aufschub kann allerdings nur dem Mieter gewährt werden, nicht einem Untermieter. Daraus könnte man schließen, dass ein Räumungsaufschub nicht im Interesse dritter Personen gewährt werden kann, was jedoch in der Praxis sich nicht als bindend herausgestellt hat. Es kann ein Räumungsaufschub auch im Interesse Personen gewährt werden, die gegenüber dem Verpflichteten Anspruch auf Obsorge oder Gewährung des Unterhaltes (auch Unterkunft) haben. Voraussetzung ist jedoch, dass der Aufschiebungswerber Mieter der Wohnung war, das heißt, bei Räumungsklagen wegen titelloser Benützung kann die Aufschiebung nach dieser Gesetzesbestimmung nicht gewährt werden.

Die Voraussetzungen für den Räumungsaufschub sind sohin einerseits die drohende Obdachlosigkeit und andererseits die Zumutbarkeit für den Vermieter.

Unzumutbar ist ein Aufschub bei Nichtzahlung eines Mietzinsrückstandes, bei Fortsetzung des grob ungehörigen bzw das Mietobjekt schädigenden Verhaltens, bei Eigenbedarf wegen Gesundheitsgefährdung.

Die Dauer eines Aufschubes soll drei Monate nicht übersteigen. Die Frist für die Aufschiebung der Räumungsexekution ist ab dem Ende der Räumungsfrist zu berechnen, das heißt, wenn die Räumungsfrist binnen 14 Tagen im Titel festgelegt wurde, ist ab dem Ende dieser Leistungsfrist die Frist für die Aufschiebung der Räumungsexekution zu berechnen.

Nach Ablauf der drei Monate kann ein Aufschub wegen bloßer Obdachlosigkeit nicht mehr beantragt werden, nur das Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Umstände würde eine weitere Gewährung eines Räumungsaufschubes ermöglichen. Unter besonders berücksichtigungswürdigen Umständen würde man zum Beispiel hohes Alter oder Krankheit oder Kleinkinder, die in der Wohnung leben, verstehen. Die Aufschiebung aus besonderen Gründen kann dann noch zweimal aber nicht länger als drei Monate gewährt werden. Die Verlängerung der im Urteil bestimmen Leistungsfrist ist mit einem Jahr ab Ablauf der Leistungsfrist jedoch absolut begrenzt.

Autorin

Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.

Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online.

www.weisert.at